Oberhausen. In einem seiner seltenen Interviews spricht Walter Moers über „Das Einhörnchen, das rückwärts leben wollte“ und Pläne zum Moerseum in Oberhausen.

Fantastische Geschichten über fliegende Ubufanten und abstürzende Blaufell-Lemmingen: Walter Moers taucht mit dem neuen Zamonien-Buch „Das Einhörnchen, das rückwärts leben wollte“ in die Welt der „Flabeln“ ein, das heißt, er erzählt teils irrwitzige Fabeln zum Lachen. Wir führten per E-Mail eines der seltenen Interviews mit dem öffentlichkeitsscheuen Bestsellerautor, dem bald in Oberhausen eine Ausstellung gewidmet ist.

Lieber Walter Moers, die Fabel ist als Literaturgattung zwar zeitlos, aber auch so aus der Mode geraten, dass es in den letzten 100 Jahren nur wenige nennenswerte neue Beiträge gegeben hat. War das ein Anreiz für Sie, die Mythenmetz’schen „Flabeln“ als Übersetzer in Angriff zu nehmen, eben als „Lachfabel“?

Moers: Ja, genau. In den meisten klassischen Fabeln gibt es für unser modernes Humorverständnis ziemlich wenig zu lachen. In den Flabeln von Mythenmetz ist die Humordichte eher hoch.

Obwohl die „Flabeln“ ja etwas Erheiterndes besitzen, sind am Ende erstaunlich oft viele der Beteiligten tot. Ist das den großen Vorbildern von Äsop bis Franz Kafka geschuldet?

Die meisten zamonischen Geschichten enden tragisch. Das ist bei den Flabeln nicht anders. Ich würde aber eher „tragikomisch“ sagen.

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Den Ton zu treffen, schreiben Sie im Nachwort zu ihren „Flabel“-Übersetzungen, ist für den Übersetzer eine noch anspruchsvollere Aufgabe als für den Verfasser des Originals. Hat Ihre Arbeit in Bezug auf den richtigen Rhythmus und Takt, auf Stimmung und Pointensetzung vielleicht sogar mehr mit Musik zu tun, als man ahnt?

Ja, der Prosarhythmus ist sehr wichtig. Das hört sich so schön systematisch an, als müsse man nur einen gewissen Takt einhalten, aber Sprache ist eben doch etwas anderes als Musik. Ich kann da nur intuitiv versuchen, der oft ziemlich schrägen „Musik“ von Mythenmetz gerecht zu werden. Aber ich gebe mein Bestes!

Über Harry Rowohlt sagte man bei seinem Tod schmeichelnd: „Das Buch musst du in der Übersetzung von Harry Rowohlt lesen. Im Original geht da viel verloren.“  Sehen Sie sich als Mythenmetzscher Übersetzer in einer ähnlichen, kreativ herausfordernden Position?

Nein, ich sehe mich da eher in einer untergeordneten Position. Wie könnte ich mir anmaßen, dem großen Mythenmetz kreativ etwas hinzuzufügen. Und ich bin ja auch nicht Harry Rowohlt.

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Man kann die Zamonien-Romane einfach vergnügt durchschmökern oder sich an Wortspielen ergötzen und an Querverweisen laben. Haben Sie manchmal selbst Schwierigkeiten, den Überblick bei all den Teufelszyklopen und Wüstengimpeln, den Schmiegehäschen und Ubufanten zu bewahren?

Ja, in der Tat. Und es wird von Buch zu Buch immer schwerer, den Überblick zu bewahren. Zum Glück gibt es meine Frau und kluge Lektoren, die mir bei der Systematisierung sehr helfen. Und das Zamonien-Wiki.

Ein nicht unbedeutender Teil Ihrer Bücher besteht aus den verschwenderisch detaillierten Illustrationen. Was bereitet Ihnen mehr Vergnügen (oder mehr Arbeit) – Text oder Illustration. Müssen Sie viel wieder verwerfen?

Je nach geistiger oder körperlicher Verfassung arbeite ich mal lieber an den Zeichnungen, mal lieber an den Texten. Das Schreiben ist die geistig anstrengendere Arbeit, das tue ich lieber morgens, wenn mein Gehirn noch ausgeschlafen ist. Zeichnen lieber nachmittags – da muss man sich nicht so konzentrieren. Eigentlich werfe ich ziemlich wenig weg. Ich skizziere sehr sorgfältig, und wenn meine Bleistiftskizze einmal steht, gibt es beim Reinzeichnen kaum Änderungsbedarf. Aber ab und zu sehe ich auch bei der fertigen Zeichnung, dass sie Mist ist. Dann muss ich nochmal neu ran.

Ihre Zusammenarbeit mit der Ludwiggalerie Oberhausen, wo nun zum zweiten Mal mit eine große Moers-Werkschau zu sehen sein wird, ist so fruchtbar, dass Sie dem Museum ihren „Vorlass“ überlassen werden. Gibt es zu dem Vorhaben, dort ein „Moerseum“ zu errichten, schon Neues zu berichten?

Auf all das habe ich keinen Einfluss, das Museum ist eine wunderbare Idee von Christine Vogt, der Leiterin der Ludwiggalerie. Mir bleibt bei diesem kühnen Vorhaben nur, abzuwarten und die Daumen zu drücken.

Sie sind es gewohnt, in verschiedenen Medien zu arbeiten, auch Zamonien-Entdecker Käpt’n Blaubär wurde ja durch die Puppentrick-Serie in der „Sendung mit der Maus“ berühmt. Können wir mit einer großen Zamonien-Verfilmung rechnen?

Es gibt schon seit Jahren Pläne für Verfilmungen – national wie international. Da das Animationsprojekte sind, setzen sie sehr hohe Budgets voraus – und die entsprechende Zeit, die zusammen zu kriegen. Es gilt das Prinzip Hoffnung – wie beim Museum.

Walter Moers: Das Einhörnchen, das rückwärts leben wollte Zwanzig zamonische Flabeln. Penguin, 176 Seiten mit zahlreichen Illustrationen, 28 €. Die Ludwiggalerie Schloss Oberhausen zeigt die Ausstellung „Was gibt’s denn da zu lachen? Die komische Kunst des Walter Moers“ vom 22. 9. 2024 bis zum 19. 1. 2025. www.ludwiggalerie.de