Dortmund/Fröndenberg. Ein Syrer legt in seiner Zell im Justizvollzugskrankenhaus Feuer. Kurz zuvor hörte er noch Stimmen. Jetzt wird der Fall vor Gericht verhandelt.

Am Landgericht Dortmund hat nun der Prozess gegen einen 23-Jährigen Syrer begonnen, der im Fröndenberger Justizvollzugskrankenhaus(JVK) im Oktober 2020 in seiner Zelle ein Feuer gelegt haben soll. Es ist nicht der erste Zwischenfall mit dem jungen Mann.

Richterin: Glück im Unglück

„Ich habe in Fröndenberg sehr starke Medikamente bekommen“, beginnt der 23-Jährige seine Erklärung. Weil er durch die Medikamente nicht mehr habe atmen können, wollte er auf sich aufmerksam machen, schildert er einem Dolmetscher. Zuvor habe er mehrmals darum gebeten, einen Gefängnisarzt sehen zu können. „Ich hatte keine andere Wahl“, sagt der junge Mann. Nur dem schnellen Eingreifen der Justizbeamten war es zu verdanken, dass der Syrer nicht schwerer verletzt wurde oder gar ums Leben kam.

Doch der Zwischenfall im JVK ist nicht der erste seiner Art, wie die vorsitzende Richterin anmerkt. Er habe viele Probleme in Deutschland, so der junge Mann. Daher wollte er einfach nur abgeschoben werden. „Deswegen habe ich das gemacht.“ Doch stattdessen sitzt er derzeit bereits eine dreieinhalbjährige Haftstrafe ab. Auf den Einwurf der Richterin, dass ihm das Anzünden einer Matratze in der Vergangenheit schon nichts außer einer Haftstrafe einbrachte, rechtfertigt sich der Syrer: „Ich habe nur ein kleines Feuer gemacht.“ Und das habe er auch jederzeit selbst löschen können, betont er – und er habe ja ohnehin unter Beobachtung gestanden. Für Richterin Paschke nur eine schwache Ausrede. Sie führt ihm einen Fall aus Bochum vor Augen. Dort hatte sich eine Patientin angezündet – und eine weitere Person mit in den Tod gerissen. „Es ist glücklich gelaufen, dass das jemand bei ihnen bemerkt hat“, so die Richterin. Kurz vor dem Matratzenbrand habe der Syrer zudem Stimmen gehört. Das sei auch in der Vergangenheit schon der Fall gewesen. Doch die Stimmen hätten ihm nicht befohlen, das Bett anzuzünden. „Es war sehr durcheinander. Sie sagten: ,Morgen kommst du frei‘ oder ,Geh‘ zur Schule‘.“

Dem Zwischenfall seien derweil keine besonderen Vorkommnisse vorausgegangen, wie ein JVK-Krankenpfleger (61) vor Gericht erklärt. Zusammen mit einer Kollegin saß er kurz vor dem Brand im Monitor-Raum. Dort werden die Patienten nach dem Einschluss videoüberwacht, um etwa suizidale Absichten frühzeitig erkennen und eingreifen zu können. „Es darf uns nichts entgehen“, sagt der Zeuge. Der 23-Jährige sei zunächst durch das Zimmer gewandert, rauchte eine Zigarette. Plötzlich habe er sich neben seinem Bett gebückt und das Laken in Brand gesetzt. Sofort rennt der JVK-Krankenpfleger aus dem Monitor-Raum zur Zelle und löscht das sich ausbreitende Feuer. Zu dem Zeitpunkt liegt der junge Mann ganz ruhig und alle Viere von sich gestreckt auf dem Boden neben seinem Bett. Nichts habe im Vorfeld auf die Tat hingedeutet.

Frühere Hilfe für Angeklagten

Eine Kollegin bestätigt die Aussage des 61-Jährigen. Die Krankenschwester war es, die das Feuer als erstes entdeckte – zufällig. „Ich habe auf dem Bildschirm gesehen, wie etwas aufflackert oder aufblitzt. Ich weiß nicht, wie es sonst ausgegangen wäre“, schildert die Frau. Denn bereits in der Vergangenheit gab es ähnliche Zwischenfälle im JVK. Ende 2018 starb ein Häftling an seinen Brandverletzungen. Die Tat des jungen Mannes wertet die Krankenschwester als „Trotzreaktion“. Dass er sich oder anderen etwas antun wollte, glaubt sie nicht.

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Ein Sozialarbeiter, der gleichzeitig als gerichtlich eingesetzter Betreuer des Angeklagten fungiert, gibt anschließend einen Einblick in die Vergangenheit des jungen Syrers. Der 23-Jährige ist bereits seit längerer Zeit psychotisch, vermutete sogar eine Maschine in seinem Bauch, die ihm Befehle gibt. Der Sozialarbeiter habe daher die Unterbringung in einer geschlossenen, forensischen Einrichtung vorgeschlagen. „Das wurde aber leider abgelehnt. Ich hätte mir eine andere Lösung gewünscht“, sagt er. „Es ist rechtlich ein Trauerspiel, dass man Leuten nicht vorher helfen kann, bevor etwas passiert“, kritisiert auch die vorsitzende Richterin. Aus der JVA Wuppertal, in der der Angeklagte zeitweise untergebracht war, erreichten den Sozialarbeiter zudem immer wieder wirre Stellungnahmen, dass der 23-Jährige nach Afghanistan abgeschoben werden wolle. Gleichwohl hänge dies vor allem mit seiner Erkrankung zusammen, der sich der junge Mann allerdings bewusst sei.

Der Prozess wird am kommenden Freitag fortgesetzt.