Menden. Die Stadt könnte auf Erschließungskosten sitzen bleiben. Für Familie Kempfer könnte das nach Jahren des Kampfes doch ein Happy-End bedeuten.
Straßenausbaubeiträge sind vielen Grundstückseigentümern ein großer Dorn im Auge. Eine Änderung des Baugesetzbuches führt nun in Menden dazu, dass die Stadt auf den Abrechnungen für neun Straßen sitzen bleiben könnte – womöglich zur Freude der betreffenden Grundstückseigentümer. Das steckt dahinter.
Keine Rechnungen nach Jahren
Es ist zwar nur eine Randnotiz im Bauausschuss, doch was Sven Christiansen aus der Bauverwaltung vorstellt, dürfte zumindest bei einigen Mendenern auf Wohlwollen stoßen. Durch eine Änderung des Baugesetzbuches, die am 1. Juni dieses Jahres in Kraft trat, könnten Grundstückseigentümer entlang neun Straßen im Stadtgebiet um einen Erschließungsbescheid herumkommen.
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Das könnte auch für Mendens wohl berühmtesten Fall gelten: die Gertrud-Bäumer-Straße. Allerdings, so betont Sven Christiansen, wolle man hier keine Hoffnungen wecken, die sich später wieder zerstreuen könnten. Die Lage werde derzeit vom Städte- und Gemeindebund genau geprüft, wie es heißt.
In jedem Fall „wird die Änderung Auswirkungen auf die Arbeit des Ausschusses haben“. Das Problem, vor dem die Kommunen nun stehen: Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts dürfen Kosten für die erstmalige Erschließung nicht zeitlich unbegrenzt erhoben werden.
Heißt: Ist die Straße in den 1960er-Jahren erschlossen worden, darf die Rechnung dafür nicht erst Jahrzehnte später im Briefkasten landen. Generell galt der Grundsatz: Die Beitragspflicht besteht dann, wenn die endgültige Erschließung stattgefunden hat.
Dabei gibt es erkennbare und nicht-erkennbare Merkmale. Darunter zählen etwa Beleuchtungs- oder Entwässerungsanlagen, Gehwege, eine Fahrbahndecke oder Grünanlagen; allerdings ebenso die Widmung und der Bebauungsplan (nicht erkennbar). „Für uns war das bisher aber nie ein Problem“, erklärt Sven Christiansen. In der Hönnestadt habe man alle erkennbaren und nicht-erkennbaren Merkmale rechtssicher erfüllt, ehe die Abrechnung gestellt wurde.
Happy-End für Mendener Familie?
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Seit dem 1. Juni gibt es nun im Baugesetzbuch-NRW eine – zumindest zeitlich – klare Regelung: „Die Festsetzung der Beitragspflicht für solche Erschließungsanlagen ist ausgeschlossen, wenn seit dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung mindestens 25 Jahre vergangen sind.“
Das gilt weiterhin
Ein „Aber“ bleibt für Grundstückeigentümer trotz der Änderung: Beiträge für die Erweiterung, Erneuerung und Verbesserung können nach dem Kommunalabgabengesetz (KAG) auch weiter erhoben werden.Straßenerneuerungen und Erweiterungen, die nach 2018 begonnen wurden, werden vom Land rückwirkend zu 100 Prozent übernommen.
Heißt im Klartext: Der erste Spatenstich ist nun entscheidend. Danach tickt die Uhr, sofern die Strecke mit einem Pkw befahrbar ist. Und genau hier liegt das Problem für die Stadt. Alle Straßen, die vor 1997 zumindest befahrbar gemacht wurden, gelten per Gesetz nun als erstmalig erschlossen.
In Menden sind insgesamt 150 Straßen allerdings noch nicht erstmalig erschlossen, neun Baumaßnahmen aus der jüngeren Vergangenheit fallen zudem unter die 25-Jahre-Regelung. Dazu zählen: Bischof-Drobe-Straße, Nibelungenstraße, Hombergskamp, Ardresweg, Sägemühle/Mühlenteich und die Gertrud-Bäumer-Straße.
Ob die Stadt dort wirklich auf den Kosten sitzen bleibt und Grundstückseigentümer um eine Beitragspflicht herumkommen, ist allerdings noch offen. Möglich sind auch anteilige Kosten für eine nochmalige Herstellung der Straßen. Diese Beiträge fallen allerdings deutlich niedriger aus als bei einer erstmaligen Erschließung.
Zur Erinnerung: Für einen rund 90 Meter langen Abschnitt der Gertrud-Bäumer-Straße soll Familie Kempfer 70.000 Euro zahlen. Sven Christiansen macht an diesem Beispiel das Dilemma der Stadt nochmals deutlich: „Wir haben hier leider eine Beitragspflicht. Das haben wir uns nicht ausgesucht.“
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Ob die Geschichte von Familie Kempfer nach Jahren doch zu einem Happy End kommt, steht allerdings noch nicht fest. Denn Fälle wie diesen gibt es auch in anderen NRW-Kommunen, und der Städte- und Gemeindebund prüfe derzeit noch die Rechtslage, heißt es.
Für die Stadt bedeutet das Zeitlimit nun eine weitere Herausforderung: Die Bauabteilung will nun prüfen, welche Straßen nach 1997 angelegt wurden und somit kurz vor der 25-Jahres-Grenze liegen.