Marsberg/Bredelar. Für ihr Festkleid erhofft sich Königin Julia Stuhldreier eine zweite Chance durch die Bredelarer Kleiderbörse. Doch der Abschied fällt schwer:
Am 3. November ist es soweit: Dann startet die große Kleiderbörse in der Bredelarer Schützenhalle. Für Schützenköniginnen und Hofdamen aus dem ganzen Hochsauerlandkreis ist das ein besonderer Tag, aber auch für Bräute, angehende Abiturientinnen oder Kommunionkinder. Sie alle können hier auf Schnäppchen lauern und wertvolle Kleider - oft nur ein einziges Mal getragen - aus zweiter Hand ergattern. Doch für viele Vorbesitzerinnen heißt das, Abschied nehmen von einem sehr besonderen Kleidungsstück. Eine von ihnen ist Julia Stuhldreier aus Bredelar.
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Blassrosa Tüll, kunstvoll mit Spitze verziert und bestickt mit glitzernden Pailletten - bewundernd und liebevoll gleitet Julia Stuhldreiers Blick über ihr Kleid. In ihm hat die Bredelarer Schützenkönigin viele besondere Augenblicke erlebt. Dabei hat sie es nur vier Mal getragen: Den ersten glanzvollen Auftritt hatte es beim Schützenfest in Bredelar und auch in Obermarsberg und Beringhausen präsentierte Julia Stuhldreier ihr Kleid voller Stolz im Festzug. Und natürlich beim Marsberger Stadtschützenfest: „Trotzdem ist es schade, dass ich es nicht öfter tragen kann“, sagt sie. Sie erinnere sich gut daran, wie sie sich gefühlt hat, als sie zum ersten Mal in ihrem Kleid aus der Tür trat und sich an der Seite von Thomas Luckey als Schützenkönigin des Bredelarer Bürgerschützenvereins präsentierte. Das sei der schönste Moment gewesen, den sie in ihrem Kleid erlebt hat: „Das war ein tolles Gefühl. Da war die Aufregung ganz kurz weg.“ Bei der Kleiderbörse am kommenden Sonntag erhofft sich die Königin eine zweite Chance für ihr Kleid. Doch die Gefühle sind auch gemischt: „Es wird sicher komisch sein, jemand anderen darin zu sehen.“ Trotzdem wünscht sich Julia Stuhldreier, dass das Kleid eine neue Besitzerin bekommt. Nach nur einer einzigen Schützenfestsaison habe es noch viele weitere schöne Auftritte verdient: „Es ist einfach zu schade, wenn es nur im Schrank hängen bleibt.“
Neue Chance für Königinnenkleider
So sehen das auch Manuela Köhne und Evelyn Helle: Die beiden Bredelarerinnen sind Teil des insgesamt 15-köpfigen ehrenamtlichen Teams, das jedes Jahr aufs Neue die Kleiderbörse organisiert. Nun schon zum 15. Mal in Folge: Alle Jahre wieder ergreifen Schützenköniginnen und Hofdamen, Bräute, Abiturientinnen und die Eltern von Kommunionkindern die Gelegenheit, ihre meist kaum getragenen Festkleider secondhand zu verkaufen oder sich ein Kleid für ein bevorstehendes Fest zu einem günstigen Preis zu besorgen. Die Nachfrage sei groß, vor allem bei den Kommunionkleidern: „Da ist oft schon nach wenigen Stunden alles weg“, erklärt Manuela Köhne. Nicht nur aus dem HSK, auch aus weiter entfernten Gegenden wie dem Kreis Paderborn oder Büren fänden die Kleider in großer Zahl ihren Weg zur Bredelarer Börse.
Der Organisationsaufwand ist riesig, wie Evelyn Helle erklärt: „Die Börse ist von 12 bis 18 Uhr geöffnet, wir sind aber meistens nicht vor 22 Uhr zu Hause.“ Doch mit der jahrelangen Erfahrung sei das Team inzwischen routiniert, die Abläufe seien meist reibungslos: Von 8 bis 11 Uhr morgens werden die Kleider, die an dem Tag zum Verkauf stehen sollen, gegen eine Gebühr von 5 Euro entgegengenommen. Dazu müssen die Besitzerinnen detaillierte Formulare ausfüllen, mit genauen Angaben zu Stoff, Farbe, Größe und Schnitt, wann das Kleid zuvor getragen wurde und wo, zu welchem Preis es angeboten wird - eine bürokratische Herausforderung. Doch dieses Kontrollsystem ist wichtig, wie Manuela Köhne erklärt: Wenn ein Kleid nicht verkauft werde, müsse es sicher wieder in die Hände der zugehörigen Besitzerin wandern.
Für das Team bedeutet die Börse eine 14-Stunden-Schicht
Sind die Kleider vor Ort, werden sie von dem engagierten Team einsortiert und für den Verkauf vorbereitet. Und ab 12 Uhr sind die Türen geöffnet: „Dann stehen wir den Interessentinnen mit Rat, Tat und Hilfestellung zur Seite“, erzählt Evelyn Helle. In Umkleidekabinen können die Kleider anprobiert und vor großen Spiegeln begutachtet werden - auch ein roter Teppich für das richtige Ambiente dürfe dabei nicht fehlen: „Eine schöne und gemütliche Wohlfühlatmosphäre ist sehr wichtig.“ Eine professionelle Schneiderin sei ebenfalls vor Ort, um die Frauen zu beraten, Passformen und Größen einzuschätzen. Besonders wichtig für eine gelungene Anprobe: „Man sollte das Kleid immer mit den Schuhen anprobieren, die man bei dem Festanlass tragen wird.“
Ab 18 Uhr würden dann die Erlöse oder die verbliebenen Kleider von den Verkäuferinnen wieder abgeholt, die Kleiderstangen vom Team abgebaut und aufgeräumt. Erst gegen 21, oft auch erst 22 Uhr hat das Kleiderbörsenteam Feierabend, erschöpft von einem langen Tag. Doch bei den strahlenden Gesichtern der Frauen auf der Börse lohne sich die Mühe jedes Mal aufs Neue, erklärt Manuela Köhne: „Wir machen glückliche Menschen.“ Viele erhielten auf der Börse eine Chance auf ein Kleid, das sie sich zum Neupreis nicht leisten könnten. Und die Vorbesitzerinnen bekämen immerhin ein wenig Geld wieder raus, während die wunderschönen Kleider voller Stolz weiterhin getragen werden können - eine Win-Win-Win-Situation.