Hagen. Der Widerstand gegen zwei Windräder von SL Naturenergie auf dem Rafflenbeuler Kopf in Hagen wächst. Anwohner haben Anwälte eingeschaltet.
Argumente haben sie reichlich gesammelt in den letzten Wochen. Es waren Wochen, die sie sich nicht gewünscht haben und die sie sich so auch niemals hätten vorstellen können. Denn dass auf jenem Berg, der direkt gegenüber ihrer Grundstücke liegt, sich schon bald zwei Windräder drehen sollen, das haben die Anwohner der oberen Selbecke eher zufällig Anfang Februar erfahren. Es hat einige getroffen wie ein Blitz aus heiterem Himmel.
Jetzt haben sie sich informiert, sich organisiert, sich zusammengeschlossen – weil man gemeinsam jd doch stärker ist. In einer Bürgerinitiative, die der Breckerfelder Theo Kleinhofer, ein Mann, der auf Breckerfelder Gebiet quasi von der anderen Seite auf die Windräder der SL Naturenergie blicken wird, auf den Weg gebracht hat.
Wirkung bis in Freilichtmuseum
Investor will Beteiligungsmodelle anbieten
Milan Nitzschke, Geschäftsführer des Investors SL Naturenergie hatte in einem Interview Verständnis für die Sorgen der Anwohner gezeigt. Gleichzeitig verwies er darauf, dass das Internet voll abenteuerlicher Geschichten zum Thema Windkraft sei.
SL Naturenergie lädt Anwohner ein, sich bereits realisierte Projekte anzuschauen. Gleichzeitig werde man Beteiligungsmodelle anbieten.
SL Naturenergie verweist darauf, dass die Pläne seit 2015 bekannt seien. Im Rahmen des Entwurfs zum Flächennutzungsplan sei von potenziellen Windkraftbetreibern eine Info-Veranstaltung durchgeführt worden.
Noch aber ist es nicht so weit. Und wenn es nach dem Willen der Selbecke-Anwohner geht, wird es auch niemals so weit kommen. Sie haben alle Argumente gesammelt, die gegen die fast 200 Meter hohen Anlagen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft sprechen.
Ein Argument haben sie auf einer Foto-Montage zusammengefasst. Die zeigt den Blick von einer Terrasse auf den gegenüberliegenden Hang. Zwei Windräder haben sie in diese Aufnahme hineinmontiert. „Diese Anlagen sind weithin sichtbar“, sagt Bärbel Hausmann, „sie haben für alle Anwohner eine optisch bedrängende Wirkung. Und das gilt auch für die Besucher des Freilichtmuseums. Durch diese Anlagen wird ein Landschaftsschutzgebiet zerstört. Da verlaufen ausgezeichnete Premiumwanderwege, eine Pilgerweg. Wer dort spazieren möchte, kann das demnächst unter der Beschallung zweier großer Windräder tun und muss im Winter mit Eisschlag rechnen.“ – „Das ist eine Schande für so einen historischen Weg“, ergänzt Bärbel Ranft.
Windräder quasi im Wohnzimmer
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Nadine Müseler treffen die Anlagen besonders. Sie hat ein Haus oberhalb der Blitze Am Hirsch erworben. Jenes Haus, das nicht einmal 500 Meter von den Windrädern entfernt steht. „Die bauen quasi bei mir im Wohnzimmer“, sagt die junge Frau, die hier ein Zuhause finden und eine Familie gründen will. „Von den Windrädern habe ich aus der Zeitung erfahren. Seither habe ich schlaflose Nächte.“
Neben Lärm, Infraschall und der optischen Bedrängung geht es den Anwohnern auch um den Wertverlust ihrer Grundstücke und Immobilien. „Viele von uns haben viel Geld in ihre Häuser gesteckt, wir selbst planen gerade eine Renovierung“, so Jörg Steinebach. Der Wertverlust von Häusern im Umkreis solcher Anlagen liege zwischen 30 und 70 Prozent.
Bürger üben Kritik an der Stadt Hagen
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Ins Visier der Kritik gerät auch die Stadt: „Warum haben die uns nicht wenigstens informiert? Wir sind doch Hagener Bürger“, sagt Karin Steinebach und liefert die Antwort, die sie für richtig hält, gleich selbst. „Die Stadt ist mit 42 Prozent an der Enervie beteiligt. Und der Versorger wiederum investiert in diese Windräder. Kein Wunder, dass wir die nicht auf unsere Seite kriegen...“
Im Gegenteil: Ihr stiller Protest vor der Ratssitzung sei von der Verwaltung und der Politik weitestgehend ignoriert worden. „Wir haben dort gestanden, nicht gepöbelt, niemanden belästigt“, sagt Karin Steinebach, „aber von einigen sind wir sogar noch verhöhnt worden.“
Rechtsanwalt legt Widerspruch bei der Stadt Hagen ein
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Weil sie auch auf dieser Ebene nicht weitergekommen sind, sollen jetzt Juristen weiterhelfen. Der Ibbebührener Anwalt Hendrik Kaldewei, der Anwohnerinteressen gegen diverse Gebiete auf Hagener Stadtgebiet wahrnimmt, ist nur einer von mehreren Anwälten, die die Anwohner eingeschaltet haben. „Ich habe zunächst im Namen meiner Mandaten Widerspruch gegen die Genehmigung bei der Stadt eingereicht“, so Kaldewei.
Eine genauere juristische Prüfung stehe noch aus. Allerdings können man jetzt schon sagen, dass es beispielsweise um die optische Bedrängung gehe. Hier seien bei Anlagen auf einem Berg wie im Hagener Fall andere Kriterien als auf flachem Land anzulegen.
Anwohner wollen weiter kämpfen
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Die Anwohner wollen also weiter mit allen Mitteln kämpfen. Und das Kämpfen, das Auflehnen hat hier in der Selbecke eine gewisse Tradition. Bereits in den 70ern, so berichten die Anwohner, habe man sich erfolgreich dagegen gewehrt, dass hier eine Umgehungsstraße und eine Hochbrücke durch das Tal gebaut werden. „Das haben damals unsere Eltern und Großeltern für uns getan“, sagt Bärbel Ranft, „jetzt werden wir für unsere Kinder und Enkel kämpfen.“