Oberhausen. Die Oberhausener Antony-Hütte gilt als Geburtsstätte der Ruhrindustrie. Noch heute erzählt sie von bedeutenden Innovationen und mächtigen Frauen.
Im großen Garten des Fachwerkhäuschens mit den grünen Fensterläden summen Bienen. In das Plätschern des vorbeifließenden Baches mischt sich Kinderlachen, das vom gegenüberliegenden Spielplatz herüberschallt. So idyllisch klingt sie heute, die Geburtsstätte der Ruhrindustrie.
Wer die St. Antony-Hütte in Oberhausen besucht, dem erschließt sich nicht auf den ersten Blick, dass hier zum ersten Mal Roheisen im Ruhrgebiet floss. „Die St. Antony-Hütte ist die Wiege der Ruhrindustrie“, sagt Kornelia Panek. Die Museumsleiterin nimmt Besucherinnen und Besucher mit auf eine Reise in die Vergangenheit – und erzählt vom Beginn der Eisen- und Stahlindustrie, vom harten Leben der Arbeiter und von mächtigen Frauen.
Oberhausener Antony-Hütte: „Eisenverhüttung ist ein ganz altes Handwerk“
Den Anfang der Geschichte der St. Antony-Hütte schrieb allerdings ein Mann: Franz Ferdinand von der Wenge zu Dieck, Adeliger und Domkapitular mit einem guten Geschäftssinn. „Die Landschaft im Ruhrgebiet war sehr trocken, die Gegend war ziemlich arm. Aber was diese arme Gegend unter ihrem trockenen und unfruchtbaren Boden hatte, war Eisenerz. Das war den Leuten schon immer bekannt“, erzählt Panek.
Was die meisten Bewohner nicht wussten, Freiherr von der Wenge durch seine vielen Reisen allerdings schon: Wie man das Erz verarbeitet. „Eisenverhüttung ist ein ganz altes Handwerk. Am Niederrhein, im Siegerland, in den Niederlanden wurde es schon lange betrieben, allerdings nie im großen Stil.“ Das wollte von der Wenge ändern. Im heutigen Oberhausen fand er den perfekten Standort für seine Hütte.
„Hier war viel Erz vorhanden. Es gab genug Wälder, aus denen man Holzkohle gewinnen konnte. Und der Bach war in der Lage, die Wasserräder anzutreiben, die dann wiederum alle anderen Maschinen antrieben. Wasser war die Kraft vor der Kohle“, sagt Panek. Auf die Genehmigung für sein Vorhaben wartet der angehende Unternehmer allerdings 15 Jahre. „Erst, nachdem er westfälischen Schinken zur Verwaltung nach Bonn geschickt hatte, bekam er die Erlaubnis“, sagt Panek.
So groß von der Wenges Freude darüber war, so groß war der Frust der in der Nachbarschaft lebenden Klosterfrauen. Sie nutzten den Bach, der die Maschinen der St. Antony-Hütte antreiben sollte, zum Bier brauen, Wäsche waschen und bewässern ihres Gartens. „Sie sind gerichtlich gegen den Bau der Antony-Hütte vorgegangen. Das Interessante ist, dass ihre Klage auch mit dem Hinweis auf den Eigensinn der Frauen im Allgemeinen und der Klosterfrauen im Besonderen abgewiesen wurde.“
1752 begann der Bau, 1758 ging die St. Antony-Hütte schließlich in Betrieb. Die Verhüttung funktionierte im Prinzip wie das Kochen eines Eintopfs, erklärt Panek: Man nehme Eisenerz, Kalk und Koks. Die Zutaten werden im Kochtopf – dem Hochofen – solange erhitzt, bis das Eisenerz schmilzt und sich von der Schlacke trennt. Die Schlacke wiederum hängt sich dann an den Kalk, der wie eine Art Bindemittel ist.
Wenn alles schön flüssig ist, macht man den Ofen aus und es läuft alles in die dafür vorgesehen Formen laufen. Hergestellt wurden anfangs vor allem Haushaltsgeräte wie Töpfe, Pfannen und Ofenplatten, später dann auch Maschinenteile und Kanonenkugeln.
Das Geschäft lief gut und beeindruckte auch zwei Frauen, die eine wichtige Rolle spielen sollten. Eine von ihnen ist Maria Kunigunde von Sachsen. Sie war Fürstäbtissin und Landesherrin – und setzte sich dafür ein, dass in unmittelbarer Nähe zur Antony-Hütte eine weitere Eisenhütte gebaut wurde, die Hütte Neu-Essen. Und auch eine dritte Eisenhütte wurde in unmittelbarer Nähe gebaut, die Hütte Gute Hoffnung. Eine der wichtigsten Investorinnen: Helene Amalie Krupp, die damit die finanziellen Grundlagen für den späteren Erfolg ihrer Dynastie legte. Geschickte Geschäftsbeziehungen führten dazu, dass alle drei Hütten schließlich zusammengeführt wurden.
Beteiligt daran waren unter anderem die Haniels, die Huyssens und die Krupps. „Alle wichtigen Namen, die fürs Ruhrgebiet und seine Entwicklungen im 19. Jahrhundert stehen, hatte man hier bereits beisammen“, sagt Panek. Die Vereinigung der Hütten bedeutete für die Antony-Hütte jedoch auch ihr baldiges Ende. Sie war verkehrstechnisch nicht so gut angeschlossen wie ihre Konkurrenten, was dazu führte, dass sie bereits 1873 – also etwa 120 Jahre nach ihrem Bau – stillgelegt wurde.
Oberhausener Antony-Hütte: „Dieser Mythos ist ziemlich blass“
„Dieser Mythos ist wirklich ziemlich blass“, sagt Panek. Doch anders als die meisten Industriebauten geht die St. Antony-Hütte nicht gänzlich verloren. Vieles wird zwar abgerissen, jedoch nicht überbaut. So konnten im industriearchäologischen Park des Museums Fundamente des alten Hüttenwerks freigelegt werden.
Die Zeit überdauert hat auch das einstige Wohnhaus der ehemaligen Hüttendirektoren. In dem Fachwerkhaus ist heute das Museum samt Café untergebracht. „Wir wollen mehr sein als ein Museum“, sagt Kornelia Panek. „Wir wollen ein Treffpunkt in der Nachbarschaft sein, wo sich die Leute ausruhen und austauschen können. Und das alles an einem Ort, der den Gründungsmythos des Ruhrgebiets widerspiegelt.“
>>> Das Museum der St. Antony-Hütte
Das Museum der St. Antony-Hütte (Antoniestr. 32-34) ist Di-Fr von 10 bis 17 Uhr und Sa+So von 11 bis 18 Uhr geöffnet, 5,50 € Eintritt. Alle weiteren Infos: www.industriemuseum.lvr.de/de/die_museen/st__antony/st_antony_huette.html