Cremona. . Wo einst Antonio Stradivari wirkte, wurde vor Kurzem das exklusivste Geigenmuseum der Welt eröffnet. Die ältesten zu bestaunenden Geigen sind bis zu 300 Jahre alt - und wertvoll. Ein Besuch in Cremona, dem Herzen der Geigenbaukunst, wo die edelsten Instrumente der Welt ausgestellt werden.

Ihr Schaukasten ist heute leer. Nur die Jahreszahl ihrer Herstellung und ihr Name sind zu sehen. Sie heißt „Il Cremonese“. 2015 wird sie 300 Jahre alt. Dabei ist sie so jung und klangschön geblieben, dass sie an diesem Tag mal wieder Beifallsstürme erhält. Und mit ihr Antonio De Lorenzi, bekannter italienischer Musiker, der diese kostbare großformatige Geige im Wert von mehreren Millionen Euro an einem besonderen Ort spielen darf.

Er steht im einzigartigen Auditorium des neuen Stradivari-Museums von Cremona in der norditalienischen Poebene. Dort, in der Heimatstadt von Antonio Stradivari (ca. 1648 bis 1737), ist dieses Streichinstrument jetzt ebenso wie weitere neun Werke des berühmtesten Geigenbauers aller Zeiten zu Hause.

De Lorenzi spielt Bach und Verdi in diesem kunstvoll auf Klang- und Tonakustik abgestimmten Konzertsaal. Er ist wie eine aufspringende Tulpenblüte gebaut worden. Der Geiger steht in der Blütenmitte, dreht und wendet sich beim Spiel, damit wirklich alle Zuschauer rundum die besten Violinklänge mitbekommen.

Instrumente aus dem Jahr 1714

„Il Cremonese“ ist im Saal 5 untergebracht, die noch ältere Violine „Joachim-Ma“ aus dem Jahre 1714 im Saal 9 des Museums ausgestellt. Beide haben eine glorreiche Vergangenheit bei berühmten Geigern hinter sich, auch deshalb also Museumsreife. Aber sie sind nicht „in Rente“, haben gar eine Zukunft. Denn sie können immer wieder gespielt werden.

Blick in die Werkstatt: In Cremona wird auch das Handwerk des Geigenbaus vermittelt.
Blick in die Werkstatt: In Cremona wird auch das Handwerk des Geigenbaus vermittelt. © Museo del Violino

Beide Streichinstrumente gehörten u.a. einmal dem österreichisch-ungarischen Violinisten, Dirigenten und Komponisten Joachim Joseph (1831 bis 1907), der im preußischen Kaiserreich Karriere machte. „Joachim verliebte sich in ihre Schönheit und Brahms in ihre Stimme“, heißt es in italienischen Texten. Gemeint ist keine Frau, sondern die Geige „Joachim-Ma“. Er soll sie als Solist bei der Uraufführung des einzigen Violinkonzerts in D-dur op.77 von Brahms 1879 in Leipzig gespielt haben.

Danach wechselte das elegante Streichinstrument noch fast zehn Mal den Besitzer. Zuletzt spielte es der 2009 verstorbene Violinist Si-Hon-Ma, ein in den USA lebender gebürtiger Chinese. Jetzt gehört das wertvolle Instrument zu den Leihgaben aus öffentlichen und privaten Sammlungen, die dem neuen Museum anvertraut wurden. „Il Cremonese“ hingegen ist inzwischen Eigentum der 72 000-Einwohner-Stadt Cremona.

Über 500 Jahre andauernde Tradition

Immer schon befand sich dort ein kleines Violinmuseum. Denn in Cremona und Umgebung hat Geigenbau eine über 500 Jahre andauernde Tradition. Noch heute gibt es 150 Geigenbau-Werkstätten. Vor Stradivari kreierten dort schon Andrea und Nicolò Amati berühmte Streichinstrumente, ebenso Giuseppe Guarneri. Auch deren schönste Geigen sind jetzt im Museum mit insgesamt zehn Sälen ausgestellt. Für Musikliebhaber ist alles, was diese dort zeigen, eine Augen- und viel mehr noch Ohrenweide.

Im ersten Saal beginnt die Schau mit frühen Instrumenten, nämlich Geigen-Vorläufern aus dem 15. Jahrhundert. Dann wird in Geigenbau-Werkstätten hineingeschaut und illustriert, wie aus einzelnen Teilen vom Rohholz bis zum fertigen Instrument eine Geige entsteht. Es folgen Darstellungen der Verbreitung des Instrumentes in früheren Jahrhunderten und schließlich auch ein Einblick in die Musikgeschichte Cremonas und seine Werkstätten.

Instrumente aus der goldenen Periode

Im Saal fünf sind die bedeutendsten Instrumente großer klassischer Meister aus Cremona ausgestellt, darunter die noch gut erhaltenen Stradivaris. Geschätzt wird, dass er etwa 1100 Violinen, Bratschen, Celli, einige Gitarren und eine Harfe gebaut haben soll. Als goldene Periode gilt die Zeit von 1700 bis 1720, mit bis heute fast unübertroffenem Resonanzkörper bei seinen Instrumenten. Vorher pflegte Stradivari den Stil von Amati, bei dem er gelernt haben soll. Später konstruierte er mit Hilfe seiner Söhne weiter. Im Saal 6 sind Zeichnungen, Modelle und Handwerkszeug aus der Werkstatt ausgestellt.

Deutsche haben in Cremona gelernt

Kollektionen weiterer Meister aus der Gegend von Cremona von Ende 1700 bis Ende 1900 ergänzen die Museumsschau. Und dann werden auch mit Goldmedaillen prämiierte Geigenbauer zwischen 1976 und 2009 geehrt. Dazu gehören mehrere Deutsche, die zum Teil in Cremona ihr kunstvolles Handwerk erlernt hatten. Im letzten Saal – nach den berühmten Leihgaben im Saal 9 – gibt es auch noch einen Ohrenschmaus. Nämlich Videos mit Musikstücken, die auf Instrumenten aus der Kollektion gespielt wurden – und manchmal sogar Live-Konzerte.