Berlin. Nach der Legalisierung hat sich die Ampel wohl auf Grenzwerte im Straßenverkehr geeinigt. Doch Experten warnen vor falschen Illusionen.
Nach Feierabend mit den Kolleginnen und Kollegen ein Bier getrunken? In Deutschland kein Problem, denn die Promillegrenze von 0,5 lässt ausreichend Spielraum für die nach Hause. Mit der von der Ampelregierung vorangetriebenen Legalisierung von Cannabis könnte jedoch ein weiteres Rauschmittel zur Alltagsdroge werden. Das Gesetz aus dem Ministerium von Karl Lauterbach erlaubt den Konsum und Anbau in bestimmten Mengen. Laut „Table.Media“ hat sich die Ampel nun auch auf einen neuen Grenzwert für den Konsum am Steuer geeiningt. Was in Zukunft gelten wird: ein Überblick.
Wie gefährlich ist der Cannabis-Konsum im Straßenverkehr?
„Der Genuss von Cannabis geht immer auf Wirkung, also auf Rausch“, so Fastenmeier. In diesem Fall verändere sich die Wahrnehmung, etwa beim Geschmack oder von Farben. Gleichzeitig komme es aber zu unerwünschten Effekten – etwa einer Beeinträchtigung der Konzentrationsfähigkeit, der Psychomotorik und des Denkens. Der Rausch könne zu Apathie, Müdigkeit oder niedrigem Blutdruck führen.
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„Mit Blick auf andere Länder zeigt sich, dass die Verkehrssicherheit nicht erhöhen wird“, so der Verkehrsexperte. Das Fahren unter Cannabiseinfluss sei extrem gefährlich, da der Bewusstseinszustand die Fahreignung generell enorm beeinträchtige, warnt die Verkehrssicherheitsexpertin Fani Zaneta vom TÜV-Verband. Sowohl Rauschfahrten unter dem Einfluss von Cannabis als auch Trunkenheitsfahrten gehören laut TÜV zu den gefährlichsten Vergehen im Straßenverkehr. Folglich befürchtet Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul drastische Auswirkungen auf den Straßenverkehr: „Ich erwarte fatale Auswirkungen der Legalisierung auf die Unfallzahlen“, sagte der CDU-Politiker dieser Redaktion.
Welche Grenzwerte gelten für den Cannabiskonsum?
Mit Inkrafttreten des Cannabisgesetzes wurde zwar der Besitz und der private Anbau legalisiert, die Regelung für Verkehrsteilnehmer ist jedoch die alte. „Aktuell gilt rechtlich ein Verbot von Cannabis im Straßenverkehr“, sagte Michael Mertens, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), dieser Redaktion. Praktisch ergebe sich aus der Nachweisgrenze der Tests ein Grenzwert von einem Nanogramm THC je Milliliter Blutserum. Laut Verkehrssicherheitsrat drohen bei Missachtung mindestens 500 Euro Bußgeld, zwei Punkte und ein Monat Fahrverbot.
Wie wird THC in einer Verkehrskontrolle nachgewiesen?
In einer Verkehrskontrolle erwartet Autofahrer nach einem Anfangsverdacht nicht nur das Pusten in den Alkoholtester. Cannabis und andere Rauschmittel könnten mit einem Schnelltest nachgewiesen werden, heißt es von der GdP. „Natürlich ist ein Urintest aufwändiger, aber beim Speicheltest ist der Unterschied zur Atemalkoholkontrolle nicht groß“, so Mertens. „Im Zweifelsfall erfolgt der Nachweis über eine Blutprobe.“
Verkehrspsychologe Wolfgang Fastenmeier warnt davor, Alkohol mit Cannabis zu vergleichen. Ersteres werde konstant in relativ kurzer Zeit abgebaut. Cannabis hingegen habe eine sehr schnelle Anflutungsphase, baue sich im Anschluss innerhalb weniger Stunden ab und sei sehr lange nachweisbar. „Die unmittelbare Wirkung kann acht oder mehr Stunden andauern, weswegen zwischen Autofahren und Genuss mindestens eine Pause von zwölf Stunden liegen muss“, so der Verkehrsexperte.
Es könne auch noch nach zwei Wochen passieren, dass in einer Verkehrskontrolle der erlaubte Grenzwert von einem Nanogramm überschritten werde. „Ich kann auch nur davor warnen, zu versuchen, sich an Grenzwerte heranzutasten“, sagt deshalb GdP-Chef Mertens.
Kommt jetzt ein neuer Grenzwert für Cannabis?
Das Verkehrsministerium hatte zunächst eine Expertenkommission damit beauftragt, einen neuen Grenzwert zu finden. Diese schlägt eine maximale Konzentration von 3,5 Nanogramm je Milliliter Blutserum vor. Beim Erreichen sei „nach aktuellem Stand der Wissenschaft eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeuges nicht fernliegend“, heißt es aus dem Verkehrsministerium. Experten halten den vorgeschlagenen Grenzwert für einen „konservativen Ansatz, der vom Risiko vergleichbar sei mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille.“
Laut „Table.Media“ hat sich die Bundesregierung entschlossen, die Empfehlungen der Exprtenkomission zu übernehmen. Wer allerdings mit mehr als 3,5 Nanogramm erwischt wird, dem droht eine Geldstrafe bis zu 3500 Euro.
Kann man einen Grenzwert überhaupt definieren?
Es bestehen jedoch Zweifel, ob ein solcher Grenzwert überhaupt definiert werden kann. „Das ist das Grundproblem bei Cannabis: Wir haben keine etablierte Dosis-Wirkungsbeziehung“, so Verkehrspsychologe Fastenmeier. Bei Menschen könne der Konsum von Cannabis unterschiedlich wirken. Bislang hätten Studien und Unfallanalysen nicht belegen können, wie sich die beeinträchtigende Wirkung von Cannabis auf das Fahrverhalten im Straßenverkehr auswirken.
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„Deswegen kann es eigentlich auch keinen Grenzwert geben“, so Fastenmeier, der den Wert der Expertenkommission für politisch gesetzt hält. „Dass die Expertenkommission 3,5 Nanogramm mit 0,2 Promille Alkohol gleichsetzt, ist lachhaft.“ Auch TÜV-Expertin Zaneta hält unterschiedliche Regeln bei Cannabis und Alkohol im Straßenverkehr für gerechtfertigt.
Was passiert bei Mischkonsum?
Mischkonsum bedeutet in diesem Fall, dass Cannabis und Alkohol gleichzeitig konsumiert werden. „Wir wissen, dass Cannabis und Alkohol zusammen die Unfallgefahr erhöhen, schon niedrige Alkoholdosen verstärken die Wirkungseffekte“, sagt Kirstin Zeidler, Leiterin der Unfallforschung der Versicherer. Bei jedem zweiten tödlichen Drogenunfall 2022 sei auch Alkohol im Spiel gewesen. Detlef Müller, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender, sieht hier Handlungsbedarf: „Auch die Empfehlung der Kommission, inwieweit ein absolutes Alkoholverbot bei Cannabiskonsum insbesondere bis zum 21. Lebensjahr gelten soll, diskutieren wir“, sagte er dieser Redaktion. Nach Angaben von „Table.Media“ hat sich die Bundesregierung darauf verständigt, Michkonsum zu verbieten.
Was fordern Kritiker des vorgeschlagenen Grenzwertes?
Für die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag ist der vorgeschlagene Grenzwert keine Alternative zum Status quo. „Unserer Ansicht nach wäre es wichtig gewesen, wenigstens bei der jetzigen Regelung mit 1 ng/ml Blutserum zu bleiben“, sagte Thomas Bareiß, verkehrspolitischer Sprecher, dieser Redaktion. Der vorgeschlagene Grenzwert entspräche einer Verdreifachung, die die Verkehssicherheit nachhaltig verschlechtern würde. „Inzwischen wird deutlich, die Cannabislegalisierung zugunsten einer kleinen Gruppe ist der Ampel wichtiger als die Verkehrssicherheit und Menschenleben“, so der CDU-Politiker.
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Der TÜV appelliert, die derzeit geltende Regelung von einem Nanogramm beizubehalten. „Die geplante Schaffung eines Grenzwerts in Höhe von 3,5 ng/ml THC im Blutserum bei Cannabiskonsum im Straßenverkehr lehnen wir ab“, so Zaneta. Ein neuer THC-Grenzwert sende die falsche Botschaft – dass es tolerierbar sei, unter gewissem Drogeneinfluss Auto zu fahren. Auch die GdP setzt auf Vorsicht: „Ein möglichst niedriger Grenzwert läuft weniger Gefahr, die Verkehrssicherheit zu gefährden als ein hoher“, sagte Mertens.
Was gilt für Fahranfänger und Berufskraftfahrer?
Besonderes Augenmerk werfen Kritiker auf die Gruppe der Fahranfänger und Berufskraftfahrer. „Für die Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmenden brauchen wir eine Nulltoleranz bei Cannabis für Fahranfängerinnen und Fahranfänger, für das Führen von Gefahrguttransporten und im gewerblichen Personenverkehr“, sagte Manfred Wirsch, Präsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrates. Gleiches gilt derzeit für den Genuss von Alkohol bei Fahranfängern. SPD-Fraktionsvize Müller hofft, dass Cannabis im Dienst für Fahrpersonal im öffentlichen Verkehr mit Bussen, Bahnen und Straßenbahnen verboten bleibt.
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