Dortmund. Versklavung, Verfolgung, Bürgerrechte: Eine Ausstellung erklärt auch, warum der Vater von „Tim und Struppi“ Kolonialismus verherrlichte.

Ist Micky Maus rassistisch? Darf man schwarze Menschen mit großen Lippen zeichnen? Sollte man Tim und Struppi noch lesen, obwohl das Abenteuer „Tim im Kongo“ den Kolonialgeist verherrlichte? Es steckt eine Menge Zündstoff in der Ausstellung „Black Comics – Vom Kolonialismus zum Black Panther“, die jetzt im Dortmunder Schauraum Comic + Cartoon einen Blick auf Verschleppung, Versklavung und Völkermord im Comic richtet. Kuratiert wurde sie wieder vom Comicexperten Alexander Braun, der viele Originale zusammengetragen hat.

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Es ist weit mehr als die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung in den USA, die hier in den Fokus rückt, aber natürlich spielt auch die Biografie von Martin Luther King gleich zweimal eine Rolle: So zeichnete der Italiener Attilio Micheluzzi schon 1982 die Lebensgeschichte, nicht ohne Kings Zusammentreffen mit Willy Brandt darzustellen, was eine scheinbar weit entfernte Geschichte in unerwartete bundesrepublikanische Nähe rückt. Übertroffen wurde dieses Werk jedoch 1993, als Ho Che Anderson mit der Graphic-Novel „King“ nicht nur die äußeren, sondern auch die inneren Konflikte der Bürgerrechtsbewegung offenlegte – und dem oft überhöht dargestellten Freiheitskämpfer sehr nahekommt, indem sie auch seine privaten Krisen und Affären beleuchtet.

Ausstellung Black Comics in Dortmund Black Lives
Ein Blick in die Ausstellung Black Comics. © Stadt Dortmund | Stadt Dortmund

Zu den bekanntesten Figuren der Ausstellung zählt zweifellos der „Black Panther“: Jener erste schwarze Marvel-Held, den Jack Kirby ungefähr zu jener Zeit erfand, als der schwarzen Bevölkerung in den USA erstmals die vollständige Gleichberechtigung zugesprochen wurde. Damit demonstrierte der Superhelden-Verlag erstmals, dass ihm die schwarze Bevölkerung am Herzen lag – und ganz nebenbei erschloss sich eine ganz neue Lesergruppe. Als 50 Jahre nach den ersten Comics endlich die längst überfällige Verfilmung des „Black Panther“ in die Kinos kam, ließ sich nicht nur an drei Oscars ablesen, wie bedeutsam das Thema ist. Der Film steht auf Platz 15 der weltweit erfolgreichsten Filme aller Zeiten – und das, obwohl auch hier viele schwarze Stereotype transportiert werden.

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Der Dark Knight, wie ihn kaum jemand kennt: Ein schwarzer Batman aus dem Comic „Ich bin Batman“ von Panini Comics. © DC Comics | DC Comics

Der Black Panther blieb nicht allein, ihm folgten andere Helden wie „Luke Cage – Hero For Hire“ oder Falcon. Und die Verlage bemühten sich um mehr Vielfalt, so gibt es mehrfach den schwarzen Batman, einen schwarzen Aquaman – und mit Miles Morales schlüpfte auch ein afro-latino-amerikanischer Junge ins Kostüm von Spider Man.

Warum war Hergé in einem Comic mit Tim und Struppi Befürworter des Kolonialismus?

Eine kritische Einordnung findet Alexander Braun für „Tim im Kongo“, eine Jugendsünde des Tim-und-Struppi-Schöpfers Hergé, der 1930 im Alter von 23 Jahren „den überheblichen Geist des Kolonialismus“ propagierte, wie es im Begleittext zu den Bildern heißt. Der bildungsfern aufgewachsene Hergé ließ sich damals von seinem Redakteur beeinflussen, der sowohl faschistischem Gedankengut frönte als auch die Missionsarbeit in Belgisch Kongo unterstützen wollte. Hergé wusste es zu dieser Zeit nicht besser, in einer späteren Fassung entfernte er die Verweise auf die Kolonialherrschaft.

Hat dieses verwerfliche Werk dennoch etwas Gutes bewirkt? Tatsächlich ist es so: Die Ausstellung führt an, dass heute etwa 50 Prozent der afrikanischen Comic-Künstlerinnen und -Künstler aus dem Kongo stammen. „Trotz aller unschönen kolonialistischen und rassistischen Untertöne des Albums ist das Identifikationspotenzial und der Stolz darauf, dass einer der berühmtesten Comic-Helden der Welt ausgerechnet den Kongo mit einem Abenteuer beehrte, größer“, schreibt Braun.

Ist die Micky Maus eigentlich rassistisch?

Auch die 2015 von einem kanadischen Filmwissenschaftler aufgeworfene Frage, ob Micky Maus rassistisch sei, kann Braun beantworten. Auch wenn Micky Maus schwarz ist und weiße Handschuhe trägt, so wie es oft Blackface-Minstrel-Darsteller taten, lässt sich durch die Entstehung des Charakters im Schwarzweißfilm viel schlüssiger erklären, also durch einen rassistischen Hintergrund. Sogar ein Film, in dem Micky eine Minstrel-Show darstellt belegt das, weil dort alle rassistischen Untertöne von Buhrufen begleitet wurden.

Ist es erlaubt, schwarze Menschen mit großen Lippen zu zeichnen?

Und die Frage nach den großen Lippen? Beantwortet Braun weise: Es kommt auf den Zusammenhang an. Denn auch wenn die Darstellung großer Lippen oft als rassistisches Klischee eingesetzt wurde, sind die ausgeprägteren Lippenformen andererseits eine Tatsache. Ein „Downgrading“ der Lippen wäre folglich „Bodyshaming“. Braun schließt: „Große Lippen“ sind völlig normal und toll!“

Die Ausstellung umfasst so viele weitere Facetten des schwarzen Comics, so dass man oft verblüfft vor den Bildern und ihren Erklärungen steht. Und sich wundert, warum das Thema nicht viel früher mit einer eigenen Ausstellung bedacht wurde.

„Black Comics – Vom Kolonialismus zum Black Panther“, Schauraum Comic + Cartoon, Max-von-der-Grün-Platz 7, Dortmund, di-so 11-18 Uhr, donnerstags und freitags bis 20 Uhr. Eintritt frei. Öffentliche Führungen: sonntags 13-14 Uhr (3 Euro). www.dortmund.de/comic. Der Katalog zu „Black Comics“ von Alexander Braun erscheint im Januar bei Panini, 304 Seiten, 49 Euro.