Berlin. Stillen und Alkohol vertragen sich nicht gut. Aber wie sieht es mit Cannabis aus? Ein US-Forscherteam zieht ein überraschendes Fazit.

Um zu verhindern, dass ein Baby Alkohol über die Muttermilch aufnimmt, kann nach einem Gläschen Sekt oder Bier die nächste Stillmahlzeit einfach abgepumpt und weggeschüttet werden. Dieses Vorgehen ist unter dem Namen „Pump and Dump“ bekannt. Doch wie sieht es mit dem Konsum von Cannabis aus? Eine neue Studie der Washington State University liefert interessante Erkenntnisse.

Cannabis: Auch bei stillenden Müttern eine beliebte Droge

Cannabis ist mit einer Konsumprävalenz von 8,8 Prozent unter Erwachsenen nach wie vor die weltweit am häufigsten konsumierte illegale Substanz. Im Jahr 2021 haben laut Statista schätzungsweise 276 Millionen Menschen mindestens einmal Cannabis konsumiert.

Zu dieser Gruppe gehören laut mehreren US-Studien auch stillende Mütter. Sie sollen die Cannabinoide, die Hauptbestandteile der Cannabispflanze, als alternative Behandlung für häufige postnatale Probleme wie Angstzustände und chronische Schmerzen nutzen. Spätestens seit der Cannabis-Legalisierung in Deutschland ist auch hierzulande ein ähnlicher Trend unter Müttern vorstellbar.

Der Trend unter stillenden Müttern veranlasste eine Forschungsgruppe der Washington State University unter der Leitung von Courtney Meehan zu untersuchen, wie lange Cannabinoide wie THC in der Muttermilch überdauern.

Forscher zeigen: Cannabis-Inhaltsstoffe gelangen in die Muttermilch

Da die Forschung während der Schwangerschaft und Stillzeit aus ethischen und Sicherheitsgründen eingeschränkt ist, untersuchten Courtney Meehan und ihr Team nur eine kleine Stichprobe – die Muttermilch von 20 Frauen, die in unterschiedlichen Zeitabständen Cannabis konsumiert hatten. Alle Teilnehmerinnen hatten Säuglinge unter sechs Monaten und wiesen unterschiedliche Erfahrungen mit Cannabis auf: Einige hatten bereits vor dem Experiment regelmäßig Cannabis konsumiert, andere hatten noch keine Erfahrung mit der Droge gemacht.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Muttermilch noch 12 Stunden nach dem letzten Cannabiskonsum messbare Mengen an THC enthielt. Zum Vergleich: Alkohol wird vom Körper mit einer Geschwindigkeit von 0,1 Promille pro Stunde abgebaut. Ein Glas Wein ist nach den bisherigen Studienergebnissen bereits nach etwa zwei Stunden nicht mehr in der Muttermilch nachweisbar.

Eine der Hauptsorgen von Frauen, die während des Stillens Marihuana konsumieren, sind die Auswirkungen auf die Gesundheit ihres Babys.
Eine der Hauptsorgen von Frauen, die während des Stillens Marihuana konsumieren, sind die Auswirkungen auf die Gesundheit ihres Babys. © InsideCreativeHouse - stock.adobe.com | stock adobe com

Der Grund für die lange Wirkung von THC in der Muttermilch liegt laut Meehan in der Konsistenz der Cannabinoide, die fettlöslich sind. Das bedeute, dass jede Art von Milch, auch Muttermilch, ein hervorragendes Vehikel sei, an das sich THC binden könne. „Das könnte bedeuten, dass Cannabinoide wie THC dazu neigen, sich in der Milch anzureichern – und möglicherweise auch in den Säuglingen, die sie trinken“, wird Meehan in einem Bericht der Universität zitiert.

Die Studie zeigte auch, dass es im Gegensatz zu Alkohol keinen einheitlichen Zeitpunkt gab, zu dem die THC-Konzentration in der Milch ihren Höhepunkt erreichte und danach wieder abnahm. Bei Teilnehmerinnen, die während der Studie nur einmal Cannabis konsumiert hatten, erreichte die THC-Konzentration in der Muttermilch etwa 30 Minuten bis 2½ Stunden nach dem Konsum ihren Höhepunkt und begann dann wieder abzufallen. Im Gegensatz dazu wiesen Teilnehmerinnen, die mehrmals Cannabis konsumiert hatten, im Laufe des Tages stetig steigende THC-Konzentrationen auf.

Auch die Auswirkungen von Cannabis während der Stillzeit sind noch nicht sehr gut erforscht. Einige wenige Langzeitstudien weisen jedoch unter anderem auf Störungen der kognitiven Funktionen hin, die sich in Impulsivität, Lerndefiziten oder Aufmerksamkeitsstörungen äußern können. Aus diesem Grund sei in diesem Bereich noch viel „rigorose Forschung nötig, damit Mütter wissen, was das Beste für sie ist“, so Koautorin Shelley McGuire.