Winterberg. Grundsteuerreform in NRW könnte zu unterschiedlichen Hebesätzen für Wohn- und Geschäftsimmobilien führen. Das Vorhaben wird stark kritisiert.
Die Grundsteuerreform könnte das Wohnen auch in Winterberg verteuern. NRW will das durch eine landeseigene Lösung verhindern. Das im Landtag mit Stimmen von CDU und Grünen verabschiedete Gesetz sieht vor, dass Städte und Gemeinden künftig statt eines einheitlichen Hebesatzes auch unterschiedliche Hebesätze für Wohn- und Geschäftsimmobilien für die Berechnung der Grundsteuer festlegen dürfen. Mit der Differenzierung will das Land eine übermäßige Belastung von Eigentümern von Wohnimmobilien vermeiden. Die Kommunen können die Option nutzen, müssen es aber nicht. Sie können auch weiterhin einen einheitlichen Hebesatz für Grundstücke festlegen. Das Land führt als Argument für differenzierte Hebesätze die regionalen Unterschiede in NRW an.
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Kritik an den Grundsteuerplänen
Viele Kommunen kritisieren die schwarz-grünen Grundsteuerpläne massiv. Der Städtetag NRW begrüßte zwar die Empfehlungen des Landes für aufkommensneutrale Hebesätze als „erste vorläufige Orientierung“. Die vom Land vorgeschlagenen differenzierten Hebesätze für Geschäfts- und Wohngrundstücke lehnte der Verband aber weiter ab. „Sie sind kein rechtssicheres Instrument, um die Lastenverschiebung hin zu Wohngrundstücken zu verhindern“, sagte Geschäftsführer Helmut Dedy. Auch der Städte- und Gemeindebund NRW äußerte sich kritisch: „Wenn das Land diese Aufgabe auf uns abwälzt, stehen die Hebesätze jedes Jahr aufs Neue in den Räten zur Diskussion“, sagte Präsident Christoph Landscheidt.
Der Bund der Steuerzahler NRW forderte die Kommunen auf, sich an den aufkommensneutralen Musterhebesätzen des Landes zu orientieren. „Die Grundsteuerreform darf nicht dazu führen, dass die Kommunen höhere Einnahmen erzielen als zuvor.“ Die Grundsteuer ist mit einem Aufkommen von rund vier Milliarden Euro neben der Gewerbesteuer die wichtigste Einnahmequelle der Kommunen, mit der sie etwa Schulen, Kindergärten, Straßen und Spielplätze finanzieren.
Forderungen und Bedenken der Kommunen
Sollten die Pläne der Landesregierung umgesetzt werden, würde der Hebesatz der Grundsteuer A sinken, aber die Einnahme der Kommune würde gleich bleiben, erklärt die Pressesprecherin der Stadt Winterberg, Rabea Kappen. Bei der Grundsteuer B soll die Möglichkeit geschaffen werden, differenzierte Hebesätze anwenden zu können. Die Stadt Winterberg könnte dann den Hebesatz für Wohngrundstücke, also Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke und Wohnungseigentum, ungefähr gleich lassen. Der Hebesatz für Nichtwohngrundstücke, also Geschäftsgrundstücke, gemischt genutzt Grundstücke, Teileigentum, sowie bebaute Grundstücke und unbebaute Grundstücke, müssten dann deutlich erhöht werden. „Unser Ziel bleibt es aber, dass wir keine Grundsteuererhöhung über die Hintertür umzusetzen. Wir verfolgen das Ziel der sogenannten Aufkommensneutralität“, sagt die Pressesprecherin.
Kappen gibt sich gegenüber den Plänen skeptisch: Aufgrund des späten Zeitpunkts sei es mehr als fraglich, ob die Umsetzung der differenzierten Hebesätze überhaupt noch zum ersten Januar 2025 erfolgen könne. „Bei dem einheitlichen Hebesatz werden Wohngebäude deutlich stärker belastet und Nichtwohngebäude stark entlastet. Die Verantwortung würde das Land den Kommunen aufbürden, da diese in der Umsetzungspflicht wären“, erklärt sie.
Sollte die Hebesatzdifferenzierung kommen, sei die rechtssichere Umsetzung der Grundsteuerreform durch die Kommunen mehr als fraglich. Hier bestehen zum einen erhebliche verfassungsrechtliche Risiken und zum anderen scheint eine operative Umsetzung aufgrund des Verwaltungsaufwandes sehr schwierig. Aus unserer Sicht wäre es sinnvoll, die Entlastung der Wohngrundstücke durch Anpassung der Grundsteuermesszahlen landeseinheitlich wie zum Beispiel in Sachsen oder im Saarland zu regeln.
„Wir werden nun gemeinsam mit dem Rat beraten und eine Entscheidung im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger treffen, um am Ende die gleichen Einnahmen im Bereich der Grundsteuer zu erzielen, wie das aktuell der Fall ist. Nicht mehr, allerdings auch nicht weniger, das ist meine Haltung dazu. Auch wenn ich dazu angesichts der aktuellen Entwicklungen seitens des Landes die Faust in der Tasche balle.“
Landesweite Regelung und Verantwortung
„Das Land NRW könnte hier immer noch eine landesweite Regelung schaffen und damit zu einer echten Entlastung der kommunalen Verwaltungen schaffen. Sollte die Ankündigung aber so umgesetzt werden, wird der Schwarzer Peter vom Land zu den Kommunen geschoben, wenn es darum geht Wohn- und Nichtwohngebäude ausgleichend zu behandeln. Wir werden nun gemeinsam mit dem Rat beraten und eine Entscheidung im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger treffen, um am Ende die gleichen Einnahmen im Bereich der Grundsteuer zu erzielen, wie das aktuell der Fall ist. Nicht mehr, allerdings auch nicht weniger, das ist meine Haltung dazu. Auch wenn ich dazu angesichts der aktuellen Entwicklungen seitens des Landes die Faust in der Tasche balle,“ so Bürgermeister Beckmann
Sobald die Entscheidung im Landtag gefallen sei, ob differenzierte Hebesätze möglich sind, müsste die Politik entscheiden, ob eine Differenzierung der Hebesätze oder zur Aufkommensneutralität erfolge oder ob es einen aufkommensneutralen Hebesatz in gleicher Höhe für Wohn- und Nichtwohngrundstücke geben soll. In der politischen Beratung würden allen Berechnungen der Hebesätze unter dem Blickwinkel der Aufkommensneutralität vorgenommen. Des Weiteren soll die Belastungsverschiebung zwischen Wohn- und Nichtwohngrundstücken so gering wie möglich gehalten werden.
Die rechtlichen Bedenken der kommunalen Spitzenverbände würden seitens der Stadt Winterberg uneingeschränkt geteilt. Eine Widerspruchs- und Klagewelle droht in 396 Städten- und Gemeinden in NRW. „Wir Kommune müssen jedes Jahr bei der Differenzierung hinreichend verfassungsrechtliche Rechtfertigungsgründe für die Beschlüsse über die Höhe der Hebesätze darlegen. Das wird kaum bis gar nicht möglich sein. Der Rechtsweg wir bei den neu festgelegten Hebesätzen immer wieder aufs Neue geöffnet. Das wird zu einer erheblichen Mehrbelastung für die die Kommunen führen“, erklärt Sprecherin Kappen.
Mit Material von dpa