Attendorn. Am Testzentrum Attendorn gibt’s einen Antikörpertest, bei dem das Ergebnis nach 15 Minuten vorliegt. Ab wann ist eine Booster-Impfung sinnvoll?

Ab wann ist man gegen das Coronavirus immun? Bislang hat die Medizin darauf keine genaue Antwort. Der Wert der Antikörper im Blut kann eine Orientierungsmarke sein. Die Spannweite zwischen „so gut kein Schutz“ und „sehr gut geschützt“ ist groß. Viel Unsicherheit schwingt mit, gerade im Hinblick auf die anstehende Booster-Impfung. Sebastian Hoffmann, Geschäftsführer der „Maxsport“-Fitnessstudios in Attendorn und Lennestadt, hat mit seiner Partnerin Kirsten Reska im Corona-Lockdown bereits das Testzentrum Sauerland mit mehreren zertifizierten Teststellen gegründet. Ihre neueste Anschaffung: ein Gerät, das den Wert der Coronavirus-Antikörper im Blut bestimmt.

Blut wird per Stich aus der Fingerkuppe genommen

Mit einem Stich in die Fingerkuppe wird Blut aus den Kapillargefäßen entnommen. Zwei bis drei Blutstropfen reichen dafür schon aus. Diese werden in ein kleines Röhrchen aufgesogen, mit einer Pufferlösung vermengt und auf einen Teststreifen – ähnlich dem eines Selbsttests – pipettiert. „Ich gebe dann nur noch die Personendaten ein – Name, Alter und Geschlecht –, setze den Teststreifen ein und warte, bis das Ergebnis ausgespuckt wird“, erklärt Hoffmann. Zu jeder Probe wird eine ID-Nummer erstellt, um das Ergebnis auf Wunsch in einer Online-Datenbank registrieren zu können. Nach 15 Minuten druckt das Gerät einen kleinen Zettel aus, auf dem das Ergebnis steht.

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Gemessen werden die Antikörper in der Einheit BAU pro Milliliter. „BAU“ leitet sich ab von „binding antibody units“, eine Einheit, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgesetzt hat, um eine internationale Vergleichbarkeit zu schaffen. Bei den gemessenen Antikörpern handelt es sich um sogenannte neutralisierende Antikörper, die die Bindung des Virus an die Zellen blockieren. „Das Schöne ist, dass das Gerät nicht nur sagen kann, ob Antikörper vorhanden sind, sondern vor allem, wie viele“, meint Hoffmann.

Bei Werten von über 1000 BAU/ml spricht man von gutem Immunschutz

Da die Forschung in dieser Hinsicht noch nicht genügend Erfahrungswerte hat, um verlässliche Grenzen zu ziehen, gibt es aktuell noch einen großen Graubereich. Der Vorsitzende des Berufsverbands Deutscher Laborärzte (BDL) brachte zuletzt eine Ober- und Untergrenze ins Gespräch: Bei einem Wert von 21,8 BAU/ml sei so gut wie kein Immunschutz gegen das Coronavirus vorhanden, bei einem Wert über 1000 BAU/ml könne man von einer guten Schutzwirkung sprechen. Eine Auffrischungsimpfung sei bei über 1000 BAU/ml seiner Ansicht nach noch nicht notwendig.

Bis zu acht Proben können gleichzeitig im Gerät analysiert werden. 
Bis zu acht Proben können gleichzeitig im Gerät analysiert werden.  © Unbekannt | Britta Prasse

Auch wenn das RKI bislang keine Empfehlung für einen Antikörpertest vor einer Booster-Impfung ausspricht, halten Sebastian Hoffmann und Kirsten Reska die Analyse für sinnvoll. „Warum soll ich nachtanken, wenn mein Tank voll ist?“, meint Hoffmann. Die Argumentation funktioniere aber auch in die andere Richtung: „Die Meisten fühlen sich nach einer doppelten Impfung sehr sicher, als ob ihnen das Virus nichts mehr anhaben könnte. Oder es gibt welche, die glauben, dass sie bereits Corona hatten und jetzt deswegen mehr oder weniger immun sind“, gibt Reska zu Bedenken. Tatsache sei aber, dass die Immunisierung – ob nach vollständiger Impfung oder nach einer Infektion – abnehme.

Gleichzeitig könne ein Antikörpertest aber auch anzeigen, wie gut eine Coronaschutzimpfung überhaupt angeschlagen habe. „Mir geht es darum, dass die Leute sensibilisiert werden. Dass sie nach ihrem Booster vielleicht nicht gleich wieder auf die nächste Karnevalsparty stürmen“, betont Hoffmann. Es gehe um mehr Sicherheit im Umgang mit dem Virus. Zumal Zahlen – Schwarz auf Weiß – eine starke Wirkung haben können. „Wir hatten zum Beispiel eine Angestellte, die sich lange nicht impfen lassen wollte. Als wir bei ihr den Antikörpertest durchgeführt haben und ein Wert von unter 10 herauskam, hat sie sich am nächsten Tag impfen lassen.“

Mediziner sind noch skeptisch

Das Gerät stammt vom Hersteller „Vitalab“, der seinen Sitz in Pinneberg hat. Die Apothekergenossenschaft „Noweda“ gab die Sensitivität des Tests mit über 99 Prozent, die Spezifität mit über 98 Prozent an. „Trotzdem können sich die Ergebnisse von Tag zu Tag unterscheiden. Die Werte können bis zu 8 Prozent abweichen, weil das Blut jeden Tag anders ist, mal dünnflüssiger, mal dickflüssiger“, erklärt Hoffmann. Da die Werte für die Ober- und Untergrenze aber weit auseinanderliegen, sei das Ergebnis dennoch aussagekräftig. Denn wenn der Wert an einem Tag bei 300 liege, werde er an einem anderen Tag – ohne Booster-Impfung – nicht plötzlich bei 1200 liegen.

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Die Schnelltest-Diagnostik ist noch sehr neu, die Skepsis bei Medizinern dementsprechend noch vorhanden. Zumal die Bestimmung der T-Zellen – das sind spezielle weiße Blutkörperchen, die zusammen mit den Antikörpern Aufgaben der Immunabwehr übernehmen – mit dem Schnelltest nicht berücksichtigt wird. Trotzdem ist Hoffmann optimistisch: „In einem halben Jahr werden viele Ärzte darauf zurückgreifen.“