Hochsauerland. Obdachlosigkeit im Sauerland: Welche Hilfen bieten die Städte an? Wo findet ein mittelloser Durchreisender ein Bett für eine Nacht?
Der Mann sieht müde aus. Durchaus gepflegt, aber erschöpft. Er meldet sich an der Ausleihe einer Stadtbücherei und fragt höflich an, ob man ihm weiterhelfen könne. Er suche irgendwo in der Stadt die Möglichkeit, für eine Nacht in Ruhe und Sicherheit zu schlafen. Und eine Dusche – das wäre das Tüpfelchen auf dem „i“. Geld habe er nicht. Und seine ganze Lebensgeschichte zu erzählen, würde jetzt zu weit führen. Kann dem Mann geholfen werden? Die Bücherei kennt sich aus und kann Auskunft geben. Könnte das ein Passant auf der Straße auch?
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Es gibt viele Gründe dafür, warum Menschen auf der Straße leben. Laut Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe sind in Deutschland rund 600.000 Menschen wohnungslos; davon leben etwa 50.000 ganz ohne Unterkunft auf der Straße. Zum Verständnis: Als wohnungslos werden alle Menschen bezeichnet, die über keinen mietvertraglich abgesicherten oder eigenen Wohnraum verfügen. Als obdachlos gelten diejenigen, die vorübergehend bei Verwandten oder Bekannten untergekommen sind, in Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege oder in kommunalen Einrichtungen leben. Stand Januar 2023 lebten im HSK 1575 untergebrachte, wohnungslose Personen (davon 845 Männer und 730 Frauen); nur 85 hatten die deutsche Staatsbürgerschaft. Die meisten (685) waren im Alter zwischen 25 und 50 Jahren.
„Bei schlechter Witterung ist der Aufenthalt auch tagsüber möglich. In der Unterkunft kann maximal zwei bis drei Tage übernachtet werden.“
Das Sauerland einerseits ist nicht gerade das Paradies für Menschen, die für eine Nacht ein Dach über dem Kopf suchen – Touristen ausgenommen. Die Möglichkeiten der kostenlosen Unterbringung sind eher überschaubar. Andererseits gibt es aber auch nicht so viele Menschen, die so ein Angebot suchen? Die Stadt Brilon hat eine Obdachlosenunterkunft für „Durchreisende“ in der Grimmestraße 49. Wer dort übernachten will, muss sich um 17 Uhr an der Unterkunft einfinden. Diese wird dann vom Hausmeister geöffnet und morgens um 8 Uhr wieder geschlossen. Die Stadt: „Bei schlechter Witterung ist der Aufenthalt auch tagsüber möglich. In der Unterkunft kann maximal zwei bis drei Tage übernachtet werden.“ Laut Verwaltung übernachten im Durchschnitt drei bis fünf Personen pro Monat in dieser Unterkunft.
Für alle Städte gilt: Bei der jeweiligen Kommune (Abteilung für Sozialangelegenheiten) können nachweislich Obdachlose einen Tagessatz von 18,77 Euro beantragen. „Nachweislich obdachlos“ bedeutet: „Hat jemand keine Wohnung und ist dementsprechend obdachlos, muss er sich beim Einwohnermeldeamt wohnungslos melden. Dann wird im Personalausweis eingetragen, dass die Person ohne festen Wohnsitz ist. So kann ein Obdachloser seine Obdachlosigkeit durch den Personalausweis nachweisen“, so die Stadt Brilon auf Nachfrage.
„Keine öffentliche Schafstätte“ in Marsberg
Auf Nachfrage bei den sechs Altkreiskommunen antwortet die Stadt Marsberg, dass ihr Ordnungsamt für Obdachlosen-Angelegenheiten zuständig sei, „da eine Obdachlosigkeit nach allgemeiner Auffassung eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ darstelle. Die Stadt unterhält zu deren Unterbringung eine Notunterkunft. „Diese ist jedoch keine öffentliche Schlafstätte. In dieses Quartier werden nur Personen vom Ordnungsamt eingewiesen, wenn diese mit eigenen Mitteln keine Möglichkeit haben, eine andere Unterkunft zu finden.“ Eine Unterbringung in der Obdachlosen-Notunterkunft sei zudem nur vorübergehend, um die betroffenen Personen vor den Gefahren zu schützen, welche eine Obdachlosigkeit mit sich bringe. Pro Jahr sprechen in Marsberg durchschnittlich acht bis zehn Personen vor und melden sich obdachlos, so die Stadt.
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„Im Bereich der Stadt Olsberg gibt es keine Übernachtungsmöglichkeit für Menschen ohne festen Wohnsitz“, teilt der Sprecher der Stadt, Jörg Fröhling, mit. Auch er verweist auf die gesetzlich geregelte finanzielle Unterstützung für solche Menschen und auf den sogenannten Tagessatz. Die bereits genannten 18,77 Euro errechnen sich aus dem monatlichen Regelbedarf für Alleinstehende in Höhe von 563 Euro. Diese Summe geteilt durch 30 Monatstage ergibt besagte 18,77 Euro. Fröhling: „Dass Menschen ohne festen Wohnsitz diesen Tagessatz in Anspruch nehmen, kommt immer mal wieder für gewisse Zeiträume vor. Es sind Menschen, die sich dann offenbar eine Zeitlang im Stadtgebiet aufhalten und dann in andere Kommunen weiterreisen. Das sind aber immer nur einige wenige Fälle.“
Dabei, so Fröhling weiter, handele es sich ja auch nicht im engeren Sinne um Menschen ohne festen Wohnsitz. „Die Erfahrung zeigt, dass diese Menschen meist diese Lebensweise auch gar nicht ändern wollen – aus welcher Motivation auch immer. In Meschede gibt es eine obdachlos lebende Frau, die jegliche Hilfe – meist sogar sehr barsch – ablehnt. Diese Menschen holen sich dann ihren Tagessatz ab und haben auch gar keine anderen Erwartungen an eine Stadtverwaltung.“
Ordnungs- bzw. Sozialamt ist zuständig
In Medebach und Winterberg können sich obdachlose Personen, die auf der Durchreise sind, während der Öffnungszeiten des Rathauses an das Ordnungs- bzw. Sozialamt wenden. Dieter Harbeke aus Medebach: „Von dort wird versucht, jeweils eine individuelle Lösung für die obdachlose Person zu finden. Eine Vorsprache von Obdachlosen, die auf der Durchreise sind, kommt selten vor und bildet eher die Ausnahme. Auch in Hallenberg können sich Obdachlose an das Ordnungsamt wenden. „Grundsätzlich hält die Stadt eine Unterkunft in Modulbauweise vor, die im Notfall als vorübergehende Notunterkunft zur Verfügung gestellt werden kann“, so Steffi Emde von der Stadt. Allerdings gebe es nur selten solche Anfragen, so dass im Einzelfall versucht werde, „individuelle Lösungen zum Wohl der hilfesuchenden Personen zu finden“.
Anlaufstelle Pfarrhaus
Anlaufstellen für Durchreisende sind oft auch die jeweiligen Pfarrhäuser der Gemeinden. Pfarrerin Antje Jäkel von der Evangelischen Kirchengemeinde Brilon: „Nach einer Schlafgelegenheit hat noch niemand gefragt. Bei uns kommen hauptsächlich Geldanfragen. Wir würden die Person dann aber vermutlich weiterleiten. Ich würde bei der Stadt nachfragen, denn hier gibt es ja ein Obdachlosenheim.“ Das bestätigt auch Sandra Wamers, Sprecherin des Caritasverbandes in Brilon: „Wir als Caritas bieten keine Schlafstätte an. Aber es gibt eine Einrichtung für Menschen in Not ohne Obdach bei der Stadt.“