An vielen Ecken in Hagen sind Bunkeranlagen noch Teil des Stadtbildes. Prominentestes Exemplar ist der Bau in der Bergstraße.

Nachdem britische Flieger im Mai 1940 den ersten Luftangriff auf Hagen verübt hatten, wurde im darauffolgenden Winter der Bau des Bunkers in der Bergstraße begonnen und 1942 fertiggestellt. Der Betonkoloss mit seinen 132 Räumen sollte bei Fliegeralarm 1200 Menschen Schutz bieten, tatsächlich jedoch suchten bis 3000 Menschen gleichzeitig Zuflucht. Aus gutem Grund, waren doch vor allem Tiefangriffe alliierter Begleitschutzjäger und Jagdbomber in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs eine fast alltägliche Begleiterscheinung. Am 15. März 1945 wurde die Innenstadt bei einem besonders schweren Angriff vollständig zerstört. Eine Sprengbombe durchschlug eine Wand des Hochbunkers in der Körnerstraße, mindestens 260 Menschen fanden dadurch den Tod.

Vergangenheit: Vier Toiletten für 3000 Menschen

Der Bunker in der Bergstraße blieb unversehrt, doch auch wenn er den Hagenern für die Zeit der Angriffe einen sicheren Aufenthalt bot, so machte sich auch hier der Schrecken des Krieges breit. Vier Toiletten mussten für bis zu 3000 Leute ausreichen, die Hygieneprobleme waren hinter den meterdicken Wänden aus Beton nicht in den Griff zu kriegen. Schnell machten sich Epidemien breit, die Menschen litten an Typhus und Krätze oder sie hatten Läuse. In Räumen, die für sechs Personen ausgelegt waren, drängten sich über Stunden mehr als 20.

Die Sommerserie „Wir schreiben Stadtgeschichte“

Die Stadt Hagen und unsere Zeitung feiern in diesem Jahr zwei besondere Jubiläen. Hagen wird 275 Jahre alt, während unsere Zeitung 75-jähriges Jubiläum feiert.

Die Sommerserie „Wir schreiben Stadtgeschichte“ beleuchtet in über 40 Folgen Meilensteine der Entwicklung der Stadt Hagen in den vergangenen 275 Jahren und schafft eine Einordnung zur Vergangenheit, der Gegenwart und blickt in die Zukunft.

Neben Expertengesprächen ist die Serie vor allem in Zusammenarbeit mit der Stadt Hagen und dem FachdienstWissenschaft, Museen und Archiven der Stadt entstanden.

Mit Lüftungsanlage, Notstromaggregat, Heizung und Trinkwasserbrunnen war über Wochen eine autarke Versorgung möglich. Errichtet wurde der Bunker zunächst von italienischen Baufacharbeitern, später wurden französische Kriegsgefangene eingesetzt.

Gegenwart: Fensterloser Koloss wird Museum

Der Hochbunker in der Bergstraße hat nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine wechselvolle Geschichte erlebt. Erst Notunterkunft für Ausgebombte und Flüchtlinge, dann Hotel, dann Tanzlokal („Jägers gute Stuben“), Geschäftsgalerie und Treffpunkt für Vereine, ist er heute ein weit über Hagen hinaus bekanntes Museum, das die Nutzung des Gebäudes als Luftschutzbunker, aber auch die Zeit des Nationalsozialismus insgesamt dokumentiert.

Wer den Bunker an der Bergstraße besichtigt, wird angesichts des Interieurs sofort in eine andere Zeit katapultiert.
Wer den Bunker an der Bergstraße besichtigt, wird angesichts des Interieurs sofort in eine andere Zeit katapultiert. © WP | Jens Stubbe

Gottfried und Michaela Beiderbeck haben die Immobilie vor neun Jahren für 115.000 Euro erworben und in ein Museum umfunktioniert. „Hätten wir vorher gewusst, wie viel Arbeit damit verbunden ist, dann hätten wir das vielleicht nicht in Angriff genommen“, so Michaela Beiderbeck, die als Psychotherapeutin tätig ist: „In meinem Beruf geht es häufig um geschützte Räume. Ich glaube, diese Analogie zu dem Bunker hat mich von Anfang an fasziniert.“

Viele Räume in dem von bis zu 1,10 Metern dicken Mauern umgebenen Betonkoloss befinden sich im Original-Zustand. Eine interaktive Ausstellung lässt die Besucher das Leben der Schutzsuchenden nachspüren und Ausstellungsstücke zum Anfassen erwecken die Geschichte zum Leben. Auch Führungen mit der Original-Geräuschkulisse, zum Beispiel Luftschutzsirenen, Luftlagemeldungen und Motorengeräusche der Bombergeschwader, vermitteln das damalige Bunkerleben.

Bis heute hat der Bunker keine Fenster. Dafür wurde dem Museum aber 2016 ein Café hinzugefügt, das das Leben in der Stadt Hagen im Stil der Vorkriegs- und Nachkriegsjahre mit vielen alten Postkarten und Utensilien der Zeit widerspiegelt.

Zukunft: Peter Reuter und seine Malerei

Um bereits angestoßene Projekte wie die Rekonstruktion des Hagener Jazzclubs, der in den 60er-Jahren sein Domizil im Bunker hatte, voranzubringen, haben Freunde des Museums einen Förderverein gegründet. Neben der Erweiterung der Ausstellung zum deutschen Luft- und Gasschutz ist geplant, dem in den 60er-Jahren bekannten Maler Peter Reuter, der sich im Jazzclub zuhause fühlte, ein kleines „Denkmal“ zu setzen. Seine Porträts und Zeichnungen sollen im Bunker an sein Schaffen und die friedvolle Zeit des Wirtschaftswunders erinnern.

Um derlei Projekte vorantreiben zu können, sucht das Museum Freunde und Spender, die den Förderverein unterstützen und den Erhalt des Bunkers langfristig möglich machen. Wer von diesem Engagement überzeugt ist, kann für 50 Euro jährlich Mitglied im Förderverein „Nie wieder Krieg“ werden.