Arnsberg. Vor Jahren aus Syrien geflüchtet, lebt Familienvater Taha jetzt als deutscher Staatsbürger in Arnsberg: Wie er das geschafft hat.
Dass es - selbst für einen Deutschen - gar nicht so einfach ist, Deutscher zu werden, hat mein „Selbstversuch“ bewiesen. Doch wie empfindet jemand, für den die Einbürgerung kein „Test“ ist, sondern Realität? Darüber habe ich mit Taha Shiekh Deya gesprochen. Er kam 2015 als Flüchtling aus Syrien nach Deutschland; wurde u.a. vom Patenschaftsprojekt in Arnsberg unterstützt. Heute unterrichtet er als Lehrer für Mathe und Physik an der Agnes-Wenke-Sekundarschule in Neheim. „Ich habe gezielt daran gearbeitet“, sagt er über „seinen Weg zum Deutschen“.
Fünf Jahre habe es insgesamt gedauert, blickt der Wahl-Arnsberger zurück. Obwohl das nach „einer langen Zeit“ klingt, ist das Gegenteil der Fall: Taha hat seine Einbürgerung deutlich schneller bewältigt als die breite Masse der Einbürgerungswilligen: Wer „seit acht Jahren dauerhaft und rechtmäßig in Deutschland lebt“, gibt das (noch) gültige Gesetz (eine Novelle ist auf den Weg gebracht, mehr dazu in der Infobox) als Zeitfenster vor.
Aus acht mach fünf - oder drei Jahre
Der Bundestag hat den Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts im Januar 2024 auf den Weg gebracht. Menschen sollen in Deutschland künftig schneller eingebürgert werden und dabei auch ihren ausländischen Pass behalten. Die gespaltenen Meinungen dazu wurden im Abstimmungsergebnis deutlich: Unter den 639 abgegebenen Stimmen waren 382 Ja-Stimmen, 234 Nein-Stimmen, bei 23 Enthaltungen.
Einbürgerungen werden künftig schon nach fünf statt wie bisher acht Jahren möglich, bei „besonderen Integrationsleistungen“ sogar nach drei Jahren – das können besonders gute Leistungen in Schule oder Beruf oder bürgerschaftliches Engagement sein.
Aber Taha erfüllte bei seiner Ankunft in Deutschland bereits einige wichtige weitere Voraussetzungen, allen voran die Sprache: „Ich hatte während eines Aufenthaltes im Libanon sechs Monate lang Deutsch gelernt - beim Goethe-Institut“, berichtet er, „und wurde nach meiner Ankunft hier häufig als Dolmetscher eingesetzt.“ Das perfekte Szenario, um seine - leicht eingerosteten - Deutschkenntnisse schnell wieder in Schwung zu bringen. „Da hat man mich ins kalte Wasser geworfen“, meint er lächelnd - mit einer Redewendung, die in keinem Sprachkursus auftaucht.
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Ein weiteres „Pfund“ konnte der zweifache Familienvater, der mit seiner Ehefrau und den Kindern in Arnsberg lebt, in Sachen Ausbildung und Beruf einbringen: Als Physiklehrer bot man ihm eine Vertretungsstelle an der Agnes-Wenke-Schule an; nächste Voraussetzung erfüllt, denn: „Sie können aus Ihrem Einkommen Nahrung, Kleidung und eine Unterkunft für sich und Ihre Familie bezahlen. Zum Einkommen zählt z.B. der Lohn aus Ihrer Berufstätigkeit“, schreibt die Gesetzgebung als weitere Hürde vor.
Nächstes Hindernis beim Hürdenlauf: der Einbürgerungstest. Wirklich? „Nein, gar nicht“, legt sich Taha Shiekh Deya fest. Warum kein „Schreckgespenst“? Nun, für die 33 Fragen können Einbürgerungswillige im Vorfeld kräftig büffeln. „Es gibt sogar eine App dazu“, sagt Taha, „und die Möglichkeit, sich das nötige Wissen zunächst in der jeweiligen Muttersprache anzueignen.“ Stichwort Wissen: Bei jeder der 33 Fragen muss aus vier möglichen Antworten die richtige ausgewählt werden; wer mindestens 17 Fragen richtig beantwortet, hat bestanden. Nicht unmöglich, im Gegenteil: „In den vergangenen Jahren waren weit über 90 Prozent der Teilnehmenden erfolgreich“, teilt die Bundesregierung mit (weitere Informationen zum Gesamtfragenkatalog gibt es hier).
Im Laufe des Verfahrens könnten da schon eher die Kosten zum Stolperstein werden. Neben den Gebühren für eine Einbürgerung - 255 Euro für Erwachsene und 51 Euro für jedes minderjährige Kind (wenn dieses zusammen mit den Eltern eingebürgert wird, ansonsten ebenfalls 255 Euro) - schlagen diverse andere Ausgaben zu Buche: Vor allem Übersetzungen von Dokumenten oder Anerkennung von Unterlagen über Berufs- und Studienabschlüsse können ins Geld gehen. „Einige hundert Euro sind da zusammengekommen“, so Taha. Für ihn als Lehrer war das Geld relativ problemlos aufzubringen, doch nicht jeder Bewerber für einen deutschen Pass steht in Lohn und Brot. Sehr wohl aber kann sich jeder für seine neue Wahlheimat einsetzen - und so „Pluspunkte“ sammeln.
Soziales Engagement ist von Vorteil
„Sich sozial zu engagieren, sich zu integrieren, anderen zu helfen - das lohnt sich“, rät mein Gesprächspartner; man knüpfe Kontakte, vernetze sich - über Freundeskreise, Patenschaften und ähnliche Gruppen; Engagement, welches gesehen - und anerkannt werde; auch von Mitarbeitenden der Ausländerbehörde. Diese seien „richtig nette Leute, deren Türen stets offen stehen“, lobt der Neudeutsche - und nimmt die gesamte Verwaltung sowie zahlreiche Ehrenamtliche in Sachen Lob mit ins Boot: „Die Stadt ist Hilfesuchenden gegenüber sehr aufgeschlossen; geradezu auf Flüchtlinge fixiert.“ Ein Phänomen, das für zahlreiche kleinere Städte und Gemeinden steht; während in Metropolen wie Berlin, Hamburg oder in Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet oft Stillstand zu herrschen scheint: „Für Termine braucht es in Arnsberg oder beim HSK oft nur zwei bis drei Wochen“, sagt Taha Shiekh Deya; während ein Freund, den es nach Essen gezogen hat, inzwischen zwei Jahre auf einen Beratungstermin zur Einbürgerung warte. Im Juli 2024 soll es endlich soweit sein.