Wer von der belebten Zweigertstraße aus die Tür des Geigenbauers Bartsch öffnet, betritt eine andere Welt: An den Wänden hängen Violinen und Celli in Reih und Glied, es riecht nach Knochenleim, Bernstein-Lack und Ziegenmilch. Im hinteren Werkstattraum sitzen zwei Generationen der Geigenbauerfamilie versunken über ihrer Arbeit, während aus einem Transistorradio klassische Musik tönt.
Fällt ihr Blick durch die Fensterfront vor ihnen, sehen sie denselben Himmels-Ausschnitt, den schon Großvater Heinrich und Urgroßvater Alfred Bartsch betrachten konnten. Der kam vor genau 110 Jahren aus Breslau nach Essen. Seitdem werden in Rüttenscheid Geigen, Bratschen und Celli in Handarbeit gefertigt.
„Wir restaurieren, reinigen und reparieren“, sagt Florian Bartsch, der mit seinen 39 Jahren die vierte Generation verkörpert. So manche „kranke“ Stradivari landete auf der massiven Holzwerkbank, wo sie mit großer Liebe und Sorgfalt gesund gepflegt wurde. Das nötige Handwerk haben Vater Johann (69) und Sohn Florian in Mittenwald erlernt, doch die Leidenschaft für den Beruf liegt in ihren Genen. Dabei hat Florian Bartsch etwas länger gebraucht, um auf seine innere Stimme zu hören. Nach einer Banklehre und einem BWL-Studium merkte er mit 31, dass das „sinnentleerte Sitzen vor dem Computer“ nichts für ihn war, dass er sich nach dem sehnte, was seine ganze Kindheit bestimmt hatte: der Bau von Streichinstrumenten. „Mir war auf einmal bewusst, wie glücklich mein Vater mit seiner Arbeit ist.“
Für Johann Bartsch wie für Großvater Heinrich war der Weg vorbestimmt. Deswegen stellte Johann Bartsch die Geigenbaumeisterin Eva Herweg ein, ließ seinen Sohn ziehen und nahm keinen Einfluss auf dessen Zukunft. Dass sein Sohn „zurückgefunden hat“ und sie gemeinsam die Tradition weiterführen, erfüllt ihn mit Stolz. Trotz seines Rentenalters ist er jeden Tag in der Werkstatt. Ihn lässt die Liebe zum Beruf nicht los. „Sehr zum Bedauern meiner Frau“, sagt er.
Gerade bearbeitet er mit dem Stecheisen den Deckel eines neuen Cellos, fräst das Fichtenholz auf Zehntel-Millimeter genau aus. Bis zu 200 Stunden braucht er für ein Instrument. Wie es später klingt, hängt von der Güte und dem Alter des Holzes und der Ausarbeitung ab, „aber manchmal auch von einem Quäntchen Glück“. Und natürlich von dem späteren Besitzer: Er gibt mit seiner Kunst dem Instrument seine ganz eigene Farbe. Trotzdem gibt es auch altes Wissen und Geheimnisse, wie die Rezeptur des Lackes oder des Leimes, die die Familie von Generation zu Generation weitergibt. Ob auch der dreijährige Paul, jüngster Sohn von Florian Bartsch, mal in die Fußstapfen seiner Vorfahren tritt, ist ungewiss: „Er hat zwar eine deutlich Affinität zu Werkzeug aller Art, bevorzugt derzeit aber eher die Kettensäge als das Halseisen.“