Hagen. Seit Sperrung der Rahmedetalbrücke auf der A 45 breitet sich im Süden von Hagen das Chaos aus. Vom verzweifelten Kampf um Tempo 30 in Dahl.
Die katastrophale Verkehrssituation im Volmetal beschäftigt weiter die Politik in Hagen. Zumindest jene Vertreter, die für den Süden der Stadt verantwortlich zeichnen, lassen nicht locker und wollen die Situation nicht als gottgegeben für mindestens fünf Jahre zementiert wissen. Denn schneller, das glaubt niemand mehr, lässt sich die marode Rahmedetalbrücke nicht abreißen und neu bauen.
Weil die Autobahn 45 zwischen Lüdenscheid Nord und Lüdenscheid gesperrt ist und es zu regelmäßigen Staus kommt, donnern schwere Lastwagen über die Bundesstraße 54. Und damit auch durch den Ortskern Dahl, wo Tempo 50 angesichts des zunehmenden Verkehrs, einer unübersichtlichen Kurve und der beengten Fahrbahn aus Sicht der lokalen Politik auf keinen Fall zu verantworten ist.
Politik in Hagen nimmt neuen Anlauf
Und obwohl sie bereits in der letzten Sitzung an der Verwaltung gescheitert waren, unternehmen die Politiker unverdrossen den nächsten Vorstoß, um zu ändern, was ihrer Auffassung nach jeglichem gesunden Menschenverstand widerspricht.
Der gesunde Menschenverstand kommt allerdings in Artikel 45 Absatz 9 der Straßenverkehrsordnung nicht vor. Da ist geregelt, unter welchen Umständen auf einer Bundesstraße das Tempo gedrosselt werden darf. Zu hohe Schadstoffwerte könnten ein Argument sein, eine übermäßige Lärmbelastung. Und ein bestimmte Anzahl an schweren Unfällen in einer bestimmten Zeit.
Das Weltwunder von Dahl
„Dass es hier noch nicht richtig geknallt hat, ist ein Weltwunder“, sagt Bezirksvertreter Peter Neuhaus (CDU), der jenseits der Volmebrücke nur einen Steinwurf entfernt von B 54, Kurve und Dorfkirche wohnt und die dramatischen Szenen tagtäglich live beobachten muss. „Neulich erst ist es einzig dem Geschick eine Busfahrers zu verdanken gewesen, dass es nicht geknallt hat. Der ist in letzter Sekunde einem 40-Tonner ausgewichen.“
Weil aber die formalen Voraussetzungen für Tempo 30 innerhalb des Ortskern – siehe oben – allesamt nicht erfüllt sind, wird sich trotz aller Kreativität der Politiker, die nach Lücken in der Straßenverkehrsordnung suchen, wohl nichts ändern. Stefanie Wiener, Verkehrsexpertin bei der Stadt Hagen, hat zwar Verständnis für die Anwohner, beißt sich aber selbst an höherer Stelle die Zähne aus.
Bezirksregierung akzeptiert Tempo 30 nicht
„Rein formal ist die Stadt Hagen für diesen Bereich der Straße zuständig und könnte sogar ein Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit verfügen“, sagt Wiener. „Allerdings würde sich schon kurze Zeit später die Bezirksregierung melden, auf den Paragrafen 45, Absatz 9 der StVo verweisen und uns anweisen, die Begrenzung wieder aufzuheben.“ – „Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt“ – so steht es im Gesetz.
Dem liegt ein Prinzip zugrunde, das in grauer Vorzeit ersonnen wurde und das bis heute niemand so ernsthaft angezweifelt hat, dass die StVo geändert wurde: absoluter Vorrang für den motorisierten Individualverkehr. Oder wie Stefanie Wiener es ausdrückt: „Land und Bezirksregierung sind an der Funktionsfähigkeit der B 54 interessiert. Es bleibt keine rechtliche Grundlage für Tempo 30.“
Smiley-Tafel soll Tempo reduzieren
Wenig tröstlich für jene, die vor Ort versuchen, die Situation erträglich zu machen: „Wir stehen wie die Deppen da und schaffen es nicht, die Gesundheit unserer Kinder zu schützen“, so Wolfram Schroll (Grüne). „Da müssen wir uns nicht über eine niedrige Wahlbeteiligung wundern.“
Zumindest eine Smiley-Tafel, die jene mit einem grünen Lächeln belohnt, die sich an die Tempovorgabe halten, brachte Dirk Heimhard (CDU) ins Spiel: „Allein dadurch könnte man das Tempo ein wenig reduzieren.“ Ein Vorschlag, der auch die Zustimmung von Bezirksbürgermeister Michael Dahme (SPD) fand. Es sei sogar möglich, eine solche Tafel über Mittel der Bezirksvertretung zu finanzieren.
Hoffen auf die Verkehrswende
Immerhin: Umweltdezernent Sebastian Arlt sagte zu, jede mögliche Idee aufzugreifen und noch einmal zu prüfen. Dazu zählt auch der Verweis aus der Politik auf eine sogenannte „Experimentierklausel“, mit der sich die strikte Verordnung vielleicht doch noch aushebeln lasse.
Ansonsten, so Wiener, bleibe nur abzuwarten, ob angesichts der Verkehrswende die Politik auf Bundesebene auch bereit ist, Gesetze so zu ändern, dass der Vorrang für den motorisierten Individualverkehr wegfällt.