Winterberg. Winterberg: Drifter erobern den Parkplatz an der Nordhang Jause. Ein Aktiver berichtet aus der verschlossenen Parallel-Welt.

In der Nacht zum Samstag, dem 14. Dezember, kurz nach Mitternacht, herrscht in Winterberg eine winterliche Atmosphäre. Die Temperaturen sind deutlich unter null Grad Celsius gefallen, und eine dicke Schneedecke hüllt die Hügel und Berge des Sauerlands ein. Zu dieser späten Stunde sind nur wenige Menschen unterwegs – entweder auf der Suche nach einem Ort zum Feiern oder, wie ich, mit einem besonderen Ziel vor Augen. Ausgerüstet mit Kamera und Stativ mache ich mich auf den Weg zur Nordhangjause. Mein Vorhaben ist es, die farbenfrohe Beleuchtung dieses Ortes in Langzeitbelichtungen einzufangen. Die nächtliche Kälte und die schneebedeckte Landschaft bieten die perfekte Kulisse für atmosphärische Aufnahmen, bei denen die leuchtenden Farben der Nordhangjause einen faszinierenden Kontrast zur dunklen, winterlichen Umgebung bilden werden. Doch statt winterlicher Ruhe bietet sich mir ein völlig anderes Bild: Zwei BMWs, aufheulende Motoren und der beißende Geruch von verbranntem Gummi.

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In den kalten Monaten zieht Winterberg nicht nur Wintersportler an, sondern auch Freunde des „Driftsports“. Während es in anderen Regionen meist grau und nass ist, liegt hier oft schon eine Schneedecke. Genau das macht die Region im Sauerland für die Drifter so attraktiv: Eine dünne Schicht Schnee hilft auch weniger geübten Fahrern, das Fahrzeug kontrolliert ins Rutschen zu bringen und den gewünschten Drift zu erzeugen. Große, freie Flächen bieten dabei die nötige Sicherheit, sollte die Kontrolle doch einmal verloren gehen.

Drifter in Winterberg
Besonders der Parkplatz an der Nordhangjause hat sich in der Szene als Hotspot etabliert. © WP | Bastian Honekamp

Hotspot an der Nordhangjause

Besonders der Parkplatz an der Nordhangjause hat sich in der Szene als Hotspot etabliert. Während der vordere Bereich meist von einigen Autos belegt ist, bleibt der hintere Teil leer. Zumindest nachts. Die Schneekanone des angrenzenden Skilifts sorgt dabei für stetigen Nachschub an frischen Flocken und schafft so ideale Bedingungen. Für viele Drifter ist kein Weg zu weit. An diesem Freitagabend waren es zwei BMWs mit Kölner Kennzeichen, die den Weg ins Sauerland gefunden hatten. Die Nachricht von perfekten Bedingungen verbreitet sich in der Szene schnell. So treffen sich in schneereichen Nächten immer wieder Fahrzeuge aus dem Ruhrgebiet und dem Rheinland in und um Winterberg.

Drifter in Winterberg
An einem Freitagabend (13. Dezember) treffen sich auf einem Parkplatz an der Nordhangjause in Winterberg drei Männer und eine Frau, um mit ihren zwei BMWs zu driften. © WP | Bastian Honekamp

Die Drifter, drei junge Männer und eine Frau, alle Anfang 20, sind kommunikativ und sich der Kritik an ihrem Hobby bewusst. „Wir wollen nur Spaß haben und achten darauf, nichts zu beschädigen“, betont einer der Fahrer. Die leere Schneefläche nutzen sie, um ihre Fahrzeuge an die Grenzen zu bringen. Dank des Heckantriebs seiner 3er-BMW-Limousine gelingen dem Fahrer besonders spektakuläre Manöver: Innerhalb weniger Sekunden dreht er sich mehrmals um die eigene Achse.

„Der Heimweg wird hart“

Ich nutze die Gelegenheit und frage, ob ich Langzeitbelichtungen von ihren Drifts aufnehmen darf. „Kein Problem“, kommt die prompte Antwort. Während die Motoren dröhnen und die Scheinwerfer durch die Dunkelheit schneiden, entstehen Aufnahmen, die mit Licht, Bewegung und Schnee spielen. Driften ist ein Balanceakt zwischen Können und Risiko. Es erfordert Geschick, ein Fahrzeug mit kontrollierten Rutschmanöver zu steuern. Doch trotz der Faszination bleibt die Aktivität umstritten. Laute Motorengeräusche und sichtbare Spuren sind für Anwohner oft ein Ärgernis. In sozialen Medien wird der Unmut regelmäßig laut.

Drifter in Winterberg
An einem Freitagabend (13. Dezember) treffen sich auf einem Parkplatz an der Nordhangjause in Winterberg drei Männer und eine Frau um mit ihren zwei BMWs zu driften. © WP | Bastian Honekamp

Schottergrund wird aufgerissen

Auch die Drifter von Freitagabend betonen, dass sie niemanden gefährden oder stören wollen. Faktisch bleibt das jedoch schwer umzusetzen. Der Schotteruntergrund wird durch das Schleudern der Fahrzeuge aufgerissen, was zur Folge hat, dass der Parkplatz schneller saniert werden muss.

Es ist bereits zwei Uhr morgens, als die Kölner Drifter den Entschluss fassen, zusammenzupacken – nicht aus Müdigkeit, sondern weil das Material nicht mehr mitmacht. Aus der Motorhaube der 3er BMW-Limousine steigt nach einem besonders langen Manöver plötzlich Dampf auf und unter dem Auto bildet sich recht schnell eine Pfütze mit Kühlflüssigkeit. Ein technischer Defekt, der zeigt, dass hier die Suche nach der Grenze des eigenen Fahrzeugs gefunden wurde.  „Der Heimweg wird hart“, gibt der junge Fahrer zu, der wenige Stunden später in seinem Job im Einzelhandel erwartet wird.