Ein Pianist, der in Nazi-Deutschland am Galgen endet. Warum Buchhändler Hans-Günter Draht Schattenzeit von Oliver Hilmes empfiehlt.

Das Schicksal Karlrobert Kreitens, ein heute unbekanntes und vergessenes Klaviergenie, zieht sich wie ein „roter Faden“ durch dieses Buch. Die Ausgangslage Deutschlands zu Beginn des Jahres 1943; alles andere als euphorisch: in Stalingrad versagt, in Nordafrika auf dem Rückzug, zunehmende Luftangriffe auf deutsche Städte. Aber es gibt sie noch: die professionellen Optimisten wie Goebbels mit seiner Sportpalastrede, die fanatischen Hitler-Anhänger sowie die ängstlichen, langsam am glücklichen Ausgang des Krieges Zweifelnden. All diese verschiedenen Individuen tauchen immer wieder an den verschiedensten Stellen dieses Buches auf und vermitteln so einen Eindruck über die Stimmung innerhalb der deutschen Bevölkerung während dieses Schicksalsjahres 1943.

Mittendrin: Karlrobert Kreiten. Alles beginnt harmlos für ihn; ein junges aufstrebendes Talent, das bereits Seite an Seite mit Herbert von Karajan auf den - noch - offenen Bühnen sein Publikum verzaubert, begeistert. Karlrobert hat jetzt endlich eine Wohnung in Berlin erhalten und kann seine Untermiete bei der Freundin seiner Mutter beenden - nur noch zwei Tage bis zum Einzug. Das Unheil nimmt bei einem letzten gemeinsamen Frühstück seinen Lauf. Er macht aus seiner Verachtung gegenüber dem System und Hitler keinen Hehl. Die Dame erzählt es einer Nachbarin - einer glühenden Hitler Verehrerin. Am Ende des Jahres endet Karlrobert da, wo das NS-Regime alle widerspenstigen Geister am besten „aufgehoben“ sieht - am Galgen.

Oliver Hilmes versteht es sehr einfühlsam, sich in diese Zeit vorzutasten. Noch konnte keiner wissen, wie der Krieg enden würde - aus heutiger Sicht ist uns zwar bekannt wie und wo es in die Katastrophe führte - aber damals gab es noch Optionen, und das erklärt die Zweifel, den Wankelmut, das Unfassbare über die Gerüchte von unvorstellbaren Verbrechen im Osten Europas. Wer sich für diese Zeit interessiert, dem sei dieses Buch wärmstens empfohlen.