Marl. An diesem Freitag werden die Grimme-Preise 2024 verlieren. Hinter den Kulissen rumort es. Und der renommierte Online-Award ist gefährdet.
Roter Teppich und Star-Glamour mit Live-Übertragung: Die Verleihung der begehrten Grimme-Preise für besonders gelungene TV-Produktionen soll auch in diesem Jahr wieder ein Branchentreffen mit glücklichen Gesichtern werden - allerdings ein Treffen ohne Grimme-Chefin Frauke Gerlach.
Hinter den Kulissen des Grimme-Instituts in Marl, das die Preise vergibt, rumort es ausgerechnet im 60. Jubiläumsjahr des Preises gewaltig: Die nach rund zehn Jahren ausscheidende Gerlach fehlt krankheitsbedingt, wie sie in einem Abschiedsbrief an die Mitarbeiter angekündigt hat. Ihr Büro hat sie schon vor mehr als einem Monat leer geräumt. Eine Nachfolge wurde noch nicht gefunden. Um die Lücke zu überbrücken, soll vom Mai an ein Interims-Geschäftsführer aus dem Kreis der Grimme-Gesellschafter kommissarisch die Führung übernehmen, hieß es auf Nachfrage seitens der Gesellschafter. Lesen Sie auch:Grimme-Institut: Geldnot - ein Drittel der Stellen soll weg
Das Institut war durch den immensen Anstieg bei Tarifen, Energie- und Veranstaltungskosten in die roten Zahlen gerutscht, ein drohendes Loch von über 400.000 Euro für 2024 konnte nur mit einem strikten Sparkurs und Lohnverzicht der Angestellten geschlossen werden.
NRW-Medienminister fordert von Grimme-Institut „Fokussierung“ auf Kern-Thema
NRW-Medienminister Nathanael Liminski (CDU) äußert öffentlich auch inhaltliche Kritik: Das Institut habe jenseits seines Kernauftrags weitere Felder wie die Elternbildung und Medienkompetenzförderung übernommen, für die andere Institutionen eher berufen seien, sagte er vor einigen Wochen in einem Interview mit dem KNA-Mediendienst. Das Institut müsse sich wieder stärker auf den „Output“ konzentrieren.
„Grundlegend für die Zukunftssicherung des Grimme-Instituts sind neben einer soliden Finanzierung vor allem eine klare Strategie, eine zukunftsgerichtete inhaltliche Positionierung und eine Fokussierung auf die Verleihung der Preise und den Mediendiskurs als Kernkompetenzen“, erklärte ein Sprecher des NRW-Medienministeriums auf Anfrage.
Es ist noch unklar, ob angesichts der Sparzwänge der zweite große Wettbewerb des Instituts, der Grimme-Online-Award, in diesem Jahr nicht ganz ausfallen wird. „Ich weiß es nicht“, sagte der Institutssprecher auf Nachfrage. „Derzeit gibt es keine konkreten Planungen für den Grimme-Online-Award 2024“, sagte der Ministeriumssprecher.
Grimme-Institut: Neuer Chef soll betriebswirtschaftlichen Hintergrund haben
Auffällig ist die Stellenausschreibung für den neuen Grimme-Chef, in der wirtschaftliche Kompetenz betont wird. Die Gesellschafter suchen nach der Juristin Gerlach eine Person mit betriebswirtschaftlichem oder gleichwertigem Hochschulabschluss. Erfahrungen des neuen Chefs oder der Chefin unter anderem im Marketing und Budget-Management sollten dem Institut „Stabilität“ verschaffen und es für Kooperationspartner zunehmend attraktiv machen, heißt es in der Ausschreibung.
Auch wenn für das laufende Jahr das Finanzloch geschlossen ist - die Lage bleibt schwierig: Das Land bleibe ein verlässlicher Unterstützer des Instituts, betont der Ministeriumssprecher. „Alle Gesellschafter prüfen derzeit weitere Möglichkeiten der Finanzierung.“
Anteilseigner sind das Land NRW und der Deutsche Volkshochschulverband (DVV) sowie der WDR und das ZDF, die Landesmedienanstalt sowie die Medienstiftung NRW und die Stadt Marl. Das Land trägt mit 80 Prozent den Großteil des Jahresetats gut drei Millionen Euro des Medieninstituts.
Grimme-Preise 2024: Feier nicht mehr ‚üppig‘ im Theater
Passend zur Finanzlage sind die Planungen für die traditionelle Feier nach der Verleihung der Grimme-Preise an diesem Freitag, 26. April: Gefeiert wird nicht im Theater, sondern mit begrenzter Teilnehmerzahl im nahegelegenen eigenen Institutsgebäude. Auf große Küche können die Stars dabei nicht hoffen: Als Mitternachts-Snack gibt es Currywurst. Lesen Sie auch:Grimme-Preis: TV-Privatsender gehen 2024 leer aus
Erst Ende November vergangenen Jahres hatten zahlreiche prominente Schauspieler und TV-Persönlichkeiten sich in der aufkommenden Spardiskussion noch in einem Brief für das Institut eingesetzt.
Das Grimme-Institut gebe dem Publikum seit vielen Jahren wertvolle Orientierungshilfe, hieß es darin. „Diese traditionsreiche Medieninstanz muss geschützt werden.“ Unterzeichnet hatten Schauspielerinnen, Moderatoren und TV-Schaffende wie Hannes Jaenicke, Maren Kroymann, Carolin Kebekus, Anke Engelke, Joko Winterscheidt, Klaas Heufer-Umlauf, Charly Hübner und Veronica Ferres.
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(dpa)