Belrin. In Kindersonnencremes wurden Weichmacher gefunden. Ein Toxikologe klärt über die Gefahren auf und gibt eine klare Handlungsempfehlung.
Gefährliche Weichmacher in Sonnencreme – Diese Nachricht sorgte bereits Anfang des Jahres für Verunsicherung bei vielen Eltern. Damals wurden Abbauprodukte des Weichmachers DnHexP im Urin von Kindern nachgewiesen. Der Verdacht, dass diese etwa aus Rückständen von UV-Filtern stammen könnten, erhärte sich. Nun hat auch die Zeitschrift „Öko-Test“ bei der Untersuchung von 25 Kindersonnencremes (Ausgabe 6/2024) in sieben Produkten Spuren der verbotenen Chemikalie gefunden.
Was das für Eltern und die Gesundheit der Kinder bedeutet und welche Vorsichtsmaßnahmen jeder treffen kann, erklärt Toxikologe Carsten Schleh, Autor des Sachbücher „Vorsicht, da steckt Gift drin!“ und „Die Wahrheit über unsere Drogen“, im Gespräch mit unserer Redaktion.
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Herr Schleh, was genau ist eigentlich DnHexP?
Carsten Schleh: DnHexP steht für Di-n-hexylphthalat. Es handelt sich dabei um eine chemische Verbindung. Eigentlich ist sie in Kosmetika seit 2019 verboten, da die EU die Substanz als „besonders besorgniserregend“ eingestuft hat, kann aber als Abbauprodukt oder als Verunreinigung immer noch vorkommen, wie sich ja auch jetzt wieder zeigt. Die Rückstände stammen etwa aus dem Produktionsprozess oder aus der Umverpackung selbst.
Weichmacher in Sonnencreme: Für Toxikologe in Industriegesellschaft keine Überraschung
Hat es Sie überhaupt überrascht, dass der Weichmacher nun in sechs von 25 Sonnencremes für Kinder und Babys gefunden wurde?
Schleh: Nein, gar nicht. Das war erstens nach der Meldung des Bundesumweltamts, dass entsprechende Rückstände in Kinderurin gefunden wurde, nur zur erwarten. Und zweitens, das muss ich immer wieder betonen, leben wir nun mal in einer industrialisierten Welt, in der viele Chemikalien eingesetzt werden – unter anderem auch Weichmacher, sei es in Kunststoffverpackungen oder wie hier jetzt eben auch in der Herstellung des chemischen UV-Filters DHHB. Es ist nur logisch, diese auch zu finden, sei es in Produkten oder eben auch Rückstände im Körper.
Sehen sie Weichmacher in Sonnencreme überhaupt als Problem?
Schleh: Diese Frage lässt sich pauschal nicht mit „ja“ oder „nein“ beantworten. Generell muss man sagen, dass Weichmacher Stoffe sind, die wir kritisch im Auge behalten müssen – was auch behördenseitig getan wird. Es gibt zu ihnen zwar nachvollziehbarerweise keine klinischen Studien an Menschen, aber aus Tierversuchen wissen wir, dass Weichmacher hormonell wirksam sein können.
Sprich: Sie wirken sich unter anderem auf die Fortpflanzung aus. Klare Grenzwerte, ab denen wir sicher sagen können, dass es gesundheitsschädlich wird, haben wir aber nicht. Jeder und jedem empfehle ich aber aufzupassen, seinen Körper nicht zu sehr mit solchen Stoffen zu fluten. Die Jüngsten, deren Fortpflanzungsorgane sich noch entwickeln, sollten wir hier natürlich ganz besonders schützen.
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Sonnencreme: Darauf sollten Eltern achten
Was bedeutet das mit Blick auf womöglich belastete Sonnencreme?
Schleh: Das Risiko, dass Weichmacher in Sonnencreme bei Kindern einen ernsthaften Schaden anrichten, ist verglichen mit dem Gesundheitsrisiko, dem Kinder ohne Sonnencreme durch UV-Strahlung ausgesetzt sind, verschwindend gering. Daher ganz wichtig: Kinder unbedingt immer eincremen, egal ob sie in der direkten Sonne oder nur im Schatten sind. Alles andere wäre mit Blick auf das Hautkrebsrisiko nicht ratsam.
Dennoch würde ich beim Eincremen sicherlich eher auf Produkte zurückgreifen, die in entsprechenden Test gut abgeschnitten haben. Und ich würde nie die Sonnencreme aus dem Vorjahr benutzen, da die Creme über die Zeit Weichmacher aus der Verpackung aufgenommen haben könnte. Sonnencreme aus einer Glasflasche wäre das Optimum, aber diese sind sowohl selten als auch teuer.
Goldene Regel: Wechseln Sie die Sonnencreme regelmäßig
Gibt es neben Weichmachern, weitere Inhaltsstoffe, die sie bei Sonnencreme für Kinder meiden würden?
Schleh: Bedenklicher als Spuren von Weichmachern etwa durch den UV-Filter DHHB ist aus meiner Sicht der chemische UV-Filter Octocrylen, der bei längerer Lagerung zerfällt und Benzophenon erzeugt. Denn Benzophenon wurde als möglicherweise krebserregend eingestuft. Ganz allgemein gibt es aus der Risikoforschung ein ganz wichtiges Credo: Nehmen Sie nicht immer die gleiche Sonnencreme. Das ist auch meine wichtigste Botschaft an jeden, ob Eltern oder nicht.
Wenn Sie immer die gleiche Sonnencreme nehmen, können Sie Pech haben und diese ist mit einem Stoff hoch belastet, der sich irgendwann als schädlich herausstellt. Wer regelmäßig durchwechselt, hat zwar vielleicht auch mal eine belastete Sonnencreme dabei, aber eben oft auch eine wenig bis nicht belastete Sonnencreme. Das ist auf Dauer das klügste und gilt eigentlich für die meisten Produkte.
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Alltagsgifte: Toxikologe hat Tipp für den Einkauf
Sie sind selbst Familienvater. Was machen Sie noch, um ihre Kinder möglichst wenigen schädlichen Schadstoffen wie Weichmachern auszusetzen?
Schleh: Ich versuche auch selbst, bei Produkten zu variieren und wo es geht auf Edelstahl oder Glasverpackungen zurückzugreifen. Ich kaufe also beispielsweise lieber Mais im Glas als in der Konservendose – wegen der möglichen Belastung mit Bisphenol A. Allgemein bin ich allerdings relativ entspannt.
Aus meiner Sicht müssen Eltern, müssen die Menschen allgemein durch solche Funde nicht verunsichert sein. Wer sich mal einer schädlichen Substanz aussetzt, dessen Gesundheit ist nicht gleich in Gefahr. Richtig bedenklich würde es für mich erst, wenn sich jemand täglich über Monate mit mehreren hundert Gramm belasteter Sonnencreme einschmiert. Aber das ist wohl eher unwahrscheinlich.