Hagen-Mitte. Unter simuliertem Fliegeralarm sollte man sich im Bunkermuseum in die Situation der Ukrainer hineinversetzen können. Die Kritik ist deutlich.
Geschmacklos oder sinnhaft? Eine Veranstaltung im Hagener Bunkermuseum an der Bergstraße am vergangenen Sonntag sorgt für gehörigen Wirbel. Bunkermuseums-Betreiberin Michaela Beiderbeck wollte Besuchern nach eigener Aussage mit einer Veranstaltung ein Gefühl „für die schreckliche Situation der Menschen in der Ukraine“ vermitteln. Besucher, so hieß es in der Einladung, könnten sich unter simuliertem Fliegeralarm in die Situation der Ukrainer hineinversetzen und „für das Ende dieses unsäglichen Krieges“ spenden. Die Aktion erfuhr reichlich Gegenwind. Und ist nun gestrichen.
Entsetzen über Rückmeldung der Stadt
In einer Pressemitteilung am Montag teilte Michael Beiderbeck ihre Enttäuschung mit. „Leider hat Kirsten Fischer vom Hagen-Marketing uns angerufen und eindringlich gemahnt, dass wir keine weiteren Spendenaktionen machen sollten, weil die Stadt Hagen das kritisch sieht und es nicht wünscht“, erklärt Beiderbeck darin. Sie sei entsetzt über diese Rückmeldung der Stadt und so müssten alle geplanten Spendenaktionen an den kommenden Sonntagen leider ausfallen. Auf Nachfrage erklärt Beiderbeck, dass ihr vermittelt worden sei, dass es sich um „Kriegsverherrlichung“ handele und dass man darauf bestehen würde, dass das nicht wiederholt werde.
Hagen-Agentur erklärt: „Wenig feinfühlig“
Kirsten Fischer von der Hagen-Agentur erinnert sich anders an das Gespräch. „Ich habe ein Beratungsgespräch mit Frau Beiderbeck geführt“, sagt sie. Die Intention, Spenden zu sammeln, sei ja richtig. Aber der Anlass sei mit Blick auf die Geschehnisse in der Ukraine „wenig feinfühlig“.
Die Hagen-Agentur betreibe Werbung für das Bunkermuseum. Als „Standort-Verkäuferin“, die Fischer in ihrer Eigenschaft als Tourismus- und Marketingexpertin nun mal sei, finde sie, dass das Format nicht das richtige sei.
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Zweck darf nicht Mittel heiligen
Zu den Kritikern im Netz und in der Öffentlichkeit gehört auch Thomas Walter, Vorsitzender des Kulturausschusses und Geschichtslehrer. „Wobei ich sagen möchte, dass ich hier meine Meinung als Privatperson vertrete. Das Schicksal der Ukrainer darf hier nicht für solche Veranstaltungen benutzt werden. Das ist geschmacklos. Es ist wichtig zu spenden. Aber der gute Zweck darf nicht die Mittel heiligen.“
„Reenactment“, also die Nachstellung historischer Ereignisse, sei ein zweischneidiges Schwert. „So etwas muss historisch eingeordnet werden. Und das findet in diesem Museum nicht statt. Der Event-Ansatz ist der falsche. Geschichte ist kein Abenteuerspielplatz.“
Ein Ort des Nachempfindens
„Wir sind ein Mahnmal“, entgegnet Michaela Beiderbeck. „Unser Ziel ist es, wachzurütteln. Ich komme ja aus der Psychologie und weiß: Was Eindruck hinterlässt, ist, was der Mensch spürt. Deswegen kommen zum Beispiel auch so viele Schulklassen in den Bunker. Das soll kein Ort sein, an dem viele Schilder aufgehängt sind, sondern an dem man etwas nachempfinden kann.“
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Zur umstrittenen Veranstaltung am Sonntag seien in nur drei Stunden 100 Besucher gekommen, die dankbar gewesen seien. „Ich verstehe die Kritik auch nicht. Hagens Historiker Ralf Blank war schon 2013 dafür, Fliegeralarme zu simulieren und erlebbar zu machen.“
Kritikpunkt: Es fehlt der Kontext
Der Chef-Historiker der Stadt sagt dazu auf Anfrage nur kurz und knapp: „Ich als Historiker habe eine andere Intention, solche Themen in Museen zu zeigen.“ Hier fehle der Kontext. Und: „Krieg kann man nicht spielen. Das Gesicht des Krieges ist der Tod.“
Das private Bunkermuseum versteht sich als Mahnmal gegen den Krieg, an dessen Wand in großen Lettern „Nie wieder Krieg“ prangt. Entsprechend, so Michaela Beiderbeck, werde sich das Museum auch weiterhin gegen den Krieg in der Ukraine einsetzen und nach anderen Möglichkeiten suchen, der Ukraine humanitär zu helfen.