Hochsauerlandkreis/Marsberg. Stahlheim-Frontmann verbrennt Babypuppe und füttert Frau mit roher Leber: „Ich musste das Kotzen unterdrücken“, sagt eine Besucherin. Mit Video.
Die E-Gitarre dröhnt. Die Lichter flackern. Der Schlagzeuger spielt einen Beat, klatscht im Rythmus mit den Händen und animiert das Publikum zum Mitklatschen. Eine Sirene grölt. „Stahlheim“ auf der Bühne in Krefeld. Ein Video zeigt eine mitunter verstörende Showeinlage, in der der Frontmann der Sauerländer Band, Georg Rave-Loos, ein stilisiertes, riesiges Beil schwingt. Es kracht auf einem Tisch nieder, zerteilt rohe Leber. Blutspritzer leuchten in seinem Gesicht. Mit einer Hand packt er das Organ, geht wenige Schritte zum Bühnenrand und steckt es brutal in den Mund einer Frau, die dort in einem roten Latex-Kostüm mit Maske auf ihn wartet. Sie ist Teil der Show. Zweimal, dreimal stopft er die Leber in ihren Mund. Er animiert sie, die Hände zu einer bittenden Geste zusammenzulegen. Erst dann bekommt sie mehr. Rave-Loos grinst.
Zuschauerin in Krefeld findet sie Stahlheim-Show „Obszön“
Elke Meier*, eine Zuschauerin, hat das Video an die Westfalenpost gesendet. Sie möchte anonym bleiben, war aber Gast in der Krefelder Show.
Im persönlichen Gespräch mit der Westfalenpost schildert sie ihre Eindrücke von der Show. „Ich bin durch ein Konzert auf die Band aufmerksam geworden, Anfang des Jahres war das. Ich bin schon lange Rammsteinfan, habe mehrere Shows gesehen. Und die Musik von Stahlheim hat mir gut gefallen.“ Auf die Show in Krefeld hat sie sich gefreut, doch als Rave-Loos beginnt, die Leber zu zerteilen und zu verfüttern, kippt die Stimmung. „Ich war angewidert.“ Manche aus dem Zuschauerraum nehmen ebenfalls etwas von dem rohen Organ, essen es. Auch ein Mann neben Elke Meier. „Ich musste das Kotzen unterdrücken. Natürlich ist das mutig, aber grenzwertig. So ein rohes Ding zu zerhacken und zu verspeisen. Ich war wirklich geschockt.“ Auch ein roher Schweinefuß wird in die Luft gehalten.
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Die Show der Sauerländer Skandal-Band fasziniert
Elke Meier findet die Show obszön, widerlich. Und doch irgendwie faszinierend. „Als Künstler muss man vielleicht mittlerweile Dinge tun, die auffallen. Die Band gibt es noch nicht lange, aber sie machen viel um aufzufallen und die Publicity kann natürlich dafür sorgen, dass die Band durchbricht und Erfolg feiert.“ Verstörend fand Elke Meier allerdings auch die Schlussszene. Während des Konzerts hat die Frau auf der Bühne eine Puppe in der Hand. Sie verwöhnt und hätschelt die Babypuppe. Doch am Ende verbrennt Rave-Loos sie mit einem Flammenwerfer. „Ich habe zwei Mädchen beobachtet, die das anscheinend nicht gut fanden.“ Meist hätten die Zuschauer aber positiv reagiert, nur der ein oder andere habe mal angewidert geguckt, als die Leber auf dem Tisch gelandet sei.
„Ich musste das Kotzen unterdrücken. Natürlich ist das mutig, aber grenzwertig. So ein rohes Ding zu zerhacken und zu verspeisen. Ich war wirklich geschockt.“
Trotzdem würde Elke Meier wieder auf ein Konzert der Sauerländer Band gehen. „Vielleicht mit einer Augenbinde“, sagt sie lachend. „Oder ich stelle mich einfach weiter von der Bühne weg.“
Frontmann der Band Stahlheim bezieht Stellung
Georg Rave-Loos will die Musik in den Mittelpunkt stellen - seit jeher. Die Shows, die die Band um die Songs herum konzipiert, orientiert sich an den Inhalten und Textzeilen. „Wir wollen aufmerksam machen“, sagt er. So habe er die rohe Leber verteilt, um auf den Überkonsum und Lebensmittelverschwendung aufmerksam zu machen. „Wir gehen unter in unserem Konsum. Mit unserer Show wollen wir darauf aufmerksam machen, wie viele Lebensmittel weggeworfen werden und wie verschwenderisch wir damit umgehen.“ Er spricht von Expressionismus. Expressionismus, der die Zuschauer einbindet, „auch wenn es eklig ist.“ Es gehe darum, Menschen einen Spiegel vorzuhalten.
Rammstein-Frontmann Till Lindemann wirft Fische ins Publikum
Rave-Loos verweist auf den Rammstein-Sänger Till Lindemann. Der ist derzeit mit seinem Lindemann-Projekt in Amerika auf Tournee. Der 61-Jährige schmiss dort tote Fische ins Publikum. „Das ist vielleicht auch genretypisch zu erklären. Man spielt auch mit Absicht ein wenig Theater auf der Bühne.“
Warum verbrennt Frontmann von Stahlheim Puppe auf der Bühne?
In der letzten Szene auf der Bühne verbrennt Rave-Loos dann auch eine Babypuppe mit einem Flammenwerfer. „Das ist den Menschen vielleicht schwer vermittelbar, denn dieser Effekt bezieht sich auf den Song ‚Polyamor‘, in dem es um Pädophilie geht. Dieser ist aber Teil des noch nicht erschienenen Albums. Dafür muss man auf dem Konzert sein, um das zu verstehen.“ Er hat seine eigene Interpretation von dieser Szene, will aber den Zuschauern nichts vorwegnehmen. „Das soll jeder für sich interpretieren.“
Konzert mit „Weimar“ deutschlandweit kritisch diskutiert
Mit Gegenwind musste sich die Sauerländer Band schon mehrfach beschäftigen. So wurde im Mai Deutschlandweit über das gemeinsame Konzert mit der Band „Weimar“ kritisch diskutiert. Damals stellte sich Rave-Loos schützend vor die Band, jeder habe eine zweite Chance verdient, es gehe um die Musik. Trotz Demonstration habe man ein gutes Konzert gespielt, auch ein zweites Konzert vor rund 2800 Zuschauern sein gut gelaufen, wie Rave-Loos sagt. In Zukunft stehen weiter Konzerte an, am kommenden Freitag in der Rockfabrik Übach-Palenberg.
*Name der Redaktion bekannt
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