Beverly Hills. . „Breaking Bad“, die beste US-Fernsehserie seit Ewigkeiten, startet nun in die letzte Runde. Noch acht Folgen, dann weiß die Fangemeinde, wie es mit Walter White und seiner mörderischen Drogenmidlife-Krise endet. Eine Begegnung mit Bryan Cranston, dem preisgekrönten Hauptdarsteller.
Im Four Seasons in Beverly Hills riecht es an diesem heißen Tag streng nach Käse. Die nervöse Frau von der Produktionsfirma bittet die Hotel-Küche, noch schnell geruchsneutralen Mozzarella aufzutischen. Weiß man doch, hinterher schreiben die Journalisten sonst von „dicker Luft“ bei „Breaking Bad“. Eine Kollegin vom indischen Fernsehen, die eigentlich über Politik berichtet, geht zum letzten Mal die Fragen durch, die ihr der Sender durchtelefoniert hat. „Wie wird die Sache ausgehen?“ lautet die erste.
Die Sache, das ist die Geschichte von Walter White. Ein Max Mustermann-Mann aus der amerikanischen Mittelschicht, verheiratet (Skyler) anfangs ein Kind (behindert), wohnhaft in einem Reihenhaus in Albuquerque/Bundesstaat New Mexiko (viel Gegend, noch mehr Kakteen). Schon um die Therapien für seinen gelähmten Sohn zu bestreiten, muss er im Zweitjob in einer Waschanlage Autos schrubben.
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Nach einer Lungenkrebs-Diagnose bricht alles zusammen. Neues entsteht. Mit einem ehemaligen Schüler kocht White die Teufelsdroge Crystal Meth und wird Dealer. Weil er von seinem mickrigen Chemielehrer-Einkommen die Arztrechnungen nicht bezahlen kann, geschweige denn eine Erbschaft hinterlassen. Das war in Folge 1, Frühjahr 2008, und für damalige Fernsehserien-Verhältnisse von Akte X-Erschaffer Vince Gilligan reichlich unkonventionell erzählt.
Ein halbes Jahrzehnt und 54 Episoden „Breaking Bad“ später ist Walter White zum wortkargen, sparsam grimassierenden, soziopathischen Drogen-Zar geworden, der seine Umwelt wie ein Krebsgeschwür im Endstadium metastasiert hat. Mexikanische Kartelle macht dieser in Khakis und Feinripp-Schlüpfern auftretende Herr der Finsternis, gegen den Colonel Kurtz in Coppolas „Apocalypse Now“ ein liebenswürdiger Zeitgenosse ist, mit der Präzision einer Kampfdrohne zur Minna. Zur Not werden an Rollstühlen Sprengsätze befestigt, um Konkurrenten ins Jenseits zu befördern.
Bevor ab 11. August in den USA (und zwei Tage später in Deutschland auf dem Bezahlsender AXN) die letzten acht Folgen ausgestrahlt werden, zerbricht sich in über 30 Ländern der Erde eine gewaltige Fan-Gemeinde den Kopf über das Ende des als bester TV-Serie seit Ewigkeiten geltenden Kulturphänomens. Rafft der Krebs das Ekelpaket endlich dahin? Schnappt der Drogenfahnder, zufällig sein Schwager Hank, doch noch zu? Stellt ihm sein granatenirrer Komplize Jesse ein Bein? Oder jagt sich der Mann beim Moleküle-Mischen selbst in die Luft?
Schnitt.
Der Käse-Geruch hat sich verzogen. Eine Tür geht auf. Bryan Cranston kommt herein. Der Mann, der als Walter White dreimal in Folge mit dem prestigeträchtigsten Preis der Fernsehwelt, dem Emmy, belohnt wurde, sieht entschieden besser aus als im Fernsehen. Die Chemotherapie-Glatze ist vollem Haupthaar gewichen. In den Augen blitzt der Schalk. Fragen wir ihn also . . .
Sind Sie am 29. September gegen 22 Uhr amerikanischer Ostküstenzeit am Ende der letzten Folge noch am Fernseh-Leben. Und wenn ja – warum?
Bryan Cranston: (grinst) Ich kann nur sagen, es geht los wie eine Rakete, echt nervenaufreibend. Diese letzten Folgen sind eine extreme Achterbahnfahrt. Es gibt wenig zu lachen, auch wenn Walter seine Freude gleichmäßig über alle verteilt. Es wird furchtbar. Aber am Ende werden die Zuschauer, denke ich, sehr zufrieden sein.
Sie sind jetzt 57 und hatten schon, pardon, fast 30 Jahre eher unspektakuläre Schauspielerei auf dem Buckel, bevor Ihnen „Breaking Bad“ widerfuhr und sie zum Weltstar machte. Muss sich komisch anfühlen, die Kraft des späten Ruhms, oder?
Cranston: In diesem Geschäft braucht man nicht nur ein exzellentes Drehbuch. Und Schauspieler, die alles geben. Man braucht auch tonnenweise Glück. Das hatten wir. Ich fühle mich jedenfalls wie ein Lotterie-Gewinner. Ich komme aus kleinen Verhältnissen. Meine Karriere ist durch „Breaking Bad“ geradezu explodiert. Viele wollen jetzt mit mir arbeiten. Ich fühle mich geschmeichelt und geehrt. Wie gesagt – sehr viel Glück gehabt.
Walter White macht einen atemverschlagenden Abstieg in die Abgründe der menschlichen Niedertracht. Sie spielen diesen Mann zum Fürchten intensiv. Wie viel White lauert tief in Ihnen?
Cranston: Als Mann, als Familienvater kann ich einiges verstehen, was in ihm vorgegangen ist. Ich bin davon überzeugt, dass jeder von uns das Potenzial besitzt, zu einer Gefahr zu werden und aus der Norm auszubrechen, wenn die eigene Existenz plötzlich auf dem Spiel steht und viele Umstände zusammenkommen. Ich habe diese dunkle Seite, ich weiß es.
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Wann hat sie sich zuletzt gezeigt?
Cranston: Es ist schon viele Jahre her. Ich dachte ernsthaft darüber nach, eine Freundin umzubringen. Sie hat mich verfolgt. Sie war drogenkrank und zu vielem fähig. Ich habe mir in allen Einzelheiten vorgestellt, wie ich ihren Kopf in meinem Appartement vor die Wand schleudere. Ich muss vorübergehend geisteskrank gewesen sein. Als ich das erkannte, zuckte ich zusammen und rief die Polizei. Ich war kurzzeitig wirklich in der Lage, ihr und mir gewaltigen Schaden zuzufügen.
Wie erklären Sie sich den weltweiten Erfolg und die sektenähnliche Anhängerschaft der Serie?
Cranston: Wir haben einen Punkt berührt, mit dem sich viele Menschen identifizieren können. Wie gesagt: Wir alle haben eine dunkle Seite in uns. Faszinierend für mich war, dass man nicht ausgelacht wird, wenn man sich öffnet und diese düstere Seite der Persönlichkeit offen zeigt.
„Breaking Bad“ bricht mit einer Regel des Serien-Geschäfts. Zuschauer wollen Verlässlichkeit. Der Held darf in Folge 20 kein völlig anderer sein. Sie sind der besorgte, ehrpusselige Dad am Anfang und „Scarface“ am Ende. Wie ging das denn?
Cranston: Dass dieses Experiment funktioniert hat, ist das große Verdienst von Vince Gilligan und seinen sechs Drehbuchschreibern. Und es war der entscheidende Impuls für mich, diese Rolle unbedingt spielen zu wollen. Erst sympathisieren die Zuschauer mit Walter White. Seinen Absturz aus dem Alltag kann jeder nachempfinden. Dann wird er ganz allmählich immer abgründiger und dunkler. Vince Gilligan hat sich viel Zeit nehmen können, um die Geschichte zu erzählen und die Figuren in all ihren Wandlungen zu zeichnen. Trotzdem haben wir uns oft gefragt: Ab wann wird sich das Publikum abwenden, wie böse können wir diesen Typen noch machen. Ich bin ehrlich gesagt manchmal erstaunt gewesen, wie viele Zuschauer uns die Treue gehalten haben.
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Wie spielt man ein Monster? Und wie schalten Sie ab?
Cranston: Am Anfang ist man wie ein trockener Schwamm, der sich Schritt für Schritt mit dem Drehbuch vollsaugt. Wir haben für eine Episode acht Tage am Stück gedreht. Jeweils 13 Stunden. Das kostet Kraft. Ich habe versucht, vor jeder Szene Normalität zu gewinnen, Ruhe und Distanz. Ich habe mich schlafen gelegt in meinem Wohnwagen-Trailer oder mit meiner Frau telefoniert. Danach war es pure Konzentration. Und der Wille, hundert Prozent zu geben. Was das Abschalten angeht: Für mich funktionieren Disney-Filme ganz gut.
Anna Gunn, die Ihre Frau Skyler spielt, hat uns erzählt, dass am Set zum Schluss Tränen geflossen sind. Aus Freude?
Cranston: Wir waren über fünf Jahre zusammen. Da vermisst man sich. Je näher es dem Ende zugeht, desto intensiver wurde dieser Ritt in die Hölle. Wir haben das Skript oft erst kurz vor den Dreharbeiten gelesen und uns gefragt: Sehen wir den oder die in der nächsten Folge wohl noch einmal wieder?