Bottrop. Video-Nostalgie: In Bottrop behauptet sich eine der letzten Videotheken des Ruhrgebiets. Wer sie besucht, kann sich auf eine Zeitreise begeben.

Es gab eine Zeit, Ende der 80er-Jahre, in der war das Ruhrgebiet das reinste Paradies für die Jünger des Heimvideos. Die Stadt Oberhausen, hatte ein kluger Kopf ausgerechnet, wies die höchste Dichte an Videotheken bundesweit aus. Tatsächlich fand man auch in den kleinsten Stadtteilen Ausleihstellen für alles, was je als Film erschienen war. Vom zigmillionenschweren Hollywood-Blockbuster bis zum obskuren Karate-Klopper aus Hongkong, damals natürlich alles noch auf VHS-Kassette, selten sogar Betamax oder Video2000.

Es war eben die Zeit, in der das Odeon Video Center in Bottrop eröffnet wurde, am 13. November 1992. Zu den brandheißen Filmhits zählten damals „Basic Instinct, „Kevin – Allein in New York“ und „Otto – Der Liebesfilm“. Um zu beschreiben, was die Odeon-Videothek heute bedeutet, sollte man allerdings eher einen Filmtitel mit Bruce Willis zitieren: „Last Man Standing“.

Die letzte Videothek in Bottrop

In Bottrop ist sie die letzte ihrer Art, in anderen Städten wie Bochum gibt es noch einzelne Videotheken, aber: „Oberhausen, Gelsenkirchen, Dortmund, Gladbeck, Ratingen, Mettmann, Null. Alles weg“, sagt Susanna Horstmann, die schon gut zwei Monate nach der Eröffnung erstmals hinter der Odeon-Theke stand und den Laden vor gut zehn Jahren von ihrem ehemaligen Chef übernahm.

Damals liefen die Geschäfte nicht so gut – und man sieht schon an der obigen Landkarte des Videothekensterbens, welche weitreichenden Verwüstungen die Streamingriesen Netflix, Prime & Co. in den vergangenen neun Jahren in der Branche angerichtet haben.

Eine Fassade, wie man sie nur noch selten sieht: das Odeon Video Center in Bottrop.
Eine Fassade, wie man sie nur noch selten sieht: das Odeon Video Center in Bottrop. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Wenn man heute einen Schritt ins Odeon Video Center wagt, begreift man auf den ersten Blick, was so eine echte, real existierende Videothek mal ausgemacht hat: Eine schlicht überwältigende Auswahl von Filmen unterschiedlichster Art, Fantasy aus Fernost, eine ganze Wand von Bollywood-Schmonzetten, Hip-Hop-Dramen, Weltuntergangs-Beschwörungen, französische Autorenfilme.

Während Online-Videotheken darauf setzen, auf den heimischen Mammutfernsehern ein möglichst übersichtliches Angebot von aktuellen Filmen und zeitweise lizenzierten, meist noch nicht so alten Filmen zu präsentieren und so Fülle suggerieren, kann man in der echten Videothek auch mal ein Stündchen in der breiten Auswahl schwelgen, um etwa ein Paket (drei Filme, drei Kalendertage, acht Euro) zusammenzustellen.

Kult-Klassiker in Bottroper Videothek

Und wenn man einen Tipp möchte, kann man Susanna Horstmann (59) persönlich fragen, die natürlich mit ihren 30 Jahren Branchen-Erfahrung verblüffend viele Filme selbst gesehen hat. Ihr Lieblingsfilm? Ganz klar: „Ghost – Nachricht von Sam“ von 1990, steht mit schon ausgebleichtem Cover in der Wand mit dem Schildchen „Kult Klassiker“.

Dort findet man auch „Scarface“, „Casablanca“ oder „Ist das Leben nicht schön?“ Manchmal gibt es Leerstellen im Sortiment: Zwischen „Feuer, Eis & Dosenbier“ und „Die Geister, die ich rief“ prangt auf einer Leerhülle die Notiz „Ich wurde verkauft..“

Wie viele Filme sind hier zu finden? „Tausende. Ich weiß nicht… Zwei-, drei-, vier-, fünftausend, ich weiß es wirklich nicht, ich zähle die auch nicht mehr“, sagt die Besitzerin, die hingegen ganz genau weiß, dass sie 440 Quadratmeter Ladenfläche für ihr Angebot hat.

Im Odeon Video Center in Bottrop gibt es eine riesige Auswahl – für Kinder und für Erwachsene.
Im Odeon Video Center in Bottrop gibt es eine riesige Auswahl – für Kinder und für Erwachsene. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Der Druck, immer die neuesten Filme zu haben, wenn sie gerade aus dem Kino raus sind, besteht nach wie vor, aber er ist nicht mehr so brutal wie zu Zeiten, als vor Ort erbitterte Konkurrenz zwischen den Videotheken herrschte. Heute zahlt sich eher aus, dass man viele Filme im Angebot hat, die schon so lange im Rennen sind, dass sie teils zu Raritäten geworden sind. „Viele Klassiker laufen nicht auf Netflix, nicht bei Amazon, nicht bei Sky. Oder wenn, dann müssen die Kunden viel Geld dafür bezahlen. Dann kommen sie lieber zu uns“, sagt Susanna Horstmann.

Bleibt die Frage: Warum gibt es das Odeon Video Center noch, während überall drumherum die Konkurrenz schließen musste? Das Geheimnis liegt in Susanna Horstmann selbst, die von vornherein sehr viel in Eigenregie gemacht hat, natürlich auch, weil sie sich nicht viel Personal leisten konnte. Sie ist nicht zu bequem, fast jeden Tag die gut 70 Kilometer von Hagen nach Bottrop zu fahren. Und hat seit 2007 keinen Urlaub mehr gemacht.

Für echte Nostalgiker hat die Videothekarin sogar VHS-Kassetten da, etwa die Star-Wars-Trilogie, natürlich die erste! Manchmal werden die Bänder noch nachgefragt. Aber es ist lange her, dass jemand vergessen hat, eine Kassette zurückzuspulen. Horstmann weiß, wie hoch die Strafgebühr war, der Alptraum jedes Video-Kunden: „50 Pfennige!“

Das Odeon Video Center in Bottrop

Odeon Video Center, Essener Straße 27-29, Bottrop. Mo-Sa von 10- 19 Uhr. odeon-bottrop.videotheken-online.com

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