Berlin. Die Rente ist für viele ein Einschnitt im Leben. Für Beziehungen kann sie herausfordernd sein. Eine Expertin rät, was Sie tun können.
Sabine Heinrichs* schneidet Tomaten, während Heiner im Hintergrund den Tisch deckt. Heiner* ist 70 Jahre alt und damit zwölf Jahre älter als Sabine. Dafür, dass die beiden sich erst seit einigen Monaten kennen, sind sie ein bemerkenswert eingespieltes Paar. Das zeigt sich vor allem in ihrem gemeinsamen Kochkurs. Sabine und Heiner führen allerdings keine klassische Beziehung. Denn Sabine ist eigentlich mit Rüdiger* zusammen.
„Ich habe mich zum Kochkurs angemeldet, als mein Mann aufgehört hat zu arbeiten“, sagt Sabine. Die 58-Jährige ist seit über 30 Jahren mit Rüdiger verheiratet, den sie in ihrem ersten Job als Versicherungskauffrau kennenlernte. Damals war Rüdiger, ein IT-Unternehmer, Kunde ihrer Firma. Wenig später bandelten die beiden miteinander an und heirateten. Nach der Geburt ihrer drei Kinder gab Sabine den Beruf auf.
Als Hausfrau war es Sabine gewohnt, den ganzen Tag über ihr Ding zu machen, bis abends ihr Mann, meistens recht spät, von der Arbeit nach Hause kam. Vor einem Jahr aber hat Rüdiger seine Firma verkauft. Mit Anfang 60 wollte er mehr Zeit für sich haben, um die schönen Dinge des Lebens genießen zu können. Für die Partnerschaft begann eine anstrengende Zeit.
Rente: Beziehungsprobleme können zunehmen
Wenn ein Partner oder eine Partnerin ins Rentenalter kommt, treten oft Beziehungsprobleme an die Oberfläche, von denen vorher nichts zu sehen war. „Die erste und meiner Ansicht nach größere Herausforderung einer Paarbeziehung ist, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Da verlagert sich die Konstellation von Familie auf Paar“, sagt Beziehungsexpertin Kathrin Buser. Mit dem Renteneintritt könnten die Probleme weiter zunehmen. Die Tage, die Paare vorher getrennt verbracht hätten, müssten jetzt mit Inhalt gefüllt, organisiert und geplant werden.
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So wie bei Sabine und Rüdiger Heinrichs: „Mich hat es gestört, dass Rüdiger jetzt ständig zu Hause war und seine Sachen überall im Haus verteilte“, sagt Sabine. Die 58-Jährige hatte das Gefühl, ihrem Mann nur noch hinterherzuputzen und dabei noch „beobachtet“ zu werden. In den über 30 Jahren ihrer Ehe hatte es immer einen festen Tagesablauf gegeben. Jetzt waren da morgendliche Lethargie, Chaos, ein Gemütszustand zwischen Hilflosigkeit und Überforderung.
„Rüdiger ist mir überall hinterhergefolgt wie ein Dackel. Das hat mich verrückt gemacht“, sagt Sabine, die permanent mit einem schlechten Gewissen zu kämpfen hatte. Kümmerte sie sich vielleicht zu wenig um ihren Mann, der jahrelang, ohne zu klagen, zur Arbeit verschwunden war? Sollte sie ihm jetzt, wo er endlich im Ruhestand war, nicht mehr von „ihrer“ Zeit schenken? Aber wie sollte sie dann noch ihren eigenen Aufgaben nachkommen – waschen, kochen, putzen, den Garten pflegen, den Hund versorgen, einkaufen –, ohne das Gefühl zu haben, etwas liegen zu lassen?
Partnerschaft: Oft liegt es an fehlender Kommunikation
„Spätestens jetzt sollte das Paar innehalten und sich fragen: Was ist unsere gemeinsame Absicht? Wie wollen wir diesen neuen Lebensabschnitt gestalten?“, rät Kathrin Buser. Der Expertin zufolge führt nicht die klassische Rollenverteilung zu Problemen, sondern vielmehr die fehlende Kommunikation. Damit Beziehungen funktionieren, müssten Wünsche und Pläne offen geäußert werden.
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„Ich habe Rüdiger gesagt, dass wir beide unsere eigenen Bereiche brauchen, damit das funktioniert“, sagt Sabine. Sie mache den Haushalt, ihr Mann übernehme Dinge wie Einkaufen und Gartenarbeit. Auf diese Art hätten beide weiterhin Aufgaben, für die sie Wertschätzung bekämen.
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„Wenn sich die Karriere verändert, weil man sich entscheidet, für die Kinder da sein zu wollen, und dafür den Job aufgibt oder weil man in Rente geht, bleibt Anerkennung in Form von Geld und gesellschaftlichem Zuspruch aus“, sagt Buser. In einer erfüllten Partnerschaft bestehe die Kunst darin, den Wert des Beitrags des Partners, ob finanzielle Einkünfte, Kindererziehung oder Haushalt, in gleichem Maße wertzuschätzen, ganz gleich, was die Gesellschaft suggeriere.
Die eigenen Bedürfnisse herausfinden und benennen
Auch Rüdiger machte die fehlende Anerkennung, die er als Unternehmer vorher bekam, zu schaffen. „Ich habe meinem Mann vorgeschlagen, dass wir uns jeweils ein Hobby suchen sollten“, sagt die 58-Jährige mit einem Augenzwinkern. „Seitdem koche ich einmal die Woche mit Heiner, und Rüdiger spielt an zwei Abenden die Woche Tennis.“
„Für die akute Umstellung kann es tatsächlich hilfreich sein, sich jeweils seinen eigenen Bereich zu erschaffen, zum Beispiel durch ein neues Hobby“, sagt Kathrin Buser. Auch eine Umverteilung von Aufgaben und Tätigkeiten im Haushalt könne dabei helfen. Grundsätzlich sei es wichtig, die eigenen Bedürfnisse herauszufinden und zu benennen. So hätten beide Partner etwas, das ihnen Freude bereitet und von dem sie dem anderen im Anschluss erzählen könnten.
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Ändern sich die Lebensumstände, wie durch den Eintritt ins Rentenalter, gibt eine neue Struktur Halt. Hat man es erst einmal geschafft, diese im Alltag zu adaptieren, stehen die Chancen gut, dass sich das Eheleben auch im zweiten Lebensabschnitt in vollen Zügen genießen lässt.
„Die Ehe im Rentenalter gelingt, wenn das Paar die Beziehung davor schon aktiv gepflegt hat“, sagt Buser. Dazu gehöre, dass Partner sich gegenseitig in ihren Vorhaben unterstützen und offen über ihre Bedürfnisse, Bedenken, Wünsche und Grenzen sprechen, sich achten und schätzen würden.
*Namen auf Wunsch der Protagonisten von der Redaktion geändert
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