Brilon. Ende einer Ära: Achim und Beatrix Pohle schließen ihren Laden Pohle AP Quality. Warum trotz intensiver Suche niemand übernehmen will.
Ein bisschen ist es wie das Ende einer Ära. Oder ein gutes Beispiel, wie der Einzelhandel sich verändert: Achim Pohle, Inhaber von Pohle AP Quality dem Schuhreparatur- und Schlüsseldienst in Brilon, hört auf. Seine Frau Beatrix und er gehen gemeinsam in den Ruhestand. Mit einem wehmütigen Gefühl, nicht nur wegen der zahlreichen Stammkunden, die sie vermissen werden, sondern auch, weil es trotz intensiver Suche keinen Nachfolger gibt der bereit wäre, das Geschäft weiter zu führen.
Seit 1999 bietet Pohle AP Quality Schuhreparaturen in Brilon an
1999 hat Achim Pohle seinen Laden eröffnet. Vor allem, weil er sesshaft werden wollte, wie er erzählt. „Ich war viel unterwegs, manchmal auch erst um 10 Uhr abends daheim.“ Das will er nicht mehr, also sucht und findet er den kleinen Laden an der Königstraße in Brilon. Er repariert dort jahrelang Schuhe aller Art und bietet den Schlüsseldienst an. Später erweitert er sein Angebot mit Messern, bei ihm gibt es Koch- oder Jagdmesser. Hightech-Taschenlampen oder Stirnlampen verkauft er ebenfalls. Pokale und Schmuck graviert er für seine Kunden mit Namen oder Daten. Als einer der ersten in NRW richtet er eine Hermes-Annahmestelle ein. „Ich hab mir gedacht, dass ich so neue Kunden finden kann.“
Das Briloner Ehepaar erlebt viele Veränderungen im Einzelhandel
Über all die Jahre erlebt Achim Pohle mit seiner Frau Beatrix, die schon früh in den Laden einsteigt, viel Veränderung im Einzelhandel. Vor Ort, als die Post schließt und die Laufkundschaft in der Königstraße von einem auf den anderen Tag weniger wird. Aber auch strukturell verändert sich einiges. Zwar hat sich das Ehepaar einen Stamm an Kunden aufgebaut, die immer wieder und regelmäßig den Weg in ihr Geschäft finden. Allerdings sorgt vor allem die Pandemie dafür, dass sich das Schuhgeschäft wandelt. „Es gibt kaum noch gute Schuhe bei denen sich eine Reparatur lohnt. Vor allem durch die Globalisierung werden immer öfter Schuhe im Ausland produziert und egal ob ein Markenname darauf steht oder nicht, oft sind diese Schuhe nicht gut verarbeitet oder sogar verklebt. Eine Reparatur ist da nicht mehr sinnvoll.“ Dementsprechend werden die Reparaturdienste oder gar Schuhmacher immer seltener. Manche Kunden haben den Weg aus Olsberg oder Bestwig auf sich genommen, um ihre Schuhe bei Beatrix und Achim Pohle abzugeben. „Einer der Kunden hatte Tränen in den Augen, als ich ihm gesagt habe, dass wir schließen“, sagt Pohle.
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Intensive Nachfolgersuche für Briloner Geschäft bleibt ohne Erfolg
Tatsächlich hat der Briloner alles getan, um einen Nachfolger für sein Geschäft zu finden. „Wir haben uns sehr bemüht“, sagt er. Er habe die IHK kontaktiert, seinen Laden im Netz über ein Portal des Wirtschaftsministeriums angeboten und sogar einige Leute angesprochen. Niemand hat sich gefunden. „Ich hätte es am liebsten übergeben. Auch, weil wir eine so besondere Beziehung zu unseren Kunden haben.“ Beatrix Pohle bekräftigt: „Wir wollen uns auch bei unseren langjährigen Kunden bedanken, wir erfahren wirklich viel Dankbarkeit und Anerkennung.“ Zum 31. Oktober also ist Schluss, ab sofort beginnt der Räumungsverkauf.
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Christian Leiße aus Brilon kann Enttäuschung verstehen
Die Enttäuschung von Achim Pohle, keinen Nachfolger für seinen Laden gefunden zu haben, kann Christian Leiße verstehen, denn der Gedanke daran treibt auch ihn um. Er ist nicht nur Gewerbevereinsvorsitzender sondern betreibt auch die Damen- und Herrenausstatter-Filialen unter seinem Namen in Willingen, Winterberg und Brilon. „Für uns Einzelhändler in Brilon, die wir über 50 oder 60 Jahre alt sind, ist der Gedanke sehr präsent: Wie übergeben wir unser Geschäft, dass wir Jahrzehnte aufgebaut haben?“ Viele jüngere Menschen seien nicht mehr bereit, einen kleinen Laden in der Innenstadt zu übernehmen. Das mag mit dem Ertrag zu tun haben sowie dem Wissen, in der Selbstständigkeit für die Krankenversicherung oder die Altersvorsorge selbst zuständig zu sein. Größtenteils, so schätzt es Christian Leiße ein, liegt der Grund in der Suche nach mehr Work-Life-Balance. „Die jüngere Generation ist nicht bereit, sechs Tage die Woche zu arbeiten oder auch am Samstag im Laden zu stehen. Viele schreckt das Arbeiten am Wochenende ab, dabei ist das oft der wichtigste Tag für den Einzelhandel.“
„Die jüngere Generation ist nicht bereit, sechs Tage die Woche zu arbeiten oder auch am Samstag im Laden zu stehen.“
Einzelhandel ist kaum mit Work-Life-Balance zu vereinbaren
Das Streben nach mehr Freizeit ist kaum mit dem Einzelhandelsdasein in Einklang zu bringen. „Der Wunsch nach Freiheit spielt aber eine große Rolle in der Entscheidung, welchen Beruf man ergreift. Die Übernahme eines Einzelhandels-Geschäftes ist für viele dann leider nicht attraktiv und bei Pohle kommt dann noch die handwerkliche Qualifikation dazu. Ich kann Herrn Pohles Enttäuschung, dass es nicht weitergeht, sehr gut verstehen.“ Leiße weist darauf hin, dass es früher noch vollkommen normal gewesen sei, den Betrieb weiterzuführen, den eine Familie gegründet und aufgebaut hat. Mittlerweile ist das selten geworden. „Das ist auch eine große strukturelle Veränderung“, so Leiße mit Blick auf die Gesellschaft.
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