Neheim. Krankenkassen-Drama: Erst keine Kostenübernahme für Krebstherapie, dann Kehrtwende. Nun gehen die erhaltenen Spenden an Stiftungen und Hospiz.
Das Jahr 2024 wird für Dustin Aßhoff aus Neheim zu einem Wechselbad der Gefühle: Es beginnt für ihn hoffnungsfroh und voller Pläne. So wie es sich für einen jungen Mann, Anfang 20, eigentlich auch gehört. Doch im April erhält der 24-Jährige die Schockdiagnose Krebs. Eine sehr seltene Form, ein sogenanntes Weichteilsarkom. Es kann entfernt werden. Die Heilungschancen stehen gut. „Zum Glück!“ Dann die nächste Talfahrt: Der Tumor hat in die Lunge gestreut. Beide Flügel sind betroffen. „Nun benötige ich für die Lunge dringend eine Immuntherapie, da sich die Metastasen ungehemmt ausbreiten können“, erklärt Dustin.
Doch die Krankenkasse will die vielversprechende Therapie mit dem besonderen Arzneimittel „Atezolizumab“ nicht zahlen. Sie ist nur in Amerika zugelassen - nicht in Europa. Familie Aßhoff startet einen Spendenaufruf. Unsere Zeitung berichtet darüber und eine Welle der Hilfsbereitschaft wird ausgelöst. Ruckzuck kommen in ein paar Tagen rund 70.000 Euro zusammen. „Unglaublich“, freut sich Dustin. Damit hat er nicht gerechnet. „So viele Leute, die ich zum größten Teil nicht kenne, haben Geld für meine Therapie gespendet.“
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Mutter Sabine wollte mit ihrem Mann schon einen Kredit bei der Bank aufnehmen. Die Krankenkasse gerät durch unsere Berichterstattung zunehmend unter Druck. Sogar ein großer, deutscher Fernsehsender fragt an. Fast zeitgleich erreicht Dustin eine E-Mail der Krankenkasse und unsere Zeitung bekommt ein Statement mit dem Wortlaut: „Bezüglich der beantragten Immuntherapie für Herrn Aßhoff gibt es gute Neuigkeiten. Herr Aßhoff und sein behandelnder Arzt haben uns in den vergangenen Tagen in einem Widerspruch ausführlich dargelegt, dass die vom Gutachter des medizinischen Dienstes aufgezeigten vertraglichen Behandlungsalternativen nicht möglich sind. Diese Argumente können wir gut nachvollziehen. Deshalb unterstützen wir die Therapie von Herrn Aßhoff mit dem Medikament Atezolizumab für die beantragte Dauer von sechs Monaten. Eine entsprechende Bewilligung haben wir Herrn Aßhoff umgehend auf dem digitalen Weg zugesandt.“
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Die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Sie wird aber immer besser: „Gestern habe ich meine erste Atezolizumab-Infusion erhalten und sie gut vertragen.“ Alle drei Wochen erhält der Neheimer ab jetzt eine Infusion in der Onkologie des Krankenhauses. Die Therapie erstreckt sich über ein halbes Jahr. „Und dann schauen wir weiter“, sagt Dustin. Er wirkt gelassen und ruhig. Die „Achterbahnfahrt“ der letzten Monate scheint vergessen. Denn die nächste gute Nachricht lässt nicht lange auf sich warten.
„Der Tumor in der Lunge ist nicht weiter gewachsen, muss allerdings überwacht werden“, sagt er. Sabine umarmt ihren Sohn. Die letzten Monate waren für die Familie nicht leicht. „Ich bewundere Dustin, dass er so ruhig und gelassen bleiben kann“, sagt sie. Dustin hat über seinen Onkologen einen anderen Patienten kennengelernt, der seit neun Jahren die gleiche Krankheit hat wie er. „Natürlich ist jeder Krankheitsverlauf individuell zu sehen“, sagt Dustin. Aber der Austausch mit einem anderen Menschen, der die gleiche Therapie macht, gibt ihm Kraft und etwas Halt. Denn die Nebenwirkungen des Präparates sind nicht zu unterschätzen.
„Es kann sein, dass ich nach diesem halben Jahr eine weitere Therapie mit Atezolizumab benötige. Und ich denke, dass es dann mit der Krankenkasse keine Probleme geben wird.“ Aus diesem Grund will die Familie Aßhoff das gespendete Geld nicht behalten. 50.000 Euro sollen an die Sarkom-Stiftung überwiesen werden, 10.000 Euro an die Deutsche Krebshilfe und ebenfalls 10.000 Euro gehen an die Hospiz-Stiftung Arnsberg-Sundern. „Ich danke an dieser Stelle nochmals allen Spendern für ihr Mitgefühl und ihre Hilfe. Auch das gibt mir Hoffnung für die Zukunft.“