Berlin. Deutschland ist ein Mieterland. Das liegt offenbar vor allem daran, dass steuerliche Vorteile das Vermieten lange Zeit stark begünstigt hatten. 2013 lebten 57 Prozent der deutschen Haushalte zur Miete. Nun könnte die Abkehr kommen: Die Zinsen sind niedrig und vielerorts lohnt es sich eher zu Kaufen.

Mietest du noch, oder kaufst du schon? Diese Frage könnten sich die Deutschen bald häufiger stellen. Bisher war die Bundesrepublik ein ausdrückliches Mieterland. Viele Menschen träumten von den eigenen vier Wänden, doch leisteten sie sich kaum. In Zeiten niedriger Zinsen aber, meinen Experten, lohnt sich Kaufen vielerorts eher als Mieten. Kommt die Abkehr von Deutschland, einig Mieterland?

Im vergangenen Jahr lebten nach Zahlen des Statistischen Bundesamts nur 43 Prozent der rund 40 Millionen deutschen Haushalte in der eigenen Wohnung oder im eigenen Haus. 57 Prozent wohnten zur Miete. Dieses Verhältnis hat sich innerhalb von zehn Jahren kaum geändert. "Deutschland ist tendenziell eher eine Mieternation", sagt der Immobilienökonom Michael Voigtländer vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.

Steuerliche Vorteile hätten das Vermieten begünstigt

Lange hätten steuerliche Vorteile das Vermieten so stark begünstigt, dass es sich nicht gelohnt habe, im eigenen Haus zu wohnen. Doch das ändere sich gerade. Im Jahr 2009 war Kaufen laut Voigtländer in nur sieben Prozent der deutschen Landkreise wirtschaftlich attraktiver als Mieten - 2013 immerhin schon in 27 Prozent der Kreise. Vor allem im Osten lohnt sich die selbst genutzte Immobilie - ausgerechnet im Häuslebauer-Land Baden-Württemberg dagegen nicht.

Als Hauptgrund für die Trendwende gelten die stark gesunkenen Hypothekenzinsen. 2009 lagen sie laut IW Köln im Schnitt noch bei 4,4 Prozent, vier Jahre später bei knapp 2,8 Prozent. Dass das bei der Abwägung zwischen Kaufen und Mieten eine Rolle spielt, zeigen auch Anfragen auf Immobilienportalen, wo Kaufgesuche deutlich stärker zunahmen als Mietgesuche.

Doch wäre eine zunehmende Abwendung vom Mieterland gut? Deutschland ist europaweit eines der wenigen Länder mit einem etwa gleich großen Mietwohnungs- wie Eigentumsmarkt. 45 Prozent der Wohnungen werden nach Daten der Landesbausparkassen von den Eigentümern selbst bewohnt. Nur in der Schweiz sind es noch weniger. In Frankreich und den Niederlanden dagegen lebt in fast 60 Prozent der Wohnungen der Eigentümer selbst. In Großbritannien liegt die Quote bei 65, in Italien bei 77, in Spanien sogar bei 82 Prozent.

Eigene Immobilien gelten als Absicherung gegen Inflation

Eigentlich überrascht das. Gelten eigene Immobilien doch als gute Absicherung gegen Inflation - und die Deutschen eher als ängstlich. Doch gerade das ausgewogene Verhältnis von Mietwohnraum und Eigentum sorge für einen insgesamt stabilen Immobilienmarkt, meint Voigtländer: "Deutschland gehört in puncto Schwankungen bei Wohnungspreisen zu den stabilsten Ländern weltweit." Wo weniger gekauft und Kredit dafür aufgenommen werde, gebe es keine Immobilienblasen wie etwa in Spanien oder den USA.

Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund warnt vor überstürzten Käufen. "Es gibt keine Garantie, dass die Zinsen in zehn Jahren immer noch so niedrig sind", betont er - auch wenn das Haus dann noch lange nicht abbezahlt sei.

In anderen Ländern, wo es weniger Alternativen zum Wohneigentum gibt, kommen selbst einkommensschwache Haushalte nicht ums Kaufen herum - und müssen sich ohne Sicherheiten entsprechend hoch verschulden. In den Niederlanden bekämen deshalb schon 20-Jährige großzügige Kredite gewährt, erzählt Han Joosten von der Bouwfonds-Immobilienentwicklung, einer Tochter der Rabobank. Davon könnten sie sich dann nicht nur die Wohnung, sondern oft auch gleich noch ein Auto leisten.

Mehr eine Imagesache als in Deutschland

Und noch etwas sei im Nachbarland anders: "In Holland kaufen die Leute Wohnungen nicht als Kapitalanlage", sagt Joosten. Wohneigentum - das sei viel mehr eine Imagesache als in Deutschland. (dpa)