Madfeld. Eigentlich sollte er Bauer werden. Doch seine Liebe galt der Technik. Der Unternehmer Heinz Voss aus Brilon-Madfeld ist mit 87 Jahren gestoben.
Machen, machen, machen! Unternehmen statt unterlassen. An sich und seine Träume glauben. Sich nicht entmutigen lassen. Und nicht darauf warten, dass einem etwas in den Schoß fällt. Aufgaben und Herausforderungen selbst in die Hand nehmen, keine Arbeit scheuen. Aber auch den Blick für die schönen Dinge im Leben bewahren. So würden ihn seine drei Kinder beschreiben. Und zum Schluss würden die Kinder Petra, Sabrina und Dierk sagen: „Unser Papa war unser größtes Vorbild!“ Im Alter von 87 Jahren ist am Sonntag der Ingenieur und Unternehmer Heinz Voss gestorben. Mit dem Seniorchef der „Blechprofis“ wird am Samstag ein Pionier zu Grabe getragen, der mit seinem familiär geprägten Unternehmergeist und seiner menschlichen Art Vorbild und Mutmacher für andere war und über den Tod hinaus sein kann.
„Hallo! Wo ist denn hier der Chef?“ Wenn ein neuer Kunde in den Betrieb nach Madfeld kam und den Boss sprechen wollte, wurde diese Frage oft an einen Mann gerichtet, der mit Blaumann-Kittel auf dem Gabelstapler unterwegs war, stoppte, geduldig vom Fahrersitz kletterte und darauf antwortete: „Das bin ich!“ Das Büro und der Ledersessel waren nie sein Ding. Dort, wo es nach Metall riecht, wo es manchmal laut scheppert, wo Menschen und Maschinen Hand in Hand greifen – da war der Platz von Heinz Voss.
Eigentlich sollt er Landwirt werden
„Hecken Heiner“ erblickt 1937 als ältestes von drei Kindern in Madfeld das Licht der Welt. Und schon damals ist eigentlich klar: Der wird mal Bauer und übernimmt den Hof. Aber es kommt anders: „Mein Papa hatte kein Interesse an Landwirtschaft. Und er hat einiges auf sich genommen, um eine andere Laufbahn einzuschlagen“, sagt Sabrina Voss, die Jüngste von drei Kindern. Oft habe ihr Vater im Kreis der Familie erzählt, wie er als Elfjähriger morgens um 6.10 Uhr von Madfeld die viereinhalb Kilometer bei Wind und Wetter zu Fuß über den Berg nach Beringhausen gelaufen sei, um den Zug nach Brilon-Wald zu erreichen. Danach ging’s weiter nach Brilon zum Petrinum und spätnachmittags denselben Weg wieder zurück. 1955 macht Heinz Voss dort die Mittlere Reife: „Er verlässt die hiesige Anstalt, um einen praktischen Beruf zu ergreifen“, steht im Zeugnis. „Ich glaube, die Lehrer haben ihm damals nicht viel zugetraut – schon gar kein Studium. Ich finde es klasse, dass er sich davon nicht hat unterkriegen lassen“, so Sabrina.
Lesen Sie auch
- Gewinnspiel: Tippen Sie die Schneehöhe am Kahlen Asten!
- Crash bei Marsberg: Junge (5) wird bei Autounfall verletzt
- Westfalenpost verlost Familientag im Skigebiet Willingen
- Nach Cyberattacke: Was sich nun für die Städte im HSK ändert
- So soll Winterberg 2035 aussehen: Visionen für die Region
- Unfall am Bahnübergang: Auto rammt Schranke bei Winterberg
- Soko NRW untersucht Rotmilan-Todesfall im Hochsauerland
Heinz Voss macht danach eine Lehre zum Betriebsschlosser in Belecke, pendelt am Wochenende mit dem Moped zwischen Arbeitsort und Zuhause, nicht zuletzt auch, um als aktiver Kicker auf dem Fußballplatz zu stehen. Seine Gesellenprüfung beendet er mit der Note Eins. Es folgen mehrere berufliche Stationen wie die Ingenieursschule in Dortmund, die Technikerschule am Bodensee oder die Arbeit als Konstrukteur bei Miele in Gütersloh. 1967 meldet er mit seiner Frau Doris, die er fünf Jahre zuvor geheiratet hat, das erste eigene Gewerbe an. In einem Kuhstall werden Allwetterverdecke für Traktoren und Schlepper gebaut – ein für die damaligen Verhältnisse fast revolutionäres Produkt. Denn die kleinen Traktoren haben zu der Zeit noch keine komfortablen und schallgeschützten Führerhäuser. Große Firmen wie John Deere werden auf das Produkt und den Kleinbetrieb im Sauerland aufmerksam und kaufen. 1981 werden allein 1000 solcher Verdecke produziert. Vorbei sind die Zeiten von 1,73 Mark Stundenlohn. Später wird für 350.000 Mark eine CNC-Stanze angeschafft und der Betrieb siedelt an eine andere Stelle innerhalb Madfelds um.
Heute sind die Blechprofis nicht nur im Sauerland als Spezialisten für individuelle und hochwertige Produkte aus dünnem und dickerem Blech bekannt und geschätzt. Petra Kleine, geb. Voss, und ihr Mann Johannes führen den Betrieb, der rund 50 Mitarbeitende hat. Mehr sollen es auch gar nicht werden. Mehr würden nach schneller, höher, weiter klingen. Und das könnte die Grundidee eines wertegeführten Unternehmens gefährden. Großer Preis des Mittelstandes, Wirtschaftspreis Hochsauerlandkreis, Manager bzw. Unternehmer des Jahres und mehrfache Rezertifizierungen als familienfreundlicher Betrieb sind nur einige Ehrungen, die der Firma und damit letztlich auch Heinz Voss im Laufe der Jahre zuteil werden.
Die WP Brilon auf Social Media
- Abonniere den Kanal WP Brilon/Winterberg - Westfalenpost auf WhatsApp.
- Immer auf dem neuesten Stand bleiben: Unsere News-App gibt es auch für Android und iPhone
Sein Heimatdorf Madfeld lag dem 87-Jährigen immer am Herzen. Er engagierte sich im Verkehrsverein, war jahrelang im Vorstand des Schützenvereins tätig und in den 70er Jahren auch Ortsvorsteher. „Der Defibrillator, den er vor einiger Zeit der Dorfgemeinschaft gestiftet hat, führte zur Gründung der First Responder, über deren ehrenamtlichen Einsatz er sich sehr gefreut hat“, sagt Tochter Petra Kleine. Generell sei ihr Vater jemand gewesen, „der nicht viel redete, sondern einfach gemacht hat, der bodenständig und bescheiden war und der das Wort ,Stolz‘ nicht gern benutzt hat. Er sagte vielmehr: ,Ich erfreue mich daran!‘“ Und ungeduldig konnte er sein, wenn es zu viel Reden und Lobhudelei gab: „Jetzt mach mal langsam Schluss, die Leute frieren.“
Die Leidenschaft fürs Fotografieren hat er seiner Tochter Sabrina (Sabrinity) vererbt, die damit beruflich sehr erfolgreich ist. Und beide sind viel zusammen um die ganze Welt gereist: Italien war ein besonderer Sehnsuchtsort. Und wenn es einmal längere Zeit nicht ins Land der blühenden Zitronen ging, freute sich Heinz Voss auch über eine heiße Waffel mit allem drum und dran im Eiscafe beim Italiener. Beim Rausgehen rief er dem Kellner immer zu: „A domani - also mach’s gut, bis morgen!“