Medebach. Charlotte aus Medebach kämpft mit einem künstlichen Herzen um ihr Leben. Sie hofft nun auf eine Transplantation. Ihre Geschichte berührt.
Die Spendenaktion auf der Online-Plattform „GoFundMe“ geht gerade durch die Decke. Binnen einer Woche sind mehr als 32.000 Euro zusammengekommen. Das Geld ist für Charlotte. Das schwer kranke, neun Jahre alte Mädchen lebt inzwischen mit einem künstlichen Herzen. Freunde und Bekannte der Familie haben die Aktion gestartet, um all die Mehrkosten abzufedern, die durch eine schwere Krankheit entstehen. Gesundheit kann man mit dem Geld leider nicht erkaufen. Die Eltern Sonja (42) und Michael (41) Kunz gehen mit der Geschichte ihrer Tochter primär aus einem anderen Grund an die Öffentlichkeit. Sie möchten dafür werben, dass sich jeder von uns intensiv mit dem Thema Organspende beschäftigt. Denn Charlotte braucht ein neues Herz - ein echtes.
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Am 14. April 2015 erblickt Charlotte als zweites Kind von Sonja und Michael Kunz das Licht der Welt. Doch schon vorher hält sie ihre Eltern aufgrund einer besonderen Diagnose auf Trab. In der 13. Schwangerschaftswoche entdecken die Ärzte/Ärztinnen im Ultraschall eine vergrößerte Nackenfalte und eine „zweite Haut“. In einer Klinik in Köln wird den werdenden Eltern mitgeteilt, dass der Verdacht auf einen Herzfehler besteht: das sogenannte hypoplastische Rechtsherzsyndrom. Eine Fruchtwasseruntersuchung zeigt, dass Charlotte ansonsten gesund sei. Für die werdenden Eltern bedeutete das aber schon vor der Geburt regelmäßige Kontrollen in Köln und die bange Frage: Wie mag es nach der Geburt weitergehen? „Man hat uns gesagt: Zwei, drei OPs und danach kann sie ein ganz normales Leben führen und durchaus 75, 80 Jahre alt werden“, sagt Sonja Kunz. Aber es kommt anders.
Auf der „GoFundMe“-Internetseite (hier) ist das weitere Schicksal des kleinen Mädchens sehr detailliert beschrieben: Nach seiner Geburt wird das Kind direkt auf die Intensivstation verlegt und durch eine natürliche Verengung ihrer Lungenschlagader bleibt ihr die erste große OP erspart. Aber im Oktober 2015 kommt dann der erste große Eingriff am offenen Herzen. Da sich bei Charlotte viel Flüssigkeit um die Lunge ansammelt, wird sie auf eine fettfreie Ernährung umgestellt, die sie bis heute einhalten muss.
Viele Aufs und Abs
Leider bilden sich ständig Wasseransammlungen, weshalb das Mädchen immer wieder Herzkatheter-Untersuchungen braucht. Zehn sind es bis heute. Einige davon sind nötig für die genaue Diagnostik, andere haben der Kleinen das eine oder andere Mal auch das Leben gerettet, weil immer wieder schwere Komplikationen auftreten. „Charlotte hat sich nach vielen Rückschlägen immer wieder berappelt und kann 2021 mit Hilfe einer Integrationskraft, die sie im Schulalltag unterstützt, auch eingeschult werden. Leider sie in ihrem jungen Leben schon viele Aufs und Abs erlebt. Zu ihrem eigentlichen schweren Herzfehler kommen im Laufe der Jahre viele Nebenbaustellen dazu“, schreibt Kathrin Nolten auf der Online-Plattform. Sie und weitere Eltern aus Medebach haben die Aktion ins Leben gerufen.
„Wir haben die Geschichte in allen sozialen Netzwerken geteilt und verbreitet. Die Spendenbereitschaft und die Dynamik der ganzen Aktion hat uns schon überrascht.“ Anfangs habe man das Spendenziel nach oben korrigiert. „Aber das können und wollen wir nicht alle drei Tage machen. Wir belassen es bei den 30.000 Euro und je mehr zusammenkommt, desto besser“, sagt sie. Binnen sechs Tagen waren es am Donnerstag Mittag schon 32.074 Euro von 636 Spendern/innen.
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Zustand hat sich drastisch verschlechtert
Leider hat sich Charlottes Zustand in diesem Jahr drastisch verschlechtert. Eine Lungenentzündung nimmt ihr fast all ihre Kraft und sie schafft es im Frühjahr gerade noch, ihre Erstkommunion zu feiern. Danach muss das Mädchen wieder in die Klinik und es gibt eigentlich nur noch zwei Wege, um sie zu retten: Ein künstliches Herz – das sogenannte Berlin Heart - oder eine palliative Versorgung, bei der ihr die Ärzte noch ein gutes halbes Jahr zu leben gegeben hätten…
Organspende und Hilfe
Das Thema Organspende nimmt aktuell wieder Fahrt auf, weil politisch über die Widerspruchsregelung entschieden werden soll, wonach jeder automatisch Organspender ist, wenn er dem nicht widerspricht.
In Deutschland dürfen Organe nur mit der ausdrücklichen Einwilligung der Spenderin oder des Spenders entnommen werden. Mit einem formlosen Schreiben oder einem Eintrag in der Patientenverfügung kann man seine Spendenbereitschaft erklären. Eine weitere Möglichkeit ist ein Organspendeausweis, der ins Portemonnaie passt und im Notfall schnell Klarheit schafft, ob man Organspenderin oder -spender ist.
Seit Mitte März 2024 ist es zudem möglich, sich in ein digitales Organspende-Register einzutragen. Es macht keinen Sinn, die Spendenbereitschaft im Testament festzuhalten. Bis es eröffnet wird, vergeht meistens zu viel Zeit. Eine Organspende ist dann nicht mehr möglich.
Zur „GoFundMe“-Spendenaktion gelangt man über www.gofundme.com und das Suchwort „Hilfe für Charlotte“.
Charlottes Eltern haben sich für das künstliche Herz entscheiden. Das Gerät ist so groß wie ein mittelgroßer Koffer, den man dank einer Akkuladung vor sich herschiebt oder hinter sich herzieht. Michael Kunz erklärt: „Vorher hatte Charlotte nur eine Herzkammer, die Linke. Die funktioniert auch weiterhin. Die rechte Seite war im Prinzip eine Schlauchverbindung ohne Pumpe. Jetzt ersetzt das Berlin Heart die rechte Herzkammer, mit einer ordentlichen Pumpleistung.“ Die Maschinen-Lösung bedeutet aber auch, dass Charlotte im Krankenhaus bleiben muss - fernab ihrer gewohnten sozialen Kontakte. Die Maschine soll sie stabilisieren, damit sie eine Herztransplantation überleben kann. Wenn – ja, wenn sich denn ein passendes Organ findet. Der Eingriff im Mai dieses Jahres für das künstliche Herz dauert fast 12 Stunden. Die Kleine wird danach eine Woche ins künstliche Koma gelegt, damit sich ihr Körper an die neue Situation gewöhnen kann.
Jeden Wunsch von den Lippen ablesen
„Wir möchten Spenden für Charlotte sammeln, damit man ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen und ein finanzielles Polster schaffen kann, da immer Mehrkosten entstehen, wenn man schwer krank ist, die nicht von der Kasse getragen werden. Wir würden uns freuen, wenn sich uns viele anschließen, um Charlotte finanziell und gedanklich unterstützen. Lieben Dank sagen die Mütter aus der 3. Klasse“, heißt es in dem GoFundMe-Aufruf.
Charlottes Mutter Sonja Kunz ist seit der OP jeden Tag bei ihrer Tochter in Bad Oeynhausen. Dort wohnt sie im Ronald McDonald Haus. Bis zu zwölf Familien mit schwer kranken Kindern können dort in wohnlicher Atmosphäre Unterkunft finden. Ihr Mann und der 16 Jahre alte Sohn sind die Woche über in Medebach. „Solange Charlotte kein neues Herz bekommt, muss sie hier im Krankenhaus bleiben. Die Gefahr, dass das Kunstherz aussetzen könnte, ist trotz mehrfacher technischer Absicherung zu groß.“ Wenn sie wieder etwas besser bei Kräften ist, kommt das Mädchen auf die Liste derer, die ein Spenderorgan benötigen. Wie lange das dauert? „Ich habe hier Familien kennengelernt, bei denen es drei Monate gedauert hat. Es gibt aber auch welche, die zwei Jahre darauf warten.“
Charlotte konnte zwar nie wie ein kerngesundes Kind über Tische und Bänke springen, aber ihre Freunde und Freundinnen aus der Schule fehlen ihr sehr. Und natürlich ihre Boxerhündin „Jil“, die das Mädchen aus Gründen des Infektionsschutzes nicht besuchen darf. Nur durch die Scheibe kann sie ihr zuwinken. Neulich war der ältere Bruder stark verschnupft und durfte seine Schwester daher drei Wochen lang nicht besuchen. Sonja Kunz: „Solange sich kein Spenderorgan findet, muss sie hier im Krankenhaus bleiben.“ Es gilt das Prinzip Hoffnung...