Hallenberg. Enrico Eppner hat ein FDP-Parteibuch und ist Bürgermeister in Hallenberg. Er spricht Klartext über seine Partei, das Ampel-Aus und seine Chancen.

„Liebeshochzeiten schließt man vor dem Standesamt.“ Dass politische Zweck-Ehen nur Beziehungen auf Zeit sind, hat der Hallenberger Bürgermeister Enrico Eppner schon vor gut einem Jahr in einem Interview erklärt. Nun ist die unglückliche Liaison namens „Ampelkoalition“ in Berlin gescheitert. Und der Bundeskanzler hat in vorderster Front seinen FDP-Finanzminister dafür verantwortlich gemacht. Spürt Eppner (38) als einziger Bürgermeister mit FDP-Parteibuch weit und breit diesen politischen Unmut auch an der Basis und inwieweit befeuert das Ampel-Theater die Politikverdrossenheit im Allgemeinen?

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Der Satz mit den „Liebeshochzeiten“ und der Zweck-Ehe war vorausschauend. Hat es Sie dennoch gewundert, dass die Koalition zerbrochen ist?

Ehrlich gesagt, hat es mich nicht überrascht. Die Frage war nicht, ob sie zerbricht, sondern wann. Am Ende darf man froh sein, dass es vorbei ist. Denn zuletzt war jeder einzelne Tag eine Belastung, die unser Land gelähmt und weniger nach vorne gebracht hat.

Hallenbergs Bürgermeister Enrico Eppner (FDP) hat da Scheitern der Ampelkoalition schon lange vorhergesehen.
Hallenbergs Bürgermeister Enrico Eppner (FDP) hat da Scheitern der Ampelkoalition schon lange vorhergesehen. © FUNKE Foto Services | Patricia Geisler

Wie bewerten Sie die Entscheidung des Bundeskanzlers, den Finanzminister zu feuern und wie fanden Sie den Stil, wie er es gemacht hat?

Dass er eine solche Entscheidung getroffen hat, ist kraft seines Amtes sein gutes Recht. Meiner Meinung nach schwang da aber auch eine sehr emotionale, zwischenmenschliche Komponente mit. So etwas wird dem hohen Staatsamt eines Bundeskanzlers nicht gerecht und das war kein guter Stil.

Olaf Scholz hat gesagt, er sei zu oft von Christian Lindner getäuscht und blockiert worden. Stimmt das? Und wie beurteile Sie es, dass eine Partei mit nur 12 Prozent Wählerauftrag letztlich immer das Zünglein an der Waage spielen möchte?

Die Enttäuschung kann ich nicht teilen. Meiner Ansicht nach haben sich die Koalitionspartner gegenseitig blockiert. Bei der Suche nach einem Buh-Mann möchte ich mich zurückhalten; letztendlich schadet so etwas immer der Demokratie. Ob eine Mit-Regierungspartei  6 oder 12 Prozent bekommen hat, entscheidet nicht zwingend über ihre Möglichkeiten der Einflussnahme. Das ist nun mal das Prinzip der Demokratie.

In der Außenwahrnehmung geben viele Menschen der FDP, speziell Herrn Lindner, die Hauptschuld am Scheitern der Ampel. Sehen Sie das auch so?  Geraten Sie da in einen Negativ-Sog?

Auf die Koalition kam von Anfang an viel zu. Corona-Nachwehen, Ukraine-Krieg und die Energiewende. Eine gemeinsame Schnittmenge, um den so wichtigen Wirtschaftsdreh zu finden, war zum Schluss einfach nicht mehr vorhanden. Daher brauchen wir jetzt einen Wendepunkt. Ich möchte mich nicht despektierlich äußern, aber Olaf Scholz hat vor seinem Amtsantritt gesagt: Wer Führung bestellt, der bekommt sie auch. Und die hat er einfach nicht geliefert. Ich sehe die Schuld nicht allein bei der FDP. Und die Menschen vor Ort wissen, Bundes- und Lokalpolitik zu trennen

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Haben die bundespolitischen Unruhen in irgendeiner Form Auswirkungen auf Ihre Arbeit hier im Hallenberger Rathaus?

Politisch betrachtet nicht. Aber für unsere tägliche Arbeit schon. Denn eigentlich sollte in Berlin noch ein Haushalt verabschiedet werden. Nun gibt es wahrscheinlich eine vorläufige Haushaltsführung. Wir wissen nicht und können auch nicht absehen, wie sich das zum Beispiel auf die Bezuschussung von lokalen Projekten aus öffentlicher Hand auswirkt. Denn egal ob Bundes- oder Landesmittel – irgendwie hängt beispielsweise die Vergabe von Fördergeldern immer eng zusammen und das könnte zu Verzögerungen führen. Auch die noch ausstehende Einigung in Sachen Migration und kalte Progression wird Auswirkungen auf die Kommunen haben.

Sie haben einmal den markanten Satz geprägt: Ich schäme mich nicht für meine Parteizugehörigkeit. Aber ich bin nicht der Bürgermeister einer Partei, sondern der Stadt Hallenberg. Hat sich an der Einstellung etwas geändert?

Nein, dazu stehe ich zu einhundert Prozent. Ich tausche mich eng mit meinen Amtskollegen anderer Städte aus; da hat die Parteizugehörigkeit keine Bedeutung. Ich habe einen liberalen Kompass. Darauf bin ich auch stolz. Aber meine Arbeit ist es, an vorderster Stelle, die Verwaltung der Stadt Hallenberg zu führen.

„Ich tausche mich eng mit meinen Amtskollegen anderer Städte aus; da hat die Parteizugehörigkeit keine Bedeutung. Ich habe einen liberalen Kompass. Darauf bin ich auch stolz. Aber meine Arbeit ist es an vorderster Stelle, die Verwaltung der Stadt Hallenberg zu leiten.“

Enrico Eppner
Bürgermeister der Stadt Hallenberg

Glauben Sie, dass die Regierungskrise auf Bundesebene langfristig Auswirkungen auf die Wahlchancen und die politische Arbeit der FDP in der Region haben wird?

Ich bin mir sicher, dass die Menschen das zu unterscheiden wissen. Ich mache mir da keine Angst. Die FDP hat auf Bundesebene immer Hochs und Tiefs erlebt. Eine liberale Mitte ist auf jeden Fall das, was wir brauchen. Auf kommunaler Ebene geht es aber um Personen und nicht um die Parteizugehörigkeiten. Wir brauchen vor allem keine Personen, die sich am Rande von Grundwerten bewegen. Wir brauchen Menschen, die bereit sind, sich zu engagieren und mit gutem Beispiel vorangehen.  

Gab es auf Bundesebene Dinge, die die FDP forciert hat, die Sie aber auf lokaler Ebene völlig anders bewerten?

Ja, ich habe es bis heute nicht verstanden, warum sie die Cannabis-Legalisierung derart ins Schaufenster stellen mussten. Meiner Meinung konnte man es ändern oder aber auch alles beim Alten belassen. Wir hatten schon damals dringlichere Probleme als dieses. Auf das Thema bin ich zum Beispiel auch mit sehr viel Unverständnis auf den Schützenfesten angesprochen worden.

Nur fünf FDP-Bürgermeister landesweit

Enrico Eppner ist einer von derzeit nur fünf FDP-Bürgermeistern unter 373 Oberhäuptern der kreisangehörigen Kommunen in NRW. Das geht aus einer Liste des Städte- und Gemeindebundes NRW hervor. Neben Hallenberg stehen Freie Demokraten auch in Hürtgenwald (Kreis Düren), Kaarst (Rhein-Kreis Neuss), Steinfurt (Kreis Steinfurt) und Stemwede (Kreis Minden-Lübbecke) an der Verwaltungsspitze. Enrico Eppner ist das einzige FDP-Stadtoberhaupt in der Region. „Das ist ein Alleinstellungsmerkmal“, sagt der 38-Jährige.

Glauben Sie, dass die FDP nach der Wahl im Februar wieder eine Regierungs-Mitverantwortung tragen wird? Und was schätzen Sie, wie die Wahl ausgeht?

Momentan liegen die Freien Demokraten laut Umfragen bei um die fünf Prozent. Aber das muss jetzt noch gar nichts bedeuten. Der ganze politische Nebel muss sich erstmal lichten, aktuell sehe ich sie zwischen 4 und 12 Prozent. Eine Wahlprognose kann ich jetzt einfach noch nicht abgeben.

„Ja, ich möchte mich erneut zur Wahl anbieten. Ich bin damals nicht angetreten, um bloß für eine Amtsperiode Bürgermeister von Hallenberg zu sein. “

Enrico Eppner
Bürgermeister in Hallenberg

Was glauben Sie, mit wem Ihre Partei in Berlin koalieren würde?

Die größte Schnittmenge sehe ich mit der Union. Aber die ganze Gemengelage ist noch sehr fragil. Meiner Meinung nach brauchen wir aber auch einen starken sozialen Flügel und auch eine starke Sozialdemokratie. Wenn die SPD den Spin hinbekommt, den Kanzlerkandidaten auszutauschen, könnte das der Sozialdemokratie in Deutschland dienlich sein. Es ist letztlich noch alles möglich Mein Wunsch wäre eine Zweier-Konstellation, so etwas hat das größte Potenzial für Stabilität.

Hat das Regieren in Berlin und das Ende der Koalition schlussendlich nicht zu weiterer Politikverdrossenheit beigetragen?

Ja, das sehe ich auch so. Ich hoffe, dass wir es durch schnelle, geordnete Neuwahlen hinbekommen, das Ruder herumzureißen. Dazu brauchen wir stabile Mehrheiten, die etwas auf den Weg bringen können. Ein Dreierbündnis könnte lähmend wirken. Meiner Ansicht nach ist die Wirtschaftspolitik der Dreh- und Angelpunkt, um Deutschland wieder nach vorne zu bringen; da sollten sich Partner mit gleicher Zielausrichtung zusammentun.

Es sind ja nicht nur Bundestagswahlen im nächsten Jahr. Auch Kommunalwahlen stehen an. Werden Sie wieder antreten?

Sie sind jetzt der Erste, der diese Frage so direkt stellt. Ja, ich möchte mich erneut zur Wahl anbieten. Ich bin damals nicht angetreten, um bloß für eine Amtsperiode Bürgermeister von Hallenberg zu sein. Das würde den Aufgaben und meinem Verständnis von diesem Amt auch nicht gerecht. Ich denke, wir haben viele Projekte angestoßen und ich möchte auch noch als Bürgermeister erleben, wie sie verwirklicht werden. Die Arbeit im Rathaus und mit den Menschen macht mir viel Spaß.

Die Mehrheit im Rat könnte komfortabler sein: 9 Sitze für die FDP, 10 für die CDU und 1 Fraktionsloser für die BfH…

Ja, es gab hier und da auch schon mal Kontroversen. Aber das muss man aushalten können und das gehört zur Politik. Eine komfortablere Mehrheit wäre schön, aber letztlich ist der Wählerwille entscheidend und den haben wir zu akzeptieren.