Arnsberg/Sundern. Diese Menschen haben uns – das Team der Redaktion Arnsberg/Sundern – in den vergangenen zwölf Monaten bewegt; aus ganz unterschiedlichen Gründen. Wir möchten sie Ihnen näher vorstellen.
Jemand, der eine geheime Botschaft trägt
„Was bin ich noch wert?“, fragt Eduard Bulaievskiyjs. „Ich bin zu nichts mehr zu gebrauchen!“ Er blickt ins Leere. Noch vor zweieinhalb Jahren waren sie eine glückliche Familie – in Oleschky, Ukraine. Er, seine Frau Lilia, die zwei Kinder und Oma. Heute hat der 40-Jährige alles verloren: Nicht nur seine Heimat und seinen Job, sondern auch sein rechtes Bein.
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Es ist eine besondere Botschaft, die uns Eduard Bulaievskiyj hinterlässt: Nicht, dass man die Sprache erlernen muss, um in einem fremden Land klarzukommen. Nicht, dass man sich beruflich und bestenfalls auch noch ehrenamtlich integrieren muss, um in einer Gesellschaft wie dieser aufgenommen zu werden. Das sind absolut logische Konsequenzen. Eduard zeigt uns völlig unbewusst, warum Menschen wie er, auch junge und starke Männer, aus ihrer Heimat fliehen! Wegen Bomben, die über einem hinwegfliegen und Metallstücken, die einem nicht nur das Bein abreißen, sondern auch das Herz und die Seele zersplittern.
(Thora Meißner)
Seltener Krebs: Familie sammelt Geld für eine Therapie
Dustin Aßhoff leidet an einer seltenen Krebserkrankung. Nur eine Therapie, die in Deutschland nicht zugelassen ist, scheint für den 24-Jährigen eine Heilungsoption zu sein. Doch die Kosten will seine Krankenkasse nicht übernehmen. Die Familie kämpft und ruft zu einer groß angelegten Spendenaktion auf. Rund 70.000 Euro kommen am Ende dabei herum, als die Krankenkasse einlenkt.
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Nach öffentlichem Aufschrei will die Technikerkasse dann zahlen: „Herr Aßhoff und sein behandelnder Arzt haben uns in einem Widerspruch ausführlich dargelegt, dass die vom Gutachter des medizinischen Dienstes aufgezeigten vertraglichen Behandlungsalternativen nicht möglich sind. Diese Argumente können wir gut nachvollziehen. Deshalb unterstützen wir die Therapie von Herrn Aßhoff mit dem Medikament Atezolizumab für die beantragte Dauer von sechs Monaten“, antwortet uns ein Sprecher. Das gesammelte Geld überweist die Familie an die Deutsche Krebshilfe (10.000 Euro), an den Hospizverein (10.000 Euro) und die Sarkomstiftung (50.000 Euro).
(Anja Jungvogel)
Taffe Frau mit Köpfchen und Krone
Es sind diese Geschichten, die das Leben schreibt. Eigentlich wollte die 22-jährige Felizitas „Feli“ Naumann einfach nur zu Hause für ihr Architekturstudium lernen. Doch ihr Freund Jonas Kampmann hatte am selben Tag den Plan, Schützenkönig in Sundern zu werden. In der Tat traf Jonas auf der Vogelwiese ins Schwarze, und „Feli“ musste ganz spontan Zirkel, Taschenrechner und Bleistift liegen lassen und in Begleitung einer Freundin zur Schützenhalle düsen. „Es war ja nichts vorbereitet. Ich hatte kein Kleid ausgesucht, weil ich damit ja nie im Leben gerechnet habe“, sagt die Sauerländerin im Gespräch mit unserer Redaktion. Also musste „Feli“ am Nachmittag noch spontan shoppen und sich stylen lassen. Jeans und T-Shirt wurden gegen ein Kleid getauscht.
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Die Sunderner Schützenkönigin eroberte nicht nur die Herzen der Röhrstädter. Auch bei den Leserinnen und Lesern der WP kam die Sauerländerin mit ihrem freundlichen Wesen und ihrem bescheidenen, fast schon schüchternen Auftreten sehr gut an. „Feli“ sammelte zahlreiche Unterstützerinnen und Unterstützer und wurde dann schließlich WP-Königin 2024. „Ich bin absolut überwältigt“, gesteht sie nach dem Sieg in Schmallenberg.
(Eric Claßen)
Mutige Frau mit Ideen und Idealen
Sie hätte es sich leichter machen können. Ihre Eltern haben einen Hotelrestaurantbetrieb von ausgesprochen gutem Ruf aufgebaut, den sie hätte weiterführen können. Friederike Menge aber will ihren eigenen Weg gehen, ihre Ideen, Ideale und Visionen verwirklichen. In einer Branche im Wandel und unter Druck gehören dazu Mut und Entschlossenheit. Die 33-Jährige löst sich von der Vergleichbarkeit mit dem tollen Lebenswerk ihrer Eltern, schließt das Restaurant und eröffnet das Hotel neu als „weila“. Dahinter verbirgt sich mehr als nur ein neuer Name.
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Sie macht „ihr Ding“ - und das mit Unterstützung ihrer Eltern. Sie baut um und hat einen Plan von Modernität, Lebensart, Miteinander und Wohlfühlen. Auch ein Plan für einen Anbau an das Hotel liegt umsetzungsbereit in der Schublade, wartet aber noch auf eine Finanzierung. Friederike Menge lebt ihren Traum und glaubt an ihre Idee, sieht diese gut eingebettet in ein sich weiter entwickelndes Arnsberger Tourismuskonzept und verfolgt diese konsequent. Respekt vor dieser Unternehmerin - das Sauerland braucht mehr davon.
(Martin Haselhorst)
Mutmacherin nach einer Biografie des Leidens
Ein Leben als Stotterkind wird schnell zum Martyrium. Eine junge Frau weiß das, eine junge Frau hat das erlebt, eine junge Frau spricht darüber. Sie erzählt von einer Biografie des Leidens mit einer Geschichte von erlebter Ausgrenzung, Zurückweisungen und Verzweiflung über das eigene Handicap. Und auch für diese mutige Offenheit erlebt Kathrin Pingel aus Neheim negative Konsequenzen. Die Geschichte nimmt aber in 2025 eine positive Wende: Die 22-jährige beendet über Umwege ihre Ausbildung und arbeitet nun als Erzieherin im Offenen Ganztag der Grundschule Oeventrop.
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Nichts besonderes? Doch, das ist es. Kaum jemand, der nicht tiefer in die Psychologie eines „Stotterkindes“ schauen kann, wird nachvollziehen können, welche Kraftakte auf dem Weg zu einer Ausbildung zu stemmen sind. Natürlich ist immer alles möglich, es bedarf aber ein Vielfaches an Anstrengung, weil sich bei stotternden Menschen die Hürden der Sprache schrecklich unberechenbar in den Weg stellen. Mit Unterstützung von Logopädin und Therapeutin Christiane Hoffschildt aus Oeventrop geht die junge Arnsbergerin nun trotzdem ihren Weg. Ihr Stottern wird nie ganz gehen und auch Rückschläge kann es geben. Glaubt sie aber an sich selbst, zeigt sie ihre Kompetenzen und gewinnt Sicherheit und Stärke. Kathrin Pingel begegnete uns als Mutmacherin für viele andere Betroffene.
(Martin Haselhorst)
Junges Unternehmerpaar mit Sachverstand und Charisma
Christoph Willeke und Katrin Schütz gehören zu den jungen Sauerländer Unternehmern, die unsere Heimat auszeichnen: bodenständig, unaufgeregt - und sehr erfolgreich. Das Geheimnis ihres Erfolgs? Es sind Wagyus; und es werden immer mehr: 105 Tiere zählt die stattliche Herde aktuell, die Zahl hat sich in den vergangenen vier Jahren mehr als verdoppelt. Das Paar führt das Unternehmen „Wagyu Sauerland“ - hat sich in wenigen Jahren eine Spitzenposition in der deutschen Züchter-Szene erarbeitet. Jüngster Beweis: Platz eins beim „Deutschen Wagyu Fleisch Contest“ 2024.
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Christoph Willeke und sein Team (Katrin - sowie inzwischen zwei Angestellte) haben in den vergangenen Jahren schon mehrere Auszeichnungen erhalten, und sind trotz ihres riesigen Erfolges immer bescheiden geblieben. Das schätzen mittlerweile Abnehmer aus ganz Deutschland - und weit darüber hinaus: Ihre große Auswahl an Premium-Steaks versenden Katrin und Christoph über ihren Online-Shop europaweit - per Express-Versand. Ich habe diese Wennigloher Erfolgsgeschichte seit ihren Anfängen begleitet und sage heute: „Chapeau!“. Übrigens eine Erfolgsgeschichte, an der schon bald weitere heimische Landwirte mitschreiben könnten: Mittelfristig planen die Wagyu-Experten einen „Franchise-Ansatz“.
(Torsten Koch)
Er rettet auf dem Sportplatz ein Leben
Daniel Berlinski ist 38 Jahre jung und im Fußball nicht nur in Arnsberg und Sundern, sondern weit über den Hochsauerlandkreis hinaus bekannt. Zum einen, weil er als Profitrainer beim SV Lippstadt 08, beim Chemnitzer FC und bei RW Ahlen aktiv war. Aktuell wartet Berlinski auf das nächste passende Angebot. Er durchlebt also eine Phase, die in seiner schnelllebigen Branche nicht unüblich ist. Das – trug mit dazu bei, dass Dunia Kineke, Fußballer des FC Fleckenberg/Grafschaft, ein A-Kreisliga-Spiel überlebte.
Denn Berlinski ist zum anderen deswegen bekannt (oder noch bekannter geworden), weil er während seiner Wartezeit auf den nächsten Trainerjob bei seinem Heimatverein VfB Marsberg aktiv Fußball spielt und in einer lebensbedrohlichen Situation während des Aufeinandertreffens mit dem FC Fleckenberg/Grafschaft schnell und vorbildlich reagierte.
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Es war ein Vorfall, der am Sonntagabend, 10. November, nicht nur das gesamte Fußball-Sauerland erschütterte, sondern auch tags darauf nachhallte. In dem A-Liga-Spiel waren FC-Spieler Dunia Kineke und Gegenspieler Veit Giersch bei einem Luftduell mit den Köpfen zusammengerasselt. Beide blieben auf dem Boden liegen – danach spielten sich dramatische Szenen ab.
Kineke hatte seinen Mund verschlossen und die Zunge verschluckt – Marsbergs Spieler Daniel Berlinski (38) griff jedoch geistesgegenwärtig ein und rettete Kineke damit das Leben. „Auf dem Platz hab‘ ich eigentlich schon alles gesehen, auch beispielsweise Achillessehnenrisse oder andere schwere Verletzungen. Aber so etwas habe ich noch nie erlebt und hatte auch gehofft, dass so etwas nie passiert. In diesem Moment funktionierst du einfach nur. Du reagierst intuitiv“, sagte „Berle“ später.
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So schilderte er die Szene aus seiner Sicht: „Er ist auf den Boden gefallen, sein Kopf lag in meiner Richtung. Ich war etwa zehn, 15 Meter entfernt und habe gesehen, dass seine Augen verschlossen waren. Und er hat sich nicht bewegt. Ich bin schnell zu ihm gelaufen und habe versucht, seinen Mund zu öffnen. Dunia hat mit einem Reflex seinen Kiefer zusammengedrückt und unbewusst immer dagegen gearbeitet. Ich habe dann irgendwie drei Finger in den Mund bekommen und mit einem seine Zunge festgehalten. Ich wollte einfach nur, dass seine Atemwege frei sind.“ Berlinskis schnelles Eingreifen war erfolgreich und kann gar nicht genug gewürdigt werden. Ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit und Unversehrtheit rettete der Sauerländer ein Menschenleben – und sah dies anschließend als Selbstverständlichkeit an. Das sollte es zwar sein, ist es aber oft nicht. Deshalb ist Daniel Berlinski ein Mensch des Jahres 2024.
(Falk Blesken)