Brilon/Scharfenberg. Markus Müller war Industriemechaniker und ist heute Hebamme. Weshalb er diesen radikalen Schnitt machte und wie Frauen jetzt auf ihn reagieren.
Markus, männlich, der Hebamme – das Erstaunen ist meistens groß, wenn Markus Müller sich und seinen Beruf vorstellt. Denn auch heute noch ist Hebamme ein absolut typischer Frauenberuf, den nur sehr wenige Männer ausüben. Gemeinsam mit seiner Frau Susanne, die ebenfalls Hebamme ist, arbeitet Markus Müller in der „Nona“ Hebammen-Praxisgemeinschaft in Scharfenberg.
Praxis-Gemeinschaft
Seit Eröffnung der Praxis 2020 hat sich das alte Pfarrhaus wieder mit Leben gefüllt. Susanna Müller hatte vor vier Jahren gemeinsam mit ihrer Kollegin Angelika Weimann die eröffnet. Doch die lebt inzwischen in Lennestadt, heißt Angelika Welticke und arbeitet dort freiberuflich als Hebamme. Deshalb freut Susanna Müller sich, dass ihr Mann seit Januar 2023 mit eigenen Kunden selbstständig freiberuflich als Hebamme in der Praxisgemeinschaft tätig ist. Jeder der beiden hat seine eigenen Praxisräume in dem großzügigen ehemaligen Herrenhaus der Adelsfamilie von Weichs.
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Beide Ehepartner lieben den Hebammen-Beruf
Markus Müller erzählt, wie es kam, dass er vom Industriemechaniker- und Meister zu „Der Hebamme“ wurde: „Als ich nach der Geburt unserer jüngsten Tochter in Elternzeit war, hat meine Frau eine Ausbildung zur Hebamme absolviert. Das fand ich sehr spannend und so ist die Idee gereift, auch in diese Richtung zu gehen. Irgendwann habe ich im Freundeskreis aus einer Bierlaune heraus in die Rund gefragt: Was haltet Ihr davon, wenn ich auch Hebamme werden? Eine Freundin sagt spontan, das könnte sie sich gut vorstellen. Das hat mich bestärkt und so habe ich mich beworben und tatsächlich eine Zusage für die Ausbildung bekommen. Heute kann ich nur sagen, dass das eine sehr gute Entscheidung war, diesen Weg zu gehen. Ich habe alles richtig gemacht.“
„Die Chemie muss stimmen. Dann ist es egal, ob die Hebamme weiblich oder männlich ist.“
Anfängliche Zweifel
Natürlich habe er selbst anfangs viele Zweifel gehabt, räumt Markus Müller ein. Viele Fragen seien ihm durch den Kopf gegangen: Wie kommst Du als Mann in diesem Beruf an? Wollen die Frauen von einer männlichen Hebamme begleitet werden? Doch inzwischen habe er festgestellt, dass die meisten Frauen überhaupt keine Vorbehalte haben und sich teilweise sogar ganz bewusst für einen Mann entscheiden. Er hat die Erfahrung gemacht: „Die Chemie muss stimmen. Dann ist es egal, ob die Hebamme weiblich oder männlich ist.“
Keine Entbindungen
Nicht nur beruflich, sondern auch privat bringen die Müllers jede Menge Erfahrung rund um Elternschaft, Geburt und Familie in ihre Arbeit ein: Das Ehepaar hat sieben Kinder im Alter von 6 bis 21 Jahren. „Fünf Mädchen und zwei Jungs. Fünf leben noch bei uns zu Hause“, erzählt Susanna Müller. Die Familie wohnt in Arnsberg/Müschede – das Einzugsgebiet der Hebammen-Praxis ist entsprechend groß und umfasst Brilon, Meschede, Arnsberg, Sundern und Umgebung. Beide Hebammen begleiten werdende Eltern während der Schwangerschaft und im Wochenbett, machen auch Hausbesuche, führen aber keine Entbindungen durch.
Kursangebote
In der „Nona“ Hebammen-Praxisgemeinschaft gibt es verschiedene Kursangebote. Susanna Müller bietet Geburtsvorbereitungskurse, Schwangerschaftsbewegungskurse ab der 12. Woche, Baby-Massage und Wochenbett-Sprechstunden an. Ab Herbst 2025 möchte sie auch spezielle Yoga-Kurse für Schwangere in ihre Kurs-Angebot aufnehmen. Markus Müller bietet Rückbildungs-Kurse, Krabbel-Gruppen und Stillcafé und einmal monatlich ein „Still-BBQ“ im Garten in Scharfenberg an. Geplant ist außerdem ein Babypflegekurse und ab 2026 Rückbildungs-Yoga.
Ab Herbst Ferienunterkünfte
Ursprünglich war die Idee, das große, 300 Jahre alte Gebäude auch als Geburtshaus zu nutzen und Übernachtungsmöglichkeiten für die Eltern und auf Wunsch für die ganze Familie anzubieten. Doch diesen Plan haben die Müllers inzwischen aufgegeben. Susanna Müller erzählt, dass dies nur mit Hilfe von weiteren Hebammen zu schaffen gewesen wäre. „Wir haben aber leider keine Kolleginnen oder Kollegen gefunden, die mit uns Geburten anbieten wollten. Viele schreckt ab, dass man dann rund um die Uhr präsent sein muss und auch die sehr teure Haftpflichtversicherung ist ein Problem“, erklärt die 44-Jährige.
„„Wir haben leider keine Kolleginnen oder Kollegen gefunden, die mit uns Geburten anbieten wollten. Viele schreckt ab, dass man dann rund um die Uhr präsent sein muss und auch die sehr teure Haftpflichtversicherung ist ein Problem.““
Garten mit Grillhütte, Whirlpool und Sauna
Doch jetzt gibt es eine neue Idee, wie die großzügigen Räumlichkeiten künftig genutzt werden sollen. Getrennt von den Praxis-Räumen wollen Susanna und Markus Müller Ferienunterkünfte für Gruppen von bis zu 22 Personen anbieten. Dafür haben sie mit viel Eigenleistung und Liebe zum Detail vier Schlaf-Appartements mit jeweils eigenem Bad/WC in den oberen Räumen geschaffen. Unten gibt es Wohnzimmer, Esszimmer und Küche als Gemeinschaftsräume. Und auch das riesige Gartengrundstück können die Gäste nutzen. Unter anderem gibt es dort eine Grill-Kota, eine Holzgarten-Hütte, in der gegrillt werden kann. Entspannen können die Feriengäste außerdem beim Besuch der Garten-Sauna oder im Whirlpool. „Wir haben uns und unser gesamtes Angebot jetzt kürzlich bei einem Tag der offenen Tür vorgestellt. Die Resonanz war sehr positiv“, freut sich Susanna Müller. Starten möchte sie mit der Vermietung im Herbst dieses Jahres.