Hagen-Mitte. Der Schriftzug „Nie wieder Krieg!“ ziert den Hagener Bunker in der Bergstraße. Dazu gibt es ein Rahmenprogramm zum Kriegsende vor 75 Jahren.
Pünktlich zum Ende des Zweiten Weltkrieges vor 75 Jahren wartet das Hagener Bunker-Museum in der Bergstraße mit einem eindringlichen Appell auf: „Nie wieder Krieg!“ prangt seit einer Woche in rostig gehaltenen Lettern an der Front des Stahlbeton-Kolosses. Die Montage des elf Meter breiten Schriftzuges möchten die Museums-Betreiber Michaela und Gottfried Beiderbeck mit szenischen Darstellungen zum Kriegsende garnieren. Ein Stück gelebte Geschichte, das bei Stadt-Historiker Ralf Blank allerdings auf große Skepsis trifft (siehe Interview).
„Fakten nicht unter den Teppich kehren“
Die Stadtredaktion hat den Historiker Dr. Ralf Blank, Leiter des Fachdienstes Wissenschaft, Museen und Archive der Stadt Hagen, zu der Sonderveranstaltung interviewt:
WP: Die vom Hagener Bunker-Museum angebotene Veranstaltung anlässlich des Endes des Zweiten Weltkriegs trägt den Titel „Stunde Null – Ende und Neuanfang“. Hat es diese Zäsur tatsächlich gegeben?
Ralf Blank: In der Geschichtswissenschaft herrscht Konsens, dass es mit der Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai 1945 eben keine „Stunde Null“ und ein „Ende und Neuanfang“ gab. Vielmehr überlebten die in der NS-Zeit entstandenen Strukturen, Ideologien und Akteure das Kriegsende. Die Alliierten mussten teilweise auf sie zurückgreifen, um überhaupt ihre Besatzungsaufgaben zu erfüllen. Eine „Stunde Null – Ende und Neuanfang“ impliziert vielmehr, dass mit der Kapitulation und dem Kriegsende alle Nationalsozialisten, ihre Ideologie und Strukturen förmlich über Nacht verschwunden waren. Eine solche Vorstellung führte in der Entnazifizierung und Verfolgung von Kriegsverbrechen dazu, dass der Wunsch nach einem „Schlussstrich“ aufkam. Wenn man es ganz eng sieht, handelt es sich um ein revisionistisches Geschichtsbild.
Trotzdem ist es doch legitim, mit szenischen Darstellungen an das Ende des Krieges zu erinnern, oder?
Blank: Leider wird ein Historiker bei derartigen Aktivitäten schnell als Spaßbremse bezeichnet. Das enttäuscht viele Menschen und macht manchmal auch wütend. Das Kriegsende und die Eroberung von Hagen im April 1945 sind ein ernstes Thema. Nach neuesten Erkenntnissen wurden während der Eroberung der Stadt durch US-amerikanische Truppen von zwei Infanterie- und einer Panzer-Division zwischen dem 13. und 17. April 1945 fast 200 Menschen getötet. Zum Großteil Zivilisten, die beim Artilleriebeschuss den Tod fanden oder aber bei den Kämpfen zwischen die Fronten gerieten. Wie viele Wehrmachtssoldaten den Tod fanden, ist nur teilweise bekannt, die US-Truppen hatten bis zu 50 getötete Soldaten zu beklagen.
Sind denn solche Darstellungsformen in Ihren Augen nicht eine zeitgemäße Form, um das Interesse für Geschichte lebendig zu halten?
Blank: „Living History“ bzw. Reenactment kann eine gute Möglichkeit sein, vor allem jungen Menschen historische Ereignisse nahezubringen. Das sollte jedoch immer auch eine historische Grundlage haben, vor allem aber historische Ereignisse in ihrem Zusammenhang und mit allen ihren Konsequenzen und Auswirkungen darstellen. Hierzu bedarf es besonders bei zeitgeschichtlichen Themen pädagogisches und didaktisches Geschick. Hinzu kommen auch relevante, lokal und historisch individuelle historische Fakten, die man nicht einfach unter den Teppich kehren und in einer Art Gleichmacherei nivellieren sollte. Ich habe Verständnis dafür, dass Anbieter auch kommerzielle Interessen haben, aber allein mit einem plakativen „Nie wieder Krieg“ ist es nicht getan. Es gibt auch nach 75 Jahren eine Verantwortung, des Endes der NS-Herrschaft und des bislang schlimmsten Krieg seit Menschengedenken sowie seiner unzähligen Opfer seriös und vor allem wahrhaftig zu gedenken. Das Stadtarchiv und Stadtmuseum haben in der Vergangenheit immer wieder Unterstützung geleistet und angeboten. Wieso nicht darauf zurückgegriffen wird, verstehe ich nicht.
Immer wieder hatte das Ehepaar Beiderbeck sich bei Führungen durch den Hochbunker von interessierten Gästen der Frage stellen müssen, wozu denn eigentlich der Stahlrahmen über dem Mittel-Eingangstor diene? Einst war an der Trägerkonstruktion der Name „Hotel Stadt Hagen“ befestigt, denn in dem fensterlosen Bau standen bis in die 60er-Jahre etwa 100 Gästezimmer zur Verfügung.
Direkt nach Kriegsende in Hagen im April 1945 wurde der „Luxus-Bunker“, der stets über Heizung, Trinkwasserbrunnen und Notstromaggregate verfügte, weitergenutzt. Zunächst bot der Bau ausgebombten Hagenern Obdach und schaffte den notwendigen Raum für erste Ladenlokale. Nachdem die Menschen über Wohnraumumverteilungsprogramme andere Bleiben gefunden hatten, etablierte sich an der Stelle über Jahre ein florierender Hotelbetrieb. Dazu gehörte der Gastronomie-Betrieb „Jägers gute Stube“ mit seinem Gartenlokal vor der Hotelpforte.
Mit Denkmalschutz abgestimmt
„Da der historische Hotel-Schriftzug inzwischen spurlos verschwunden ist, haben wir uns in Abstimmung mit den städtischen Denkmalschützern für das Zitat von dem berühmten Käthe-Kollwitz-Plakat entschieden“, erläutert Michaela Beiderbeck den Entscheidungsgang. „Die Notwendigkeit, durch den Schriftzug der Springerstiefel-Fraktion die Stirn zu bieten, hat sich für uns nie ergeben. Wir wollten an der Stelle auch keine Werbung, sondern lieber eine klare Botschaft transportieren.“
Wurzeln des Zitats führen ins Jahr 1924
Das historische Plakat „Nie wieder Krieg“ entstand im Auftrag der Sozialistischen Arbeiter-Jugend anlässlich des Jugendtages 1924 in Leipzig. Dort wurde es zehn Jahre nach der Kriegserklärung Deutschlands an Frankreich bei einer Kundgebung verwendet.
Bei dieser sollte nicht nur an die Erlebnisse der blutigen Kriegsjahre erinnert, sondern auch die Stimme erhoben werden zur Verhinderung weiterer Kriege. Es war eines der weltweit bekanntesten und eindrucksvollsten Plakate der Künstlerin Käthe Kollwitz. Ein Jugendlicher, der seine linke Hand aufs Herz, die rechte zum Schwur erhoben hat, ruft laut nur die drei fett unterstrichenen Worte: Nie wieder Krieg.
Die Friedensbotschaft soll auch im Mittelpunkt der nächsten Sonderveranstaltung des Bunker-Museum stehen, die sowohl am letzten Januar-Wochenende als auch in etwas umfangreicherer Form im Mai diesen Jahres angeboten wird. Eine aus dem Köln/Bonner Raum stammende Schauspielgruppe um Historiker, Pädagogen und wissenschaftliche Mitarbeiter („Living History“) wird in Kostümen der US-Truppen rund um den Bunker authentisch Szenen aus der Besatzungszeit nachstellen. Die Registrierung deutscher Zivilisten durch amerikanische Soldaten wird dort ebenso nachgestellt wie ein Airforce-Hauptquartier. Dazu wird original Muckefuck-Kaffee aus einer Notküche serviert.