Sundern. Die Gaststätte ist lange Zeit der Treffpunkt für viele Menschen aus Sundern-Hagen gewesen. Nun verabschieden sich die Inhaber in den Ruhestand.
Wer die Gaststätte Schulte-Mesum im Sunderner Ortsteil Hagen betritt, fühlt sich zurückversetzt in die 1970er und 1980er Jahre. Gemütliche Sitzecken aus alten, stabilen Holzmöbeln laden zum Verweilen ein. An den Wänden hängen Fotos der Vereine und Stammtische, im Regal stehen Pokale längst vergessener Kegelturniere und vor der großen Theke sind die hohen Barhocker ordentlich aufgereiht. An der Zapfanlage steht Klaus Schulte-Mesum. Gerade zapft er zwei frische Pils.
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Nur noch wenige Wochen und man wird diese Situation in der Gaststätte nicht mehr in dieser Form erleben können. „Wir schließen am 30. September unsere Kneipe für immer“, sagt der Gastwirt. Ihm fällt es sichtlich schwer, diese Worte auszusprechen. Seit mehr als 55 Jahren führt er gemeinsam mit seiner Frau Christel die Traditionsgaststätte mitten im Ort. „Ich bin jetzt 82 Jahre alt und es macht einfach keinen Sinn mehr, die Kneipe weiterzubetreiben“, sagt Klaus Schulte-Mesum.
Schon während der Corona-Pandemie, als bundesweit Gastronomien monatelang schließen mussten, hatte es im Ort Spekulationen gegeben, dass die Gaststätte, die vielen besser bekannt ist als „Kempes“, gar nicht mehr öffnen würden. „Wir wollten aber dieses Kapitel nicht einfach so beenden“, erklärt der Gastwirt. Treibende Kraft, dass es nach Corona noch einige Zeit weiterging, war seine Frau Christel. Jahrzehntelang hatte die 75-Jährige in der Küche gewirbelt und das Essen für die Gäste zubereitet.
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„Wir hatten nie Mittagstisch, bei uns gab es immer abends Suppen, Schweinelendchen, Schnitzel, Salate und Schnittchen“, berichtet Christel Schulte-Mesum. „Ich habe mir das alles selbst angeeignet und im Laufe der Zeit weiter verfeinert.“ Zeitweise übernahmen die Schulte-Mesums auch das Catering für größere Feste wie Hochzeiten in der Hagener Schützenhalle. Gleichzeitig zog auch die Nachfrage in der Gaststätte an. „In den 1980er haben wir unsere Räumlichkeiten vergrößert. Neben einer Kegelbahn wurde noch ein Gesellschaftszimmer für bis zu 60 feierfreudigen Gästen gebaut.“ In Hagen gab es lange Zeit wohl kaum einen größeren Geburtstag, eine Hochzeit oder eine Kommunion, die nicht im „Kempes“ gefeiert wurde. Christel Schulte-Mesum wird wehmütig, wenn sie an die alten Zeiten denkt, eine Träne kullert ihr über die Wange.
Doch woher stammt der Name Kempes überhaupt? Klaus Schulte-Mesum klärt auf: „Hier hat ganz, ganz früher eine Familie Kemper gelebt und die Landwirtschaft sowie eine kleine dazugehörige Schankwirtschaft betrieben. Umgangssprachlich wurde daraus dann das Kempes.“ Bis in die heutige Zeit hinein kennen viele Hagener und auch Gäste aus den umliegenden Ortschaften die Gaststätte nur unter dieser Bezeichnung.
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Erstmals urkundlich erwähnt wurde die Schankwirtschaft Mitte des 19. Jahrhundert! Damals mussten sich die Wirte noch regelmäßig Konzessionen für den Betrieb von der preußischen Regierung einholen. „Allerdings lag der Schwerpunkt zu diesen Zeiten noch auf der Landwirtschaft. Der Ausschank lief so mehr oder weniger nebenher“, sagt Schulte-Mesum. Später, in den 1930er Jahren, reisten die Gäste zum Teil noch mit der Kutsche an. „Wir hatten dafür Fremdpferdeställe auf dem Gelände.“ Erst in den 1950er und 1960er Jahren verlor der landwirtschaftliche Betrieb an Bedeutung und die Gaststätte wurde zur Haupterwerbsquelle. „Ich habe in jungen Jahren angefangen, im elterlichen Betrieb zu helfen. Damals kostete das Bier noch 30 Pfennig und es wurde ausschließlich in Flaschen an die Kundinnen und Kunden ausgegeben.“
Erst Anfang der 1960er Jahre fand die Umstellung auf gezapftes Bier statt. „Wir mussten dann erstmals eine Zapfanlage installieren lassen und die Theke umbauen“, so Klaus Schulte-Mesum. Ein Kühlkeller wurde angelegt, die Firma Veltins lieferte die Fässer an. In der Hochphase waren mehrere Kegelclubs und über 20 Stammtische in der Gaststätte Schulte-Mesum zu Hause. „Wir haben zwei Stammtische - ‚Die Löcher‘ und ‚Wilde Sau‘, die sich seit 50 Jahren jeden Sonntag bei uns getroffen haben“, berichtet Christel Schulte-Mesum. Manch wilde Anekdote gibt es aus der Zeit zu berichten. So hatte einst ein Gast gewettet, dass seine Hühner auf der Theke sitzen bleiben würden. „Und tatsächlich, die beiden Hühner blieben sitzen, während hier der Raum voll war und hinter der Theke gezapft wurde“, sagt die 75-Jährige.
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In den letzten Jahren sei das Interesse bei den Gästen weniger geworden. „Früher gingen die Menschen sonntags in die Kirche und nach dem Hochamt ging es zum Frühschoppen in die Kneipe. Das machen die jungen Menschen heutzutage gar nicht mehr“, betont Klaus Schulte-Mesum. Da sich Sohn Simon gegen die Fortführung des elterlichen Betriebs entschied und auch Tochter Angela keine Ambitionen in der Gastronomie hatte, wagten die Schulte-Mesums keine Investitionen in die Gastwirtschaft. Kegelbahn und Gesellschaftszimmer verwandelten sich in Privaträume für die Familie, die Öffnungszeiten wurden eingeschränkt. „Unter der Woche hatten wir nur noch an zwei Tagen geöffnet, am Wochenende sank auch das Interesse. Zuletzt, so ehrlich bin ich, war das hier im Grunde ein Zuschussgeschäft und ein wenig Liebhaberei“, berichtet der Gastwirt. Viel habe man auch den Stammkunden zuliebe noch gemacht. „Ich müsste viel höhere Preise für das Bier nehmen, damit es sich rechnet.“
Nun heißt es Abschied nehmen. „Für mich ist es der Zweite. Beim ersten Mal habe ich die Landwirtschaft drangegeben und mich auf die Gastwirtschaft konzentriert, und nun ist auch das Kapitel beendet.“ Dieser Schritt falle ihm schwer, sei aber auch nur die logische Konsequenz. Am letzten Tag, dem 30. September soll es keine große Abschiedsparty mit Brimborium gegeben. Es gelte eher darum, zusammen mit Freunden und Bekannten in geselliger Runde über die alten Zeiten zu sprechen und ein Bier zu trinken. Schließlich muss dann noch das letzte Fass geleert werden. Zum Schluss bedanken sich Christel und Klaus Schulte-Mesum bei all ihren Gästen und Stammtischen für die langjährige Treue.