Neheim. Neheimer Unternehmen „kann nicht nur Gurte“: Dank neuer Falttür für Jumbo-Cockpits bald in der „Ersten Liga“ der Airbus-Zulieferer.

Terroristen mit einer patentgeschützten Idee ein Schnippchen schlagen? Stark vereinfacht formuliert, lässt sich eine bahnbrechende Entwicklung des heimischen Unternehmens Schroth im Bereich Flugsicherheit auf diese Art Formel bringen.

Aber schauen wir genauer hin: Wer an die im Neheimer „Ohl“ ansässige Traditionsfirma denkt, der denkt zunächst an Automobilsport: Seit über 70 Jahren stellt Schroth Rennsportgurte her. Doch nicht nur auf der Rennstrecke - auch auf der Straße, in der Luft und sogar im Weltraum sorgen die Neheimer für mehr Sicherheit. Das Stichwort „in der Luft“ bringt uns zurück zur erwähnten neuesten Entwicklung - und nein, es handelt sich dabei nicht um ein Gurtsystem.

Die Schroth-Neuentwicklung im Prototyp: Die als Zweit-(Falt-)Tür entwickelte Lösung soll das Cockpit von Verkehrsflugzeugen bei geöffneter Cockpit-Tür vor unbefugtem Eindringen schützen.
Die Schroth-Neuentwicklung im Prototyp: Die als Zweit-(Falt-)Tür entwickelte Lösung soll das Cockpit von Verkehrsflugzeugen bei geöffneter Cockpit-Tür vor unbefugtem Eindringen schützen. © WP | Schroth

Mehr als 50 neue Arbeitsplätze

„Gurtrückhaltesysteme bleiben unser Kerngeschäft“, sagt Martin Nadol, „aber bereits seit vielen Jahren schauen wir auch darauf, was im Bereich Luftsicherheit möglich ist.“ Im konkreten Fall richtet sich der Blick dabei auf das Cockpit von Jumbojets; ein extrem sensibler Ort. Spätestens seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sei die Gefahr unbefugten Eindringens in die Pilotenkabine zwar jedem präsent - und man habe die Schutzmaßnahmen deutlich verstärkt, führt Nadol aus. Doch die in den USA sehr einflussreichen Pilotengewerkschaften forderten stets weitere Verbesserungen, so der Schroth-Geschäftsführer weiter.

„Gurtrückhaltesysteme bleiben unser Kerngeschäft“, sagt Martin Nadol - und zeigt, was Schroth so alles an Gurten für die Luftfahrt herstellt.
„Gurtrückhaltesysteme bleiben unser Kerngeschäft“, sagt Martin Nadol - und zeigt, was Schroth so alles an Gurten für die Luftfahrt herstellt. © WP | Torsten Koch

Seit etwa fünf Jahren beschäftigt man sich im Unternehmen mit der Konstruktion von „sekundären Cockpit-Barrieren“ - und inzwischen ist der Durchbruch gelungen: Der Flugzeugbauer Airbus hat Schroth beauftragt, diese „Installed Physical Secondary Barriers (IPSB“) in allen neu gebauten kommerziellen Airbus-Flugzeugen, die in den USA betrieben werden zu installieren. „IPSB“ - klingt kompliziert; ist vom Prinzip her aber sehr pragmatisch: Es handelt sich um ein Modul für die Flugzeugkabine, das die Sicherheit des Flugzeugs, der Besatzung und der Passagiere verbessern soll. „Eine Sicherheitsschleuse“, bringt es Martin Nadol auf den Punkt.

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Die als Zweit-(Falt-)Tür entwickelte Lösung soll das Cockpit von Verkehrsflugzeugen bei geöffneter Cockpit-Tür vor unbefugtem Eindringen schützen (per Verzögerung von fünf Sekunden) und wird ab Mitte 2025 für alle neuen Verkehrsflugzeuge von Linienfluggesellschaften in den USA verpflichtend.

Mit diesem Auftrag steigen wir in die erste Liga der Airbus-Zulieferer auf.
Martin Nadol - Geschäftsführer Schroth Safety Products GmbH

Mit diesem Auftrag steigen wir in die erste Liga der Airbus-Zulieferer auf“, freut sich der Schroth-Chef, „wir sind stolz, von Airbus ausgewählt worden zu sein.“ Dieser Erfolg sei das Ergebnis harter Arbeit: „Es beweist unsere Fähigkeit, eine leichte, praktikable und wirtschaftliche IPSB-Lösung zu entwickeln“, so Nadol.

Das Produkt besticht durch ein faltbares, ultraleichtes Design, das nur minimalen Installationsraum benötigt. Clou ist der patentierte Verriegelungsmechanismus für einfache, zeitsparende Bedienung durch die Flugzeugbesatzung. . Im Rahmen des neu vergebenen Vertrags wird Schroth IPSB-Module für die Airbus A320- Flugzeugfamilie sowie für Flugzeuge der Typen Airbus A330 und A350 liefern. Sowohl strategisch als auch mit Blick auf das Volumen ein Auftrag „on top“, der die ohnehin gute wirtschaftliche Basis des Unternehmens weiter stärkt.

Im Rahmen des neu vergebenen Vertrags wird Schroth IPSB-Module für die Airbus A320- Flugzeugfamilie (Foto) sowie für Flugzeuge der Typen Airbus A330 und A350 liefern.
Im Rahmen des neu vergebenen Vertrags wird Schroth IPSB-Module für die Airbus A320- Flugzeugfamilie (Foto) sowie für Flugzeuge der Typen Airbus A330 und A350 liefern. © AFP | CHARLY TRIBALLEAU

Auch im Kerngeschäft verzeichne man starkes Wachstum, so Nadol. „Seit Anfang 2020 haben wir am Standort in Deutschland mehr als 50 neue Mitarbeitende eingestellt“, gibt der Geschäftsführer ein Beispiel - und ergänzt: „Wir sind weiterhin auf der Suche nach Verstärkung in allen Bereichen - Fertigung, Entwicklung und Qualitätssicherung.“ Angesichts des Fachkräftemangels eine Herausforderung...

167 Mitarbeitende sind „Im Ohl“ beschäftigt, weitere 87 arbeiten in Fort Lauderdale (Florida, USA). Im Jahr 2021 wurde außerdem eine kleine Niederlassung in Shanghai (China) eröffnet, mit Fokus auf die kommerzielle Luftfahrt.

Immer auch ein Stück weit Manufaktur

Trotz der Ausrichtung als weltweit führendes Unternehmen in der Entwicklung und Herstellung von Insassenschutzsystemen für Luft- und Raumfahrt, in der Verteidigung und im Motorsport setzt man dabei auf „gute alte“ Handarbeit: Zahlreiche Gurtsysteme werden individuell, teils in kleinen Stückzahlen angefertigt, auf Kundenwunsch auch mal mit vergoldeten Verschlüssen. „Wir sind auch immer ein Stück weit Manufaktur“, sagt Martin Nadol.