Neheim. Lebenskünstler Michael Klammt provoziert in der Neheimer Innenstadt mit seinen Ansichten über Freiheit und über die Lust am Leben.

Paradiesvogel und Lebenskünstler Michael Klammt (59) aus Iserlohn bezeichnet sich selbst als den „faulsten Deutschen“. Er hat keinen Job und meint, es gäbe Wichtigeres im Leben. Am vergangenen Samstag platzierte er sich mit einem Gummisofa in der Neheimer Innenstadt, um mit Passanten ins Gespräch zu kommen. Er will provozieren, aufklären und polarisieren. Warum?

Michael Klammt: Ich war schon immer anders als die anderen. Nach der Schule wollten alle studieren, eine Ausbildung machen, heiraten und eine Familie gründen - das ganze Programm. Ich nicht. Ich bin arbeitsscheu! Mein Motto lautet: Das Leben in vollen Zügen genießen. Frei sein, faul sein, sich keinen gesellschaftlichen Zwängen unterwerfen. Lieber in der Sonne baden als in der Arbeit schwimmen.

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Wie kommt man mit dieser Einstellung durchs Leben?

Nach dem Abitur bin ich viel herumgereist, erst einmal dorthin, wo man nicht viel Geld zum Leben braucht. Der Zufall wollte es, dass ich auf einem Kreuzfahrtschiff als Animateur anheuern konnte. Auf dem Schiff brauchte ich kein Geld, zum Beispiel für Wohnungsmiete oder für Essen. So konnte ich meinen Lohn sparen. Nach ein paar Jahren kaufte ich von diesem Geld zwei Eigentumswohnungen, die ich noch immer vermiete. So bin ich finanziell unabhängig.

Lebenskünstler Michael Klammt genießt sein Leben in vollen Zügen. Zum Arbeiten hat er keine Lust.
Lebenskünstler Michael Klammt genießt sein Leben in vollen Zügen. Zum Arbeiten hat er keine Lust. © WP | Anja Jungvogel

Du erhältst also keine finanziellen Zuwendungen vom Staat?

Nicht einen Cent. Ich zahle meinen Beitrag an die Krankenkasse, ungefähr 240 Euro monatlich und komme mit meinen Einkünften klar. Bin nicht arm und auch nicht reich. Wenn ich mal ein bisschen mehr Geld brauche, suche ich mir kurzfristig einen Job. Aber höchstens für fünf oder sechs Wochen im Jahr. Ich verbringe im Jahr nur so viel Zeit mit Arbeit, wie anderen Leuten Urlaub zur Verfügung steht. Auf meinem Rentenbescheid steht, dass ich bis jetzt 146 Euro erwirtschaftet habe. Egal. Ich habe keine Lust, irgendeine Arbeit anzunehmen. Das würde mir auf die Dauer keinen Spaß machen.

Und was machst du den ganzen Tag?

Ich wohne in meinem Elternhaus in Iserlohn und habe meinen Vater bis zu seinem Tode gepflegt. Das könnte man vielleicht als Arbeit bezeichnen, aber für mich war das eine Selbstverständlichkeit. Wenn die anderen Leute ihre tägliche Arbeit ebenso betrachten und diese gerne machen, ist das ja ok. Wenn sie aber stöhnen und klagen, dass die Arbeit ihnen keinen Spaß macht, dann sollten sie es lassen. Daher verbringe ich viel Zeit damit, in die Öffentlichkeit zu treten und mit Menschen über die Thematik zu reden. Vielleicht könnte man diese Tätigkeit sogar als Arbeit bezeichnen. Ich bekomme nur kein Geld dafür.

Einige Neheimer, wie zum Beispiel Andreas Zerb (li.), finden die Einstellung des „faulsten Deutschen“ super.
Einige Neheimer, wie zum Beispiel Andreas Zerb (li.), finden die Einstellung des „faulsten Deutschen“ super. © Anja Jungvogel | Privat

Hast du kein schlechtes Gewissen mit ewigem Müßiggang?

Nein. Das ist ja das Schöne in unserem Land. Wir sind frei. Das weiß ich sehr zu schätzen. Es gibt auch Länder auf dieser Welt, in denen ich mit meiner Einstellung Probleme hätte. Das ist mir klar. Daher bin ich dankbar, in Deutschland zu leben.

Hagelt es mit dieser Einstellung nicht viel Kritik?

Ich bin kritikfähig, kein Problem. Es ist mein Leben und ich nehme niemandem etwas weg. Es gibt auch einige, die meine Haltung beneiden oder bewundern. So kam ich am Samstag mit vielen Neheimern ins Gespräch. Die Resonanz fiel unterschiedlich aus. Einige wollten ein Selfie mit mir machen, andere schlenderten nur kopfschüttelnd vorbei. Die Kommentare lauteten: Klasse, super Idee, unglaublich. Oder auch: Tasse Kaffee fehlt noch, dauert es noch lange bis zur Rente? Ein paar Leute meinten, dass man gerade in Zeiten wie diesen noch mehr arbeiten müsste und nicht weniger.

Michael Klammt bezeichnet sich selbst als den

„Es ist mein Leben und ich nehme niemandem etwas weg. Es gibt auch einige, die meine Haltung beneiden oder bewundern.“

Michael Klammt

Soll das ewig so weitergehen?

Auf jeden Fall. Im Grunde will ich keinen Handschlag mehr leisten, auch nicht für fünf oder sechs Wochen im Jahr. Ich gehe jetzt komplett in Rente und überlege, ob ich meine Eigentumswohnungen demnächst verkaufen soll. Ich will keine Besitztümer anhäufen und dann sterben. Man kann schließlich nichts mitnehmen. Nächstes Jahr werde ich 60 Jahre alt. Im Alter kommen die körperlichen Beschwerden. Zum Glück konnte ich als junger Mensch alles und zu jeder Zeit unternehmen, was mir Spaß gemacht hat. Viele Leute können das erst, wenn sie in Rente gehen. Und für manche ist es dann zu spät. Ich kann nur jedem raten, darüber mal nachzudenken.

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Claudia Plückhan und Dackel Willi nahmen auf dem Sofa des „faulsten Deutschen“ Platz und fanden ihn sehr sympathisch. © Anja Jungvogel | Privat