Hagen. Im Süden von Hagen herrscht weiter Verkehrschaos. Die Hagener Abgeordneten machen sich für Tempo 30 in Dahl stark.

Als Timo Schisanowski, Dr. Janosch Dahmen und Katrin Helling-Plahr im Spätsommer zum Wahlkampf im Volmetal aufgeschlagen sind, war gewiss nicht alles gut. Die Flutkatastrophe im Süden von Hagen war immer noch präsent. Aber zumindest von der Verkehrskatastrophe konnten die Menschen in Dahl, Priorei und Rummenohl noch nichts ahnen. Die brach am 2. Dezember ebenso unvermittelt herein, wie rund ein halbes Jahr zuvor das Jahrhunderthochwasser. Mit Sperrung der Rahmedetalbrücke und der A 45. Und seither ringt Politik vergeblich um Lösungen.

Was im engen Ortskern von Dahl, wo Tempo 30 für eine Beruhigung der Situation sorgen würde, Blüten treibt. Da hatte zuletzt Stefanie Wiener, Verkehrsexpertin bei der Stadt, zwar Verständnis für die Anwohner gezeigt, allerdings argumentiert, dass sie sich selbst an höherer Stelle die Zähne ausbeiße. Dahinter steckt Artikel 45 Absatz 9 der Straßenverkehrsordnung.

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Da ist geregelt, unter welchen Umständen auf einer Bundesstraße das Tempo gedrosselt werden darf. Zu hohe Schadstoffwerte könnten ein Argument sein, eine übermäßige Lärmbelastung. Und ein bestimmte Anzahl an schweren Unfällen in einer bestimmten Zeit. Nichts davon treffe allerdings auf Dahl zu.

Fünf Jahre bis zur neuen Brücke

Weil die Straßenverkehrsordnung bundesweit einheitlich geregelt sind, bräuchte es also eine Änderung auf Bundesebene. Was bei einem zeitlichen Horizont von fünf Jahren Bauzeit bis zu einer neuen Brücke Sinn ergeben könnte. Also ein Fall für die Hagener Bundestagsabgeordneten.

Besonders eng wird es an der Bundesstraße 54 vor der Kirche in Dahl.
Besonders eng wird es an der Bundesstraße 54 vor der Kirche in Dahl. © WP | Michael Kleinrensing

„Ja, hier sehe ich Handlungsbedarf“, sagt so Timo Schisanowski (SPD) und schränkt ein: „Leider ermöglicht die derzeitige Rechtslage, die auf einem veralteten Verkehrsverständnis zu Gunsten des motorisierten Individualverkehrs beruht, keine Lösung. Wir haben uns deshalb als Ampel-Parteien im Koalitionsvertrag richtigerweise darauf verständigt, dass die Straßenverkehrsordnung so angepasst werden muss, dass Ländern und Kommunen mehr Entscheidungsspielräume eröffnet werden.“

Schisanowski für Tempo 30 in Dahl

Als Ideallösung befürworte er, so Schisanowski, eine Neuregelung, nach der Kommunen die Möglichkeit eröffnet wird, Tempo 30 innerorts anordnen zu können. „Gleichzeitig rege ich mit Nachdruck an, dass die Stadt der Kommunalinitiative ,Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten’ beitritt, um eine mögliche Modellkommune werden zu können.“ Auf die Problematik im Volmetal habe er auch seine Kollegen im SPD-Arbeitsgruppe Verkehr aufmerksam gemacht. Die Änderung der Straßenverkehrsordnung hätten die Verkehrspolitiker angestoßen.

Ist für eine Änderung der Straßenverkehrsordnung: Timo Schisanowski.
Ist für eine Änderung der Straßenverkehrsordnung: Timo Schisanowski. © WP | Michael Kleinrensing

Auch Janosch Dahmen hält die Situation an der B 54 für „katastrophal und gefährlich“. Die Ursachen sieht der Grünen-Abgeordnete in der Vergangenheit: „Zur Zeit von Henrik Wüst hat das Verkehrsministerium die Talbrücke Rahmede 2017 in der Priorität für die Sanierung herunterstufen lassen; wäre das nicht passiert, hätten wir dieses Problem heute vermutlich nicht.“

Grüne setzen sich nicht durch

Eine Lösung für den Hagener Süden? „Konkret hilfreich wäre in diesem Fall die Möglichkeit einer Temporeduktion“, sagt Dahmen. „Wir sind im vergangenen Jahr angetreten mit dem Vorhaben in geschlossenen Ortschaften das Regel-Ausnahme-Verhältnis umzukehren. Tempo 30 wäre dann die Regel, Abweichungen wie Tempo 50 würden vor Ort ausgewiesen. Leider haben wir das in den Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzen können.“

Dr. Janosch Dahmen (Grüne) hofft auf den Verkehrsausschuss.
Dr. Janosch Dahmen (Grüne) hofft auf den Verkehrsausschuss. © WP | Michael Kleinrensing

Gleichwohl sei, so Dahmen, eine Anpassung der Straßenverkehrsordnung dahingehend vereinbart, dass neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden, um Ländern und Kommunen Entscheidungsspielräume zu eröffnen. „Diese Entscheidungsspielräume könnten hilfreich sein. Allerdings möchte ich die Erwartungen ehrlicherweise nicht zu hoch treiben.“ Immerhin: Dahmen will bei der Grünen-Verkehrsexpertin Nyke Slawik nachhaken. „Sie ist stellvertretende Vorsitzende im Verkehrsausschuss.“

Helling-Plahr: Verordnung muss nicht geändert werden

Auf die Bedeutung der B 54 für Anwohner und Industrie weist die FDP-Bundestagsabgeordnete Katrin Helling-Plahr hin. „Man kann versuchen, diesen Durchgangsverkehr zu reduzieren, aber irgendwo müssen die Lastwagen nun mal physisch lang. Die Lösung liegt langfristig daher nur in einer möglichst schnellen Ertüchtigung der A 45 samt Rahmedetalbrücke“, so die Politikerin, „bis dahin ist Tempo 30 in Dahl durchaus erwägenswert.“

Die Hagener Bundestagskandidaten Katrin Helling-Plahr 8FDP) glaubt, dass die Gesetze Tempo 30 in Dahl zulassen.
Die Hagener Bundestagskandidaten Katrin Helling-Plahr 8FDP) glaubt, dass die Gesetze Tempo 30 in Dahl zulassen. © WP | Michael Kleinrensing

Allerdings ist Helling-Plahr nicht der Auffassung, dass es dazu „zwingend einer Änderung der StVO“ bedürfe. „Die derzeitige Rechtslage ist gar nicht so schlecht wie dargestellt“, sagt die Juristin, „Bundesstraßen dienen zwar dem überörtlichen Verkehr, bereits heute kann aber eine entsprechende Tempobegrenzung mit Zustimmung der obersten Landesbehörde erlassen werden, wenn eine Gefahrenlage besteht, die auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen ist und das allgemeine Risiko insbesondere für Leben und Gesundheit der Verkehrsteilnehmer erheblich übersteigt.“

Tempo 30 angemessen

Das Problem in Bezug auf Dahl bestehe eher darin, so Helling-Plahr, dass nach der Rechtsprechung eine Gefahr eben nicht allein schon in viel Verkehr liege. „Das heißt aber nicht, dass erst etwas passieren muss“, so Helling-Plahr. In Dahl seien die uneinsichtige Kurve und die beengte Fahrbahn gute Argumente. Auch wenn Tempo 30 bei Durchgangsstraßen die Ausnahme bleiben müsse – im Fall Dahl hält Helling-Plahr die Maßnahme für gerechtfertigt.