Berlin. Attraktive Menschen profitieren im Job und auch in anderen Lebensbereichen von ihrem Aussehen. Ein Experte erklärt den unfairen Effekt.
Im Filmklassiker „Natürlich Blond“ aus dem Jahr 2001 spielt Reese Witherspoon die hübsche Blondine Elle Woods. Woods ist beliebt, reich und bekommt in ihrem Leben lange Zeit einfach alles, was sie sich so wünscht. Kein Zufall, sagt Attraktivitätsforscher und Soziologe Ulrich Rosar und erklärt: „Attraktive Menschen haben es im Leben leichter.“
Das gilt nicht nur für die Handlung in Hollywoodproduktionen, sondern auch für das reale Leben. „Pretty Privilege“ heißt das Phänomen. Soziologe Rosar bezeichnet damit den „systematischen Wettbewerbsvorteil, den attraktive Menschen aufgrund ihres Aussehens gegenüber ihren weniger ansehnlichen Zeitgenossen und Zeitgenossinnen haben“.
Schon im Säuglingsalter fängt die Bevorzugung an
Fast schon erschreckend sei es, wie sehr sich Attraktivität auf jegliche Lebensbereiche auswirke. „Das geht schon in der Wiege los“, sagt Rosar. Je hübscher und niedlicher der Säugling, desto mehr Zeit werde in körperliche Zuwendung statt in die reine Versorgung investiert. Im Kindergarten setze sich das fort: „Attraktive Kinder haben größere Freundeskreise, stehen häufiger im Zentrum ihrer Gruppe, bekommen positivere Entwicklungsprognosen“, so der Experte. In der Schule bekämen sie bessere Noten, bessere Empfehlungen beim Übergang in die Sekundarstufe – „und das schleppt sich bis in die berufliche Karriere fort“, so Rosar. Nebenbei seien sie zufriedener mit ihrem Leben, hätten mehr soziale Beziehungen, Selbstbewusstsein – und auch Geld, betont der Experte.
Eine Umfragereihe in Deutschland habe gezeigt, dass es gravierende Einkommensunterschiede zwischen attraktiven und unattraktiveren Menschen gebe. Modellrechnungen hätten dabei Unterschiede von rund 400.000 Euro offenbart – „der Betrag für ein Reihenhaus, das muss man sich mal vorstellen“, so der Forscher.
Gestützt wird die Erkenntnis des Soziologen von der Studie „Does it pay to be beautiful?“ (übersetzt: Zahlt es sich aus, schön zu sein?). Demnach verdienen attraktivere Menschen rund 15 Prozent mehr als andere. Der Gehaltsunterschied zwischen den Personengruppen ist damit noch einmal deutlich größer als der sogenannte Gender Pay Gap, der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen.
Karrierebooster Schönheit: „Attraktive Menschen steigen schneller auf“
Eine Studie aus dem Jahr 2021 zeigt außerdem, dass Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen häufiger attraktive Menschen einstellen als unattraktive. So bekommt auch „Natürlich Blond“-Protagonistin Elle Woods, die sich für ein Bewerbungsvideo statt einer schriftlichen Bewerbung entscheidet, schließlich einen Platz an der juristischen Fakultät in Harvard – obwohl es offensichtlich höher qualifizierte Bewerber und Bewerberinnen gegeben hätte.
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„Sind diese Menschen dann erst mal eingestellt, bekommen sie oft bessere Leistungsbeurteilungen“, sagt Rosar und stellt klar: Das gehe mit Diskriminierung von weniger attraktiven Menschen einher. Der Attraktivitätsforscher appelliert deshalb an Arbeitgeber, Politik und die wählende Bevölkerung, sich nicht von Schönheit blenden zu lassen.
Diskriminierung entgegenwirken: Experte setzt auf anonymisierte Bewerbungsverfahren
Er selbst setze bei Personalentscheidungen auf anonymisierte Einstellungsverfahren mit geschwärzten Angaben zu Geschlecht, Herkunft oder Alter. „Diesen Aufwand sollte man nicht nur betreiben, um die Diskriminierung bei Bewerbenden zu verhindern, sondern weil man ja auch selbst die bestmögliche Person für den Job will“, so der 56-Jährige.
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Doch woran liegt es, dass schöne Menschen bevorzugt und unattraktivere diskriminiert werden? In der Forschung werde dieses Phänomen „Attraktivitätsstereotyp“ genannt, sagt Rosar. Der zentrale Mechanismus dahinter: Das Schöne wird mit dem Guten gleichgesetzt. „Innerhalb von Millisekunden schreibt unser Gehirn attraktiven Menschen ganz intuitiv auch positive Persönlichkeitseigenschaften zu“, erklärt der Experte.
Und auch der Aufmerksamkeitseffekt spiele eine Rolle: „Der beschreibt, dass wir unsere Aufmerksamkeit eher auf attraktive Menschen richten. Wir betrachten sie intensiver und können uns später auch an das, was sie gesagt und getan haben, besser erinnern“, so Rosar und warnt: „Besonders in Vorstellungsgesprächen ist eben genau das wichtig.“
Attraktive Menschen häufiger von Sexismus betroffen
Doch es gibt auch die Kehrseite der so verlockenden Medaille, die attraktive Menschen offenbar um ihren Hals tragen: Studien zufolge werden ihnen, egal ob männlich oder weiblich, häufiger geschlechterstereotypische Eigenschaften zugeschrieben als unattraktiven. Einfach gesagt: Sie sind häufiger von Sexismus betroffen.
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Für attraktive Frauen gelte zum Beispiel besonders oft: „Wenn sie sich für männerdominierte Bereiche bewerben, traut man ihnen gewisse Eigenschaften nicht zu“, erklärt Rosar. „Im Top-Management wären das dann zum Beispiel die Fähigkeiten, schnell Entscheidungen zu treffen, keine Gnade zu zeigen und ähnliches“, so der Experte weiter. So muss sich auch Elle Woods, als sie sich dafür entscheidet, Jura zu studieren, gegen unzählige Vorurteile behaupten und es sich erkämpfen, ernst genommen zu werden.
Obwohl also oft gar nicht zutreffend, gelten attraktivere Frauen dann als besonders emotional, einfühlsam und kompromissorientiert – Eigenschaften, die in einem solchen Bewerbungsverfahren eher nachteilig sein könnten. Auch hier helfe nur: Aufklärungsarbeit. Rosar: „Die Menschen müssen sich diese Form der Diskriminierung einfach bewusst machen – sowohl für unattraktive als auch für attraktive Personen.“
Was Elle Woods angeht: Die junge Frau besteht schließlich ihr Examen mit Bravour und arbeitet fortan als erfolgreiche Anwältin – allen Vorurteilen zum Trotz und – wohl auch – dem Pretty Privilege sei Dank.