Lost Place in Brilon-Hoppecke: Ort mit blutiger Geschichte
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Brilon. Die Gebäude zerfallen. Im Wald verstecken sich die Reste alter „Bunker“. Die Geschichte dieses Orts bereitete vielen schlaflose Nächte.
Der Himmel ist bewölkt. Es herrscht Stille und nur das Rascheln der Blätter im Wind ist zu hören. Der Weg führt vorbei an verlassenen Häusern. Eingeschlagene Fenster und Glastüren. Ein zurückgelassenes Fahrrad neben einem Haufen alter Möbel. Die Pflanzen breiten sich wieder aus, holen sich langsam diesen Ort zurück. Kein Mensch ist zu sehen und dennoch haben sie ihre Spuren hinterlassen. Es handelt sich um einen sogenannten Lost Place, einen verlassenen Ort – mitten im Sauerland.
In einem kleinen abgelegenen Ortsteil von Hoppecke befindet er sich. Halb im Verfall, halb überwuchert. So kann man diesen Ort am besten beschreiben. Es handelt sich um eine alte Sprengstoff-Fabrik, die ihren Schatten über diesen Platz wirft. Ein paar Wohnhäuser befinden sich noch in der Nähe - viele davon ebenfalls leer.
Das Gelände der alten Fabrik-Anlage, ebenso wie viele der leerstehenden Wohnhäuser sind von wildem Grünwuchs umringt. Ein kleiner Pfad ist in diesen entstehenden Dschungel geschlagen. Zwei der Fabrik-Gebäude und einige Wohnhäuser sind noch teilweise in Nutzung. Doch auch bei den vermeintlich komplett verlassenen Gebäuden lassen sich Spuren erkennen, die wie Trampelpfade durch das frisch entstehende Dickicht wirken. Der Großteil der Ruinen steht jedoch leer – und vermittelt einen bisweilen unheimlichen Eindruck.
In den umliegenden Wäldern verstecken sich noch weitere Überbleibsel der Vergangenheit. „Alte Bunker“ nennen die Leute die Anlagen. Betontunnel, Erdanhäufungen und Gebäudereste. Es ist ein Ort, der an eine Geisterstadt erinnert. Es ist ein Ort, dem bis heute Nachwirkungen nachgesagt werden. Es ist ein Ort, der Fragen aufwirft. Danach warum er verlassen ist. Danach was hier passiert ist.
Die Suche nach Antworten
Dem Gebäude- und Liegenschaftsmanagement der Stadt Brilon zu Folge befinden sich sowohl die alten Fabrikanlagen als auch die Waldflächen mit den Stollen- und Bunkeranlagen in Privatbesitz. Daher kann auch das Ordnungsamt keine Aussagen über den Zustand der Anlagen machen. Dennoch wird vor einem Betreten aller Stollen- und Bunkeranlagen gewarnt. Das hält jedoch Urbexer - Menschen, deren Hobby es ist solche Orte zu erkunden - nicht davon ab einen Besuch abzustatten. In Internetforen gibt es zahlreiche Beiträge und Bilder zu dieser vergessenen Ecke des Sauerlands.
„„Als Kinder sind wir immer durch die Bunker durch – das waren unsere Spielanlagen““
Ein Anruf beim Ortsvorsteher Rudolf Kemmerling half dabei die Geschichte dieses Ortes weiter zu entschlüsseln. Über die genauen Hintergründe der Sprengstofffabrik konnte er nichts sagen. Er wusste jedoch noch von den „Bunkeranlagen“ im Wald. „Als Kinder sind wir immer durch die Bunker durch – das waren unsere Spielanlagen“, so Kemmerling. „Da ging man her und machte eine Mutprobe: Wer geht mal da rein?“ Damals seien es noch dunkle Gänge gewesen, die man mit Taschenlampen ausleuchten musste. Heute hingegen seien viele Eingänge eingestürzt oder verschüttet.
Kemmerling konnte noch auf die Ortschronik „Hoppecke – Geschichte unseres Dorfes“ verweisen. Informationen über die Fabrik sind in Band zwei zu finden. Das Buch wurde von der St. Hubertus-Schützenbruderschaft aus Hoppecke herausgegeben und von Leuten aus dem Dorf zusammengetragen. „Die sind in Archive bis nach Münster gefahren und haben nachgeforscht“, erzählt Kemmerling.
Laut Ortschronik kaufte der Justiz-Referendar Heinrich Jansen das Rittergut Hoppecke im Jahr 1901. Er wollte die Lage der Einwohner durch industrielle Ansiedlung verbessern und es entstand in den Folgejahren die Sprengstoff-Fabriken Hoppecke AG. Auf Hoppecke-Berg entstand eine Fabrik die als Schwester-Einrichtung einer gleichartigen in Würgendorf bei Burbach im Kreis Siegen diente. Als es in Würgendorf im Jahr 1911 zur Explosion und kompletten Zerstörung der Fabrik kam, wurde die Arbeit in Hoppecke voll hochgefahren.
Trauer, Tote und Trompeter
Weniger als ein Jahr später kam es auch in Hoppecke zur Katastrophe. Vier Arbeiter aus Bontkirchen starben. Die Einwohner flohen aus Hoppecke in die umliegenden Dörfer. Die Folge war, dass die Fabrik aufgegeben wurde – zumindest bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs. Während des Krieges gab es zwei weitere Explosionen. Arbeiter, Anwohner und Soldaten flohen erneut in umliegende Orte. Feuersbrünste wüteten in den Wäldern. Weithin erzählten sich die Leute Hoppecke wäre verschwunden. Doch jedes Mal wurde die Arbeit wieder aufgenommen.
Erst mit Kriegsende wurde sie eingestellt. Die Alliierten überwachten den Abbau der Anlagen und sprengten die in den Stollenanlagen gelagerte Munition. Die Aufräumarbeiten waren damals jedoch nicht gründlich genug. 1921 warnte Heinrich Jansen, der es bereits zum Landrat geschafft hatte, die Anwohner vor Gefahr und davor, nicht die verbliebenen Geschosse aufzusammeln. Mit dem in den Geschossen enthaltenen Sprengstoff wollten einige Leute nämlich ihre Felder düngen. Die Warnung war vergebens als am 14. September 1922 der 26-jährige Johann Bertz aus Hoppecke beim Hantieren mit einer Granate in die Luft flog.
Lost Place im Sauerland: Ein Ort mit blutiger Geschichte
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Die neuere Geschichte des Ortes hingegen ist weitgehend beeindruckend. Ein Teil der Fabrik-Anlage war zwischenzeitlich mal ein Lager für Möbel Osthoff. Ansonsten habe das Ganze nur als eine Backsteinruine dort gestanden, die höchstens mal als ein Motiv für ein Fotoshooting mit dem örtlichen Musikverein diente.
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