Berlin. Fast jeder Dritte erleidet bis zum Alter von 35 einen Zahnunfall. Dann müssen Betroffene schnell handeln – und eines unbedingt lassen.
Ein Stolpern, ein Sturz – schon ist es geschehen: Zahn ausgeschlagen oder abgebrochen. Vor allem Kinder und junge Menschen erleiden ein sogenanntes dentales Trauma. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG) sind etwa 25 bis 30 Prozent aller Menschen bis 35 Jahre davon betroffen. Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Zahnunfall: Was sind die häufigsten Ursachen?
Der häufigste Grund für ausgeschlagene oder abgebrochene Zähne ist laut DGMKG ein heftiger Schlag gegen den Kiefer. Dieser erfolgt meist infolge eines Sturzes oder Unfalls, beim Toben auf dem Schulhof zum Beispiel, beim Sport oder beim Fahrradfahren. Nach Angaben der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) sind in 80 Prozent der Fälle die oberen Schneidezähne betroffen.
„Langwierige Folgen für die Zahngesundheit mit vielen Besuchen bei der Zahnärztin oder dem Zahnarzt und sogar psychische Schäden sind dann nicht selten“, berichtet die Unfallkasse Nordrhein-Westfalen. Viele Kinder litten nach einem Zahnunfall bis ins Erwachsenenalter hinein an den Folgeschäden. „Risikofaktoren sind insbesondere eine stark vergrößerte Frontzahnstufe sowie eine fehlende Lippenbedeckung der Schneidezähne. Auch zahlreiche Sportarten erhöhen das Risiko für einen Zahnunfall“, heiß es in der Leitlinie zur Behandlung dentaler Zahntraumata.
Zahnunfall: Zeit spielt bei der Rettung eine große Rolle
Ist nur ein Stück vom Zahn abgebrochen, rät die von Bundeszahnärztekammer, sowie von den Verbänden der Zahntechniker-Innungen und Dental-Industrie finanzierten Initiative proDente: Suchen, in Wasser legen und mit zum Zahnarzt bringen. Dort kann das Stück in vielen Fällen wieder angeklebt werden. Ist jedoch ein zu großes Stück abgebrochen oder der Verlauf des Bruches im Zahn liegt in direkter Umgebung des Zahnnervs, können weitere Behandlungen notwendig sein.
Selbst ein ausgeschlagener Zahn kann unter bestimmten Voraussetzungen erhalten werden. „Ob eine Zahnrettung Erfolg hat, hängt unter anderem davon ab, in welchem Zustand sich der ausgeschlagene Zahn befindet“, erklärt die KZBV.
- Studie: Forschende finden mögliche Ursache für Fettleibigkeit
- Untersuchungen: Stress erkennen – Diese Blutwerte sind alarmierend
- Gesunde Ernährung: Kind mag kein Gemüse? Ein Kinderarzt gibt Tipps
- Frauen: Endometriose-Betroffene geht radikalen Weg gegen Schmerzen
- Gewicht: Ärztin klärt auf – So kann Kaffee beim Abnehmen helfen
Ohne Vorkehrung trocknen ausgeschlagene Zähne innerhalb weniger Minuten aus. Dabei sterben die an der Wurzeloberfläche haftenden Zellen ab, sodass am Ende nicht mehr genügend Zellen da sind, damit der Zahn wieder einheilen kann. Um das Austrocknen zu vermeiden, gibt es zwei Szenarien: Im Idealfall wird der Zahn direkt nach dem Unfall in einer Zahnrettungsbox aufbewahrt. „Dann kann das Wurzelhautgewebe vital erhalten werden, so lange bis zur chirurgischen Erstversorgung der Wunde“, sagt DGMKG-Experte Prof. Dirk Nolte. Die Zahnwurzeln sollten nicht berührt oder desinfiziert werden.
Die Zahnrettungsbox enthält eine spezielle Nährlösung: Diese ermöglicht, dass die Zellen für mindestens 24 Stunden überleben. Zu kaufen gibt es die Boxen unter anderem in Apotheken oder auch im Internet (etwa 20 Euro). „Bei Zimmertemperatur aufbewahrt, hat die Box – je nach Hersteller – eine Haltbarkeit von ein bis drei Jahren“, so die KZBV.
Lesen Sie auch: Wie sinnvoll ist eine Zahnzusatzversicherung
Für Unfälle, bei denen keine Rettungsbox zur Verfügung steht, empfiehlt die DGMKG, den ausgeschlagenen Zahn direkt am Unfallort in Milch – oder besser noch in H-Milch oder Dosenmilch – oder zur Not auch in Speichel feucht zwischenzulagern. Innerhalb von zwei Stunden sollte der Zahn dann in eine Zahnbox.
Was passiert, wenn meine Zähne locker sind?
Direkt zum Zahnarzt beziehungsweise Zahnchirurgen: Dort werden erhaltungswürdige Zähne laut DGMKG schonend gereinigt und wieder eingesetzt. „Wenn diese Behandlungsschritte korrekt durchgeführt werden, ist die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass die traumatisierten Zähne dauerhaft wieder einheilen“, so Dirk Nolte.
- ADHS bei Erwachsenen: Betroffene erklärt, was wirklich hilft
- Schlafstörungen: Häufig hilft nur noch diese Methode
- Vorsorge: MRT für Selbstzahler: Wann es sinnvoll ist und wann nicht
- Ohrensausen: Tinnitus-Patientin berichtet, was ihr endlich geholfen hat
Die chirurgische Erstversorgung sollte unter dem Motto „Reposition und Ruhigstellung“ stehen, so der Experte weiter. Das heißt: Die verletzten Gewebe, also Kieferknochen, Zähne und Zahnfleisch sollten wieder in die anatomisch richtige Position gebracht werden. Dann werden die Zähne durch Schienen für einige Zeit ruhiggestellt. Das gelte auch bei verschobenen oder gelockerten Zähnen.
Zahnunfall: Welche Möglichkeiten der Prävention gibt es?
Zur Prävention empfehlen die Experten das Tragen eines Mundschutzes bei allen Sportarten mit Körperkontakt, Sturzgefahr oder Benutzung von Sportgeräten. Dafür gibt es einen Standardzahnschutz im Sportfachhandel oder individuell für Sportlerinnen und Sportler hergestellte Kunststoffschienen aus dem zahntechnischen Labor. Diese kosten nach Angaben von proDente zwischen 120 und 180 Euro und sind damit deutlich teurer als der Standardschutz. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten nicht.
Lesen Sich hier: Kinder unter sechs: Diesen Schutz zahlen jetzt die Kassen
Die Experten der DGMKG empfehlen, dass Schulen, andere öffentliche Einrichtungen für Kinder und Jugendliche sowie Sportstätten möglichst mit Zahnrettungsboxen ausgestattet werden sollten. Auch für Haushalte – zumindest für solche, deren Mitglieder sich sportlich betätigen – sei die Anschaffung einer solchen Box sinnvoll, erklärt die KZBV.