Frankfurt. . Die Liebe der Deutschen zum Auto ist ungebrochen, davon kann man sich nächste Woche auf der IAA überzeugen. Man kann aber auch einfach Menschen befragen, die sich auskennen: Wir wollten von Liebhaber, Kennern und Experten wissen, woher die automobile Leidenschaft kommt.
Die IAA wird 65, und mindestens ebenso häufig wurde der Untergang des Autolandes beschworen. Heute nach der Formel: Das multifunktionale Smartphone drängt das stur von A nach B fahrende Automobil ab, zuerst bei jungen Leuten in den Metropolen. Bleibt unsere Liebe zu Lenkrad und Gaspedal, Hupe und Blinker links langsam auf der Strecke? Auf der Mobilmekkamesse nächste Woche in Frankfurt wird davon wieder nichts zu spüren sein.
Tausende von gut gecasteten Models und Mädchen werden nächste Woche auf hohen Absätzen die Ware Auto an den Mann bringen. Der ist im Schnitt etwas älter geworden, aber sind wir das nicht alle? Dass es heute weniger junge Leute gibt, die sich ein teurer gewordenes Auto weniger als früher leisten können, ist unstrittig. Dass die Kinder der Generation Golf zukünftig nur noch smartphonend E-Bike und Leihwagen fahren wollen, ist dagegen unbewiesen.
Etwas seltsamerweise steht im deutschen Autoland das Automobil traditionell stärker in der Kulturkritik als in jedem anderen Winkel der Erde. Das Auto war noch gar nicht richtig auf der Welt angekommen, da wurde es hierzulande bereits totgesagt. Eine vorübergehende Modeerscheinung, befand beispielsweise Kaiser Wilhelm II. und setzte obertänigst und wortwörtlich aufs Pferd. Es erwies sich schnell als das Falsche.
Nicht modisch, sondern modern
Das Auto war und ist in erster Linie nicht modisch, sondern ganz im Gegensatz zu seiner Majestät modern. Modern, weil die Menschen grenzenlos mobil sein wollen. Kaum sind die Grundbedürfnisse in einem aufstrebenden Land gedeckt, rackert und ackert die entstandene Mittelschicht, um sich ein Auto zu ersparen. Das ist jetzt in Indien, China und Brasilien nicht anders als vor 100 Jahren in den USA und vor einem halben Jahrhundert im Wirtschaftswunder-Deutschland.
Die eigenen vier rollenden Wände
Und warum fahren die Menschen politisch unkorrekterweise nicht in Massen Bus und Bahn, wo doch das Schienennetz in Deutschland bereits im Geburtsjahr des Autos feiner gestrickter war als heute? Weil die Menschen das Steuer am liebsten selbst in die Hand nehmen, den Fahrplan und die Geschwindigkeit bestimmen oder spontan umkehren wollen. Und das in den eigenen vier rollenden Wänden, mögen sie auch noch so blechern sein wie beim VW Käfer.
Aus Blech müssen diese gar nicht mehr sein, auch ein Auspuff darf fehlen. Selbst ein Lenkrad muss bald nicht mehr sein, die vollständige Verschmelzung mit dem Smartphone in der Hosentasche schon. Denn wir werden unser Auto lieben, so lange es dahin fährt, wohin wir wollen.
Die IAA: Wann, wo, wie viel?
Die 65. Internationale Automobil Ausstellung (IAA) läuft vom 12. bis 22. September in Frankfurt. Die bedeutendste Messe der Welt für Automobilität ist täglich von 9 bis 19 Uhr geöffnet, mehr als 1000 Aussteller zeigen dort wieder ihre neuesten Modelle und Innovationen. Die Tagestickets für die Messe kosten regulär 13 Euro in der Woche, 15 Euro am Wochenende. Mehr Informationen und Tickets bekommen Sie unter www.iaa.de
Unsere Auto-Biografien
Die Liebe der Deutschen zum Auto ist ungebrochen, davon kann man sich auf der IAA überzeugen. Wir haben im folgenden Liebhaber, Kenner und Experten zu ihrer Leidenschaft befragt.
Lutz Fügener (47), Professor für Autodesign
Zu den Pflichten meiner Tätigkeit gehört, künftige Fahrzeugdesigner darauf zu prüfen, ob sie auch die künstlerischen Voraussetzungen für diesen Studiengang mitbringen. Dafür müssen sie unter anderem auf einer Seite begründen, warum sie Fahrzeugdesigner werden möchten. Der mit großem Abstand häufigste Auftakt dieses Schreibens über die eigene Motivation lautet sinngemäß: „Schon seit frühster Kindheit interessiere ich mich für das Automobil.“ Was wie eine abgegriffene Floskel klingt, halte ich heute für die schlichte Wahrheit.
Meine Eltern erzählen folgende, aus dem Jahr 1967 stammende Geschichte: An einem schönen Abend saßen sie bei Nachbarn zum gemeinsamen Kartenspiel. Mein Bruder und ich schliefen in der elterlichen Wohnung. Mein Vater kehrte von einem – offensichtlich in größeren Abständen durchgeführten – Kontrollbesuch in leicht irritierter Verfassung zurück und forderte zur Erklärung die Runde zur gemeinsamen Besichtigung der eigenen Wohnung auf.
Dort ergab sich folgendes Bild: Auf der Tapete des Wohnzimmers staute sich in verräterischer Schulterhöhe eines Zweijährigen ringsum und lediglich durch an der Wand stehende Möbel unterbrochen, eine geschlossene Kette von mit Buntstiften dargestellten Autos, Lastwagen und Bussen. Auf Höhe des Sofas versprang der Stau aus nachvollziehbaren Gründen nach oben, um danach wieder auf Normal über Null abzusinken. Der ohne größeren Aufwand ermittelte Verfasser des Werkes lag während dieser Zeit in seinem Bett und schlief.
Es ist eine unbequeme, weil wenig intellektuelle Erklärung für die anhaltend emotionale Verbindung zum Auto: Es ist groß, bunt, bewegt sich, macht dabei Geräusche und gehört so zu den sehr frühen Wahrnehmungen eines Kindes. Kommen dazu noch Erfahrungen wie das vom Brummen des Motors untermalte wohlige Schaukeln während der Fahrt dazu, führt das bei den meisten Kindern zu einer Phase der intensiven Fixierung. Ich fürchte, mit vielen das Schicksal zu teilen, aus dieser Phase einfach nicht mehr herausgekommen zu sein.
Ich kann mich nicht erinnern, ob ich 22 Jahre später selbst für die Bewerbung zum Designstudium ein solches Motivationsschreiben verfassen musste. Falls ja, wäre der einzig zutreffende Auftakt gewesen: „Schon seit frühster Kindheit . . .“.
Wolfgang Schöller (70), Erfinder der Motorshow in Essen
Das erste Auto ist wie die erste Liebe – man vergisst es nicht. Mein erstes fiel mir eher durch Zufall in die Hände, und gleich ein Traumwagen der Nachkriegszeit. Ein pensionierter Straßenbahnfahrer hatte sich 1959 von seinem Lottogewinn einen schwarzen Mercedes-Benz 220 S mit cognacfarbiger Lederausstattung für damals sagenhafte 20 000 Mark gekauft. In drei Jahren fuhr der ängstliche alte Herr nur 3000 Kilometer, dann stand das Coupé für lächerliche 6000 Mark zum Verkauf.
Zu viel für einen 19-Jährigen, aber ich konnt meine Mutter vom „Superschnäppchen“ überzeugen. Ein nach dem Kauf befragter Gebrauchtwagenhändler bot das Doppelte des Preises. Nach zwei ereignisreichen Jahren konnte ich den Edel-Mercedes mit 3000 Mark Gewinn verkaufen. Ich hätte es nicht tun sollen.
Seit 1968 habe ich die Essener Motor-Show organisiert und konnte tausende der schönsten, seltensten, ausgefallensten und teuersten Wagen der Welt nach Essen bringen. Aber ein Auto wie mein erstes fand ich nie wieder. Ich hätte es sonst auch als Sammlerstück sofort gekauft. So bleibt mir nur die Erinnerung.
Michael Angenendt, (42), Schlosser, Künstler, Autobastler
Bei mir fing die Autoliebe mit Filmen an: In „Blues Brothers“ knallten so herrlich Autos mit anderen Autos zusammen. Später haben „Mad Max“ und „Harold And Maude“ mich geprägt. Vor 17 Jahren habe ich den 1968er Opel Admiral gekauft, der unter anderem als Leichenwagen gedient hatte. Der Wagen war damals Schrott, aber er bot Platz und es passte eine Gasanlage rein. In 500 Stunden habe ich ihn aufgebaut. Seitdem steckt Arbeit, Kreativität und Herzblut darin. Man wächst ja zusammen mit dem Wagen. Ich könnte ihn nicht mehr abgeben. Ich bin damit zu meiner Hochzeit gefahren, zur Scheidung hätte ich damit auch fahren können. Und meinen Sohn habe ich darin gezeugt.
Der Admiral war der Star in B-Movies, Musikvideos – und Horror-Autor Jason Dark hat mir und dem Wagen einen „John Sinclair“-Roman gewidmet. Am kommenden Freitag, den 13., kutschiere ich das mittlerweile vierte Paar mit dem Wagen zur Hochzeit. Wer sich eine Horrorhochzeit wünscht, der sollte ja nicht unbedingt im schneeweißen Golf dort vorfahren müssen. Info: facebook.com/michael.angenendt.7
Matthias Wissmann (64), Präsident des VDA
Von seiner Erfindung bis zum ausgereiften Premium-Produkt heutiger Tage ist das Automobil eine einzigartige deutsche Erfolgsgeschichte, die weltweit ihren Siegeszug fortsetzt. Seit nunmehr über 125 Jahren sorgen Erfinder, Techniker und Designer für einen intensiven Wettbewerb um die besten Ideen. Die 65. IAA, die nun in Frankfurt am Main stattfindet, zeigt mit ihren vielen Weltpremieren die faszinierende Innovationskraft der gesamten Branche.
Auf der IAA wird auch für alle deutlich: Das Auto ist viel mehr als nur ein Transportmittel. Es ist Emotion, Faszination, ein Stück Freiheit und Ausdruck der Persönlichkeit des Besitzers. Die Dynamik der Pkw-Märkte in China, USA und vielen anderen Ländern ist Beleg dafür, dass die „Faszination Auto“ kulturübergreifend ist und von jeder Generation wieder neu entdeckt wird. Neben dem reinen Fahrerlebnis kommt nun die Vernetzung des Autos hinzu. Die Welt des Internets und die Welt des Automobils wachsen zur Einheit zusammen. Das Auto dient damit nicht nur der individuellen Mobilität, sondern wird zur mobilen Kommunikationsplattform.
Wolfgang Lohbeck (68), Auto-Experte von Greenpeace
Auto – das war einmal für mich. Das lustige Vehikel auf vier Rädern, das vorwärts und rückwärts fahren, nach links und rechts lenken kann – endgültig Vergangenheit. Es macht keinen Spaß mehr.
Ich steige in mein Auto und denke: Was war eigentlich früher anders? Ich freute mich doch darauf, auf vier Rädern herumzukurven, heute ist es mir lästig.
Was ist aus den netten und freundlichen kleinen Fahrzeugen geworden, die so nützlich und praktisch waren, deren Technik ich verstand und manchmal sogar reparieren konnte? Längst ist mein Motor eine „Black Box“, ein unbekanntes Wesen.
Vergessen ist die Vision von Freiheit und Mobilität, ich stehe im Stau und finde keinen Platz mehr, weder zum Fahren noch zum Parken. Und die sympathischen kleinen Vehikel von einst mutierten zu tonnenschweren Ungetümen. Keine Frage, aus dem Spaßobjekt wurde ein Moloch.
Ich würde gern (wieder) meinen alten, kleinen Fiat 500 fahren, der war sympathisch, ausreichend für fast alle Transportaufgaben und sparsam. Aber in einem Crash mit einem 2,5-Tonnen Monster hätte ich heute keine Chance.
Walter Röhrl (66), mehrfacher Rallye-Weltmeister
Als Achtjähriger habe ich mich einfach ans Steuer des Fiats meines Vaters gesetzt und den Zündschlüssel herumgedreht. Die wahre Liebe zum Auto kam aber erst, als ich zehn war. Ich hatte einen Bruder, der zehn Jahre älter war und schon einen Porsche 356 besaß. Der hat mich ungeheuer beeinflusst.
Und ich bin damals schon gut Ski gefahren, besonders in einem ästhetischen Sinne der perfekten Beherrschung. Genauso musste es für mich beim Autofahren werden. Der Wagen muss zu einem Körperteil werden wie der kleine Finger. Geschwindigkeit spielt da gar nicht die Rolle. Es geht um Perfektion. Das große Geheimnis ist, das Auto rollen zu lassen. Bei den damaligen, anfälligen Rallyeautos ging es auch um das Schonen der Autos. Einen Spruch von mir haben sich Leute auf Postkarten drucken lassen: ,Ein Auto kann man nicht behandeln wie einen Menschen. Ein Auto muss man lieben.’
Brigitte Kraemer (59), Ruhrgebiets-Fotografin
Mein schönstes Auto war ein kaffeebrauner Saab 96. Das Auto war mein absolutes Lieblingsauto. Wenn mir bei Fototerminen auf dem Parkplatz der Direktor entgegenkam, stoppte er seinen „Supermercedes“ und bewunderte meine alte Kiste. Ich war mit meinem alten Auto schon etwas Besonderes. Das hat mir gut gefallen. Der allgemeine Autowahn, von dem zugegebenermaßen nicht „nur“ Männer betroffen sind, Männer aber deutlich mehr dabei empfinden, ist für lange Zeit mein Thema gewesen, dem ich mich fotografisch gewidmet habe.
Als der Saab dann nach vielen Jahren nicht mehr den TÜV geschafft hat, war die schöne Autozeit für mich vorbei. Ich zeige seitdem keinerlei Gefühle mehr für Autos. Alle neueren Kleinwagen sehen für mich gleich aus und ich benutze das Auto seitdem als Fahrzeug, das mich möglichst preiswert von A nach B bringt. Ich fahre im Moment einen Mazda Kombi mit LPG-Gasanlage, der allerdings auch schon wieder 23 Jahre alt ist.
Es gibt allerdings noch eine zweite Autoleidenschaft in meinem Leben – einen 35 Jahre alten Mercedes Transporter, umgebaut zum Wohnmobil, der von uns meist „Bussi“ genannt wird. Da man für diesen Diesel im Ruhrgebiet keine grüne Plakette bekommt und er eigentlich gar nicht mehr benutzt werden konnte, haben wir mit viel Glück ein H Kennzeichen bekommen. Jetzt kann er fahren bis er seinen Geist aufgibt. 450 000 km hat er bereits hinter sich. So ein altes Auto benötigt natürlich auch besondere Pflege.
Regelmäßig geht es mit dem Wohnmobil, das Kanu auf dem Dach, nach Schweden. Man reist damit unabhängig und flexibel. Nichts muss geplant werden. Man hat alles dabei, was man zum Leben braucht, und merkt sehr schnell, dass man mit ganz wenigen Dingen auf kleinstem Raum bestens klarkommt.