Arnsberg-Niedereimer. In Niedereimer verlieren drei Menschen gewaltsam ihr Leben. An zwei wird bereits erinnert - jetzt folgt der Dritte: die Hintergründe.

Nein - ein „Cold Case“ ist es nicht: Der Mörder von Hermann Lilie ist bekannt, der Tatort ebenfalls, er befindet sich an der Sauerlandstraße. Nur einen Steinwurf entfernt von der Stelle, an der im Jahr 1979 die beiden Arnsberger Polizeibeamten Bernd Korb und Michael Gödde in Ausübung ihres Dienstes sterben mussten - im Kugelhagel der automatischen Waffe, die ein desertierter belgischer Soldat abfeuerte. Ein Gedenkstein erinnert an dieses grausame Verbrechen.

Mit einer Flinte erschossen

Auch Hermann Lilie fiel einem Verbrechen zum Opfer, wurde erschossen: „1516, den 28. Dezember, tötete Bracht Wulff zu Füchten, der mit der Stadt Werl in Feindschaft lebte, deren Bürgermeister Lilie unterhalb Arnsbergs durch einen Flintenschuss“, heißt es in einer mehr als 100 Jahre später verfassten Chronik. An diesen feigen Mord erinnert heute kein Gedenkstein. Doch das ändert sich bald.

Der Gedenkstein für die beiden ermordeten Polizisten liegt nur etwa 30 Meter vom Standort der Tafel für Hermann Lilie entfernt. 
Der Gedenkstein für die beiden ermordeten Polizisten liegt nur etwa 30 Meter vom Standort der Tafel für Hermann Lilie entfernt.  © WP | Wolfgang Becker

„Mord verjährt nicht“ - das gilt in Deutschland seit 1979, dem Jahr des Verbrechens an den beiden Arnsberger Polizisten. Doch der Täter wurde gefasst, der Gedenkstein für die Opfer geriet in Vergessenheit - bis der Bruchhausener Peter Hering im Oktober 2017 die Idee hatte, den Ort - u.a. mit einem Brückenschlag - neu zu beleben (die Erfolgsstory von damals lesen Sie hier). „Mittlerweile ist es fast vier Jahre her, seit die Brücke über den Obergraben an der Sauerlandstraße in Niedereimer eröffnet und der vergessene Gedenkstein für Bernd Korb und Michael Gödde erneuert wurde“, erinnert Hering, selbst Polizeibeamter (heute a.D.).

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Zurückblickend stelle er heute mit Befriedigung fest, dass sich sein Engagement für den Bau der Brücke, trotz etlicher Zweifler und sogar Gegner, gelohnt habe: „Wir können mit Freude feststellen, dass eine Vielzahl von Menschen täglich die Brücke in beidseitige Richtung nutzt - und am Gedenkstein inne hält.“ Und weil das so ist, legt der Bruchhausener nun „noch einen drauf“.

Die Geschichte vom Mord an Hermann Lilie habe er zufällig vor langer Zeit im „Ninivit“ (Heimatblatt des Arbeitskreises Dorfgeschichte „AKD“ Niedereimer) gelesen, berichtet Hering. Die Stadtarchivare von Arnsberg (Michael Gosmann), Werl (Heinrich-Josef Deisting) und Soest (Dirk Elbert) veröffentlichten ihre gemeinsamen Recherchen dazu unter dem Titel „Das rote Kreuz von Niedereimer“. „Da Hermann Lilie an der heutigen Sauerlandstraße, also in der Nähe des Gedenksteins, getötet wurde, kam mir der Gedanke, mit einem Hinweisschild auch an den Mord am Werler Bürgermeister zu erinnern“, so der Pensionär.

Vermüllung ein Problem

Eine Schande: Vermüllung am Wendehammer durch chillende Autofahrer und Graffiti mit antisemitischen und rechtsradikalen Symbolen.

Zwei Strafanzeigen gegen „Rechts“ hat Peter Hering bei der Polizei erstattet, immer wieder wird der Bereich rund um den Gedenkstein mit Hakenkreuzen oder Ähnlichem beschmiert; nicht selten entfernt er die Schmierereien eigenhändig.

„Ganze Burger King Menüs“ habe er schon entsorgen müssen, so der Denkmalstifter zum Thema Müll. Doch es ist weniger geworden: Die Stadt hat zwei Mülleimer aufgestellt und schaut ab und an zwecks Reinigen vorbei.

Während der Generalversammlung 2022 des AKD Niedereimer wurde sein Vorhaben genehmigt, und Hering legte los: Unter Wahrung der historischen Tatsachen fasste er die wichtigsten Daten, Geschehnisse und Umstände als Text für eine Infotafel zusammen. Dieses Schild - „ein klein wenig kleiner als DIN A3“ - soll rechts des Weges vom Wendehammer zur Brücke aufgestellt werden. „Der Abstand zum Gedenkstein ist genügend groß und bewachsen, sodass keine Konkurrenz konstruiert werden kann“, bremst Hering mögliche Kritiker aus.

So sieht die Tafel samt Metallfuß zum Gedenken an den Lilie-Mord aus.
So sieht die Tafel samt Metallfuß zum Gedenken an den Lilie-Mord aus. © WP | Privat

„Bürgermeister Ralf Bittner hat mein Anliegen zur Aufstellung des Schildes inzwischen genehmigt“, freut sich der rührige Initiator. Das Edelstahl-Schild samt Edelstahl-Standfuß ist angefertigt; nach Fertigstellung des Weges, Bepflanzung und dem Einbetonieren des Standfußes erfolgt die finale offizielle Eröffnung. Dann werden auch die Sponsoren vorgestellt, die das Vorhaben ermöglicht haben.

Vor 45 Jahren: „Sie hatten keine Chance“

„Lest we forget“ („damit wir nicht vergessen“) - mit diesem Begriff ehren die Briten ihre Weltkriegstoten - doch auch der 10. Juli 1979 sollte nicht vergessen werden: Dieser Tag ist gerade wenige Minuten alt, als die Polizeibeamten Michael Gödde (26) aus Arnsberg und Bernd Korb (27) aus Rumbeck auf der alten B 7 im Niedereimerfeld, auf Höhe der Degussa (heute Perstorp), einen belgischen Militärjeep stoppen, der mit einem defekten Scheinwerfer unterwegs ist. Dessen Fahrer - der 18-jährige Berufssoldat Jean-Luc Rikir - greift sofort zu einem Schnellfeuergewehr und tötet die beiden Polizisten mit einer Salve. Sie hatten keine Chance. Rikir, er steht vor der unehrenhaften Entlassung aus der Armee, flüchtet, wird aber noch am selben Tag nach einem Feuergefecht mit der Polizei, bei dem er selbst schwer verletzt wird, bei Breitenbruch festgenommen. Später nach Jugendstrafrecht zu zehn Jahren Haft verurteilt, begeht er - nach einer weiteren Verurteilung in Belgien - in der Haft Selbstmord.