Olsberg. Für sie ist es eine Art Berufung: Sibylle Pauk war Hotel-Managerin. Nach familiärem Schicksalsschlag findet Olsbergerin neuen Lebenssinn.
„Das, was ich jetzt mache, ist mein Weg! Ich habe gemerkt, dass ich anderen Menschen Gutes tun kann, dass ich Ihnen gut tue und dass der Umgang mit ihnen mir gut tut.“ Sibylle Pauk hat ihr berufliches Leben komplett auf links gedreht. Gastronomie, Hotelerie, Tagungsmanagement - all das ist Vergangenheit. Vorbei die Zeit, als die heute 55-Jährige auf Amrum gekellnert, in Garmisch die Fachschule besucht, im Sauerland Stern Firmenevents mit 1000 Teilnehmenden gewuppt hat oder stellvertretende Betriebsleiterin im Briloner SoVD war. Sie hat jahrelang unter Dampf gestanden, ist in ihrem Job aufgegangen und hat nie auf die Überstundenuhr geschaut. Jetzt macht sie sich als Alltagsbegleiterin/Betreuungskraft selbstständig. Ihr Motto: „Hilfe mit Herz“. Warum diese Kehrtwende?
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Der Grund dafür steht als freundlich-lächelndes Portraitfoto auf dem Wohnzimmertisch, legt sich als Motorradfahrer mehrfach im Großformat rasant in enge Kurven, wohnt für immer in ihrem Herzen: Ihr Bruder Dirk. Ganz plötzlich bekommt der selbständige Schreinermeister im Sommer 2023 eine niederschmetternde Diagnose: schnell mutierender Darmkrebs. Für die Familie bricht im ersten Moment eine Welt zusammen, aber dann setzt die neue Situation ungewöhnliche Energien frei. Sibylle Pauk, ihre Mutter und ihre Schwester – alle stammen aus Hillershausen – helfen dem in Köln-Frechen lebenden Bruder, wo sie nur können und organisieren schließlich kurz vor Weihnachten 2023 einen Platz im Hospiz in Frankenberg. Dort stirbt Dirk am 13. Januar. Er wird 52 Jahre alt.
Tod des Bruders hat ihr Leben verändert
„Wir haben noch eine sehr schöne Zeit miteinander verbracht. Ja, wir haben auch viel gelacht und geweint. Die Atmosphäre im Hospiz war freundlich und nett. Ich habe dort auch andere Menschen kennengelernt und hatte immer das Gefühl, ich gebe ihnen was. Aber nach dem Tod von Dirk war ich richtig fertig. Das alles hat mich sehr zum Nachdenken gebracht. Ich habe meine Arbeit gekündigt, mir ein halbes Jahr Auszeit genommen und mich gefragt: Was kann ich machen?“, erzählt Sibylle Pauk, die sich selbst als spirituellen Menschen bezeichnet. Sie glaubt fest daran, dass alles im Leben einen Sinn hat. Dass man aber den Mut und die Bereitschaft haben muss, in sich hineinzuhorchen. Sie folgt dem Ruf ihres Herzens. „Alles ist für irgendetwas gut. Ich betrachte den Tod meines Bruders und die Umstände rückblickend nicht mit Verbitterung. Ich hege keinen Groll gegen irgendjemanden und frage auch nicht: Warum gerade er? Ich glaube, dass es eine höhere Ordnung gibt – egal, ob wir sie Gott oder Universum nennen.“
Die Sauerländerin ist fest davon überzeugt, dass diese Zeit mit ihrem Bruder, einen Sinn für sie selbst hatte und dass diese Lebensphase ihr etwas sagen will. „Ich habe gespürt: Mensch, Bille! Das war die wertvollste Zeit in Deinem Leben. Mach was daraus!“ Beim Lernstützpunkt Süd absolviert sie eine mehrmonatige Ausbildung zur zertifizierten Alltagsbegleiterin, macht dabei ein Praktikum in einer Seniorenpflegeeinrichtung und spürt auch dort: „Das ist mein Weg und ich bekomme wahnsinnig viel zurück!“
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Einfach nur zuhören, einen älteren oder kranken Menschen beim Arztbesuch begleiten, mit ihm eine Runde Karten spielen, sich unterhalten, Hilfe beim Einkaufen, im Haushalt oder im Garten anbieten, Tagesmutter oder Babysitter sein – das Spektrum ist groß. Einige Dienstleistungen lassen sich über die Krankenkasse abrechnen, einige nicht. Körperliche und medizinische Pflege kann und darf die 55-Jährige nicht anbieten. Aber Sibylle Pauk ist sich sicher, dass der Bedarf in der Alltagsbegleitung trotzdem sehr groß ist. „Ich habe mich ganz bewusst für die Form eines selbständigen Kleinunternehmens entschieden und mich nicht einer caritativen Organisation angeschlossen. Ich möchte, dass meine Arbeit auf einer sehr persönlichen und vertraulichen Basis läuft. Das ist mir unheimlich wichtig. Vielleicht läuft es ja so gut an, dass ich noch jemanden einstellen kann.“ Die Menschen, die eine Pflegestufen haben, sind ihrer Meinung nach meistens versorgt. „Aber was ist mit denen, die mal eine Stunde Freiraum brauchen, die keine Pflegestufe haben oder Familien mit Kindern, die mal durchschnaufen müssen oder wo plötzlich jemand vorübergehend ausfällt?“
„Ich habe mich ganz bewusst für die Form eines selbständigen Kleinunternehmens entschieden und mich nicht einer caritativen Organisation angeschlossen. Ich möchte, dass meine Arbeit auf einer sehr persönlichen und vertraulichen Basis läuft. Das ist mir unheimlich wichtig.“
Der Schritt in die Selbständigkeit war nicht ganz einfach. Sibylle Pauk hat Flyer gestalten und drucken lassen und bringt sie im Raum Olsberg – das ist ihr Aktionsradius - in alle Haushalte. Vorne auf der Werbe-Karte ist ein Herz zu sehen, das von einer Feder umweht wird. „Ich bin ein absoluter Herzensmensch. Die Feder symbolisiert die Verbindung nach oben. Auch Engel haben Federn…“ Erleichterung im Alltag, für andere da sein, Alltagsengel sein – das ist ihr Ding. Vor jedem Auftrag steht ein kostenloses halbstündiges Gespräch mit den Hilfesuchenden. „Ob dann hinterher etwas daraus wird, ist mir erstmal egal. Die Chemie zwischen mir und den Menschen muss stimmen“, sagt Sibylle Pauk, die gerade dabei ist, sich als Trauerbegleiterin zertifizieren zu lassen.
Kontakt
Weitere Infos zur Arbeit von Sibylle Pauk über ihre Homepage unter www.hilfemitherz-olsberg.de oder unter 02962 9772620 oder per Mail sibylle@hilfemitherz-olsberg.de
Im Laufe eines jeden Tages kommt sie oft am Foto ihres Bruders vorbei und spricht mit ihm. Sibylle Pauk ist fest davon überzeugt, dass es Dirk dort, wo er jetzt ist, besser geht, dass jede Seele sich ihren Weg sucht – im Leben wie im Sterben. Seine und auch ihre. Mit einem Lächeln blickt sie auf das Porträtfoto auf dem Tisch: „Na, Brüderchen? Was meinst Du?“