Düsseldorf. . Rot-Grün will nach dem Wahlsieg Hausbesitzer nun doch zur teuren Prüfung ihrer Abwasserrohre verpflichten. Das steht im neuen Koalitionvertrag. Landesweit haben sich bereits 63 Bürgerinitiativen gegen die Pflicht zur Kanal-Dichtigkeitsprüfung gegründet.

Es ist inzwischen ein Reizwort für alle Hausbesitzer in Nordrhein-Westfalen: „Kanal-TÜV“. Seit einem Jahr streitet die Landespolitik über eine sogenannte Dichtheitsprüfung für private Abwasseranschlüsse, die das Grundwasser vor Verunreinigungen bewahren soll. Umweltschützer und Spezialfirmen, die ein lukratives Geschäft wittern, sind glühende Befürworter. Hausbesitzer und Kommunen, die Kosten und Bürokratie fürchten, erbitterte Gegner. Nur einen Monat nach der Landtagswahl geht die Auseinandersetzung in die nächste Runde.

63 Bürgerinitiativen

Da es in NRW 200.000 Kilometer privater Abwasserkanäle gibt und allein die fachmännische Untersuchung Eigenheimbesitzer bis zu 800 Euro kosten kann, haben sich landesweit bereits 63 Bürgerinitiativen mit 300.000 Aktivisten gegen den „Kanal-TÜV“ gebildet. Sie kämpfen gegen ein Gesetz, das bis ins Jahr 1995 zurückreicht. Damals wurde die private Abwasserprüfung von der SPD landesgesetzlich bis spätestens 31. Dezember 2015 vorgeschrieben. Das interessierte lange Zeit niemanden, da der Stichtag weit weg erschien. Rot-Grün verschärfte die Prüfpflicht 1999 sogar noch einmal für Wasserschutzgebiete, und die CDU-geführte Nachfolgerregierung nahm 2007 keine Änderungen vor.

Wogen der Empörung

Als im vergangenen Jahr jedoch die ersten Kommunen Prüfbescheide verschickten und Kanalfirmen an Haustüren ihre Dienste anboten, schlugen die Wogen der Empörung schnell hoch. Seither wird im Landtag um Änderungen am Gesetz gerungen. Anfang des Jahres schien der „Kanal-TÜV“ bereits abgeräumt, als eine seltene Oppositionsallianz aus CDU, FDP und Linkspartei die rot-grüne Minderheitsregierung stoppte. Nach der Landtagswahl haben sich die Vorzeichen jedoch wieder verändert.

Dichtheitsprüfung an einem Abwasserkanal in Duisburg. Die Kamera wird an einem Kabel in den Kanal gelassen. (Foto: Stephan Eickershoff/WAZ FotoPool)
Dichtheitsprüfung an einem Abwasserkanal in Duisburg. Die Kamera wird an einem Kabel in den Kanal gelassen. (Foto: Stephan Eickershoff/WAZ FotoPool) © WAZ FotoPool

Laut Koalitionsvertrag werden die Wahlsieger SPD und Grüne nun doch an einer generellen Prüfpflicht für Hausbesitzer festhalten. Die Fristen sollen zwar verlängert werden, aber Eigentümer von 20 bis 30 Jahre alten Ein- und Zweifamilienhäusern müssten demnach mit einem Prüfbescheid ihrer Stadt rechnen. Ob sich Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) daran erinnert, dass er noch im Januar normale Einfamilienhäuser mit einem Wasserverbrauch unter 200 Kubikmeter pro Jahr von der Prüfpflicht weitgehend ausnehmen und Bagatellschäden hinnehmen wollte? SPD und Grüne werden nach Informationen der WAZ noch in diesem Jahr einen neuen Gesetzentwurf auf den Weg bringen.

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Umkehr der Beweislast

FDP und CDU sind alarmiert und werben schon unmittelbar nach der Vereidigung der neuen Regierungsmannschaft an diesem Donnerstag im Landtag für eine alternative Lösung: Hausbesitzer sollen nur dann ihre Abwasserkanäle untersuchen lassen, wenn es einen begründeten Verdacht auf Umweltschäden gibt oder die Kommune ohnehin gerade das öffentliche Kanalnetz durchleuchtet. „Wir wollen eine Umkehr der Beweislast“, sagt FDP-Umweltexperte Kai Abruszat. Eine gesetzliche Zwangsverpflichtung für private Hausbesitzer zur Dichtheitsprüfung könne sogar gesetzeswidrig sein. Womöglich drohe eine Klagewelle.

„Die Bürger sind das Hin und Her leid“, glaubt der CDU-Abgeordnete Josef Hovenjürgen. Beim Dauertheater um den Kanal-TÜV gehe es doch nur noch am Rande um Umweltschutz. „Kommunen und Hausbesitzer brauchen jetzt Klarheit“, fordert Josef Hovenjürgen.