Menden.. 70 000 Euro muss das Ehepaar Kempfer für den Endausbau ihrer Straße zahlen. Das entschieden die Bau-Politiker in Menden ohne Debatte in 41 Sekunden.

Renate Kempfer hat die Zeit auf der Zuschauertribüne im Ratssaal genau festgehalten: „41 Sekunden.“ So lange brauchten die Politiker im Bauausschuss, um einstimmig zu beschließen, dass sie und ihr Ehemann Wolfgang rund 70 000 Euro als Anliegerbeitrag für den Endausbau der Gertrud-Bäumer-Straße bezahlen müssen. Vor der Abstimmung sagte kein Politiker im Plenum ein Wort zu dem Fall, als der Vorsitzende Peter Schnurbus nach Anmerkungen fragte.

Enorme Summe bewegt Gemüter

Zugleich bewegt die enorme Summe in Menden die Gemüter wie kaum ein anderes Thema – und ließ noch am Morgen ein Fernsehteam bei den Kempfers auflaufen.

Wie es Renate Kempfer jetzt geht? „Ich versuche, nicht daran zu denken“, sagte sie am Abend nach der Sitzung leise. Kurz vorher hatte sie den Ausschussmitgliedern noch eine Anmerkung gemailt.

Ganz sachlich führt sie darin auf, dass die Gesamtkosten für den Erstausbau von 90 Metern Gertrud-Bäumer-Straße vor sechs Jahren noch bei geschätzten 90 000 Euro lagen, dann bei 220 000, jetzt bei 300 000. Dass sie wegen ihres gut 2000 Quadratmeter großen Grundstücks jetzt 69 200 Euro davon zahlen soll. Dass sich die Summe konjunkturbedingt noch um bis zu 20 Prozent erhöhen kann. Für Rückfragen stehe sie gerne zur Verfügung. Reaktionen? „Keine.“

So habe sie das Schweigen der Politiker im Ausschuss fast schon erwartet. „Trotzdem hatte ich den ganzen Tag über Magenschmerzen vor Aufregung.“

Familie will jetzt Baufirmen abfragen

Empört reagierten viele Bürger auf den WP-Bericht: Den ganzen Tag lang habe ihr Telefon nicht mehr stillgestanden, berichtet sie. Nachbarn seien gekommen, um ihr Mut zuzusprechen. Und auf den Kommentarspalten aller WP-Kanäle im Netz herrschte Hochbetrieb.

Tränen kommen Renate Kempfer, als sie erfährt, dass hier sogar angeregt wurde, für sie zu sammeln. „Das würde ich nicht annehmen, auch wenn ich noch nicht weiß, wie wir das Geld aufbringen. Es kann nicht sein, dass Bürger für Bürger spenden, damit die Straßen bezahlt werden.“ Sie habe schon vom nächsten mit großem Grundstück gehört, der jetzt Angst hat. „Und es gibt ja genug Rentner, die würden schon für 10 000 Euro keinen Kredit mehr bekommen.“

Trotz der Unsumme werde sie nicht aufgeben, sagt Renate Kempfer. „Ein bisschen haben wir ja schon darauf gespart.“ Ab Montag wolle sie Baufirmen anrufen, um sie für ihre Straße zu interessieren. „Da werde ich ganz kleine Brötchen backen. Aber vielleicht geht dann ja trotz der Hochkonjunktur wenigstens ein einziges günstigeres Angebot bei der Stadt ein.“

Strittige Fragen am Manöverweg

Die Hilfe, die sie von der Verwaltung öffentlich zugesagt bekommen hat, werde wohl so aussehen, dass sie Raten zahlen dürfe. „Auch das müssen sie ja nicht machen.“

Der Bauausschuss nahm indes einen FDP-Antrag an, wonach betroffene Bürger künftig frühzeitiger über Endausbauten – und in der Bauphase auch über den Stand der Arbeiten – zu informieren sind.

Von einer Anliegerversammlung am Manöverweg, der demnächst hergerichtet wird, berichtete im Ausschuss auf Anfrage der SPD später Stephan Schulte vom Rathaus-Team Straßenbau. Es habe eine Debatte darüber gegeben, ob der Gehweg hier ein- oder beidseitig ausgeführt werden soll, oder ob es eine Mischfläche gibt. Letztlich sei aber auch hier deutlich geworden: „Die Bürger wollen am liebsten gar keinen Ausbau.“