Bad Segeberg. Lange hat man den wichtigen Einfluss von Mooren auf unser Klima vernachlässigt. Nun werden immer mehr Gebiete renaturiert. Aber funktioniert das?

Grüne Wiesen, ein paar Bäume, flaches Land in Schleswig-Holstein. Die Bagger mittendrin passen eigentlich nichts in Bild. Doch Janis Ahrens hat lange dafür gearbeitet, dass sie dort stehen. „Wir renaturieren hier ein 73 Hektar großes Moor“, sagt der Projektleiter von der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein, klemmt seine Pläne für das Grotmoor unter den Arm und stapft in Gummistiefeln den frisch angelegten Wall hoch. Mit jedem Schritt sackt der 37-Jährige etwas ein, der weiche Torf gibt nach. Nicht nur hier, sondern bundesweit werden immer mehr trockengelegte Moore wieder vernässt. Laut aktuellem „Mooratlas 2023“ müssten es jährlich mindestens 50.000 Hektar sein, um die globalen Klimaziele zu erreichen. Aktuell sind es jedoch nur knapp 2000 Hektar.

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© dpa | dpa-infografik GmbH

Laut dem „Mooratlas 2023“ der Heinrich-Böll-Stiftung, des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Greifswalder Michael Succow Stiftung ist die Trockenlegung von Mooren mit mehr als zwei Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO2) für rund vier Prozent aller menschengemachten Emissionen verantwortlich. „Die weltweite Entwässerung von Mooren verursacht auch deutlich mehr CO2-Emissionen als der globale Flugverkehr“, sagt die Böll-Stiftung-Vorständin Imme Scholz. Haupttreiber der globalen Moorzerstörung seien die Land- und Forstwirtschaft. Die meisten Moore in Deutschland liegen in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern. Von den 1,8 Millionen Hektar Moorfläche in der Bundesrepublik würden derzeit 1,5 Millionen Hektar landwirtschaftlich genutzt: „Das Thema ist extrem lange stiefmütterlich behandelt worden, obwohl der Moorschutz großen Einfluss auf unsere Klimabilanz hat“, sagt der Geschäftsführer der Michael Succow Stiftung, Jan Peters. So entweichen jährlich 53 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente aus entwässerten Mooren in Deutschland, immerhin sieben Prozent der Gesamtemissionen. In der Landwirtschaft seien sie sogar für über 37 Prozent aller Treibhausgase verantwortlich.

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Komplizierte Besitzverhältnisse

Die Zeit drängt also. „Trockene Moorböden sind echte Klimakiller“, sagt auch Landschaftsplaner Ahrens. Werden Moore entwässert, gelangt Sauerstoff in den Boden und zersetzt den Torf. Dabei entweichen große Mengen CO2 und das über 300 Mal klimaschädlichere Lachgas in die Atmosphäre. Werden Moore dagegen wieder vernässt, „verwandeln sie sich in Klimaretter“, so Ahrens.

Ist das Moor dauerhaft nass, können sich wieder neue Torfschichten bilden und innerhalb weniger Jahre einen Großteil der CO2-Emissionen stoppen. Ahrens: „Nasse Moore sind die effektivsten Kohlenstoffspeicher der Welt.“ Ein Hektar intaktes Moor kann sechsmal so viel Kohlenstoff speichern wie ein Hektar Wald.

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Mit rund 187.000 Hektar zählt Schleswig-Holstein bundesweit zu den moorreichsten Gegenden. Im Rahmen des Programms Biologischer Klimaschutz fördert das Land seit 2020 die Renaturierung seiner Moore. Bis 2030 sollen 20.000 Hektar Moor wieder vernässt werden, 700.000 Tonnen Treibhausgase will das Land damit pro Jahr einsparen. Knackpunkte sind komplizierte Besitzverhältnisse bei Moorflächen. Zudem braucht die Landwirtschaft Alternativen. Janis Ahrens: „In nassen Mooren könnten sie etwa Schilf oder Reet anbauen.“

„Den Rest übernimmt die Natur“

Die Bauarbeiten im schleswig-holsteinischen Grotmoor sind ein Gemeinschaftsprojekt der Stiftung Naturschutz und der Schleswig-Holsteinischen Landesforsten. Spezial-Bagger mit den extra breiten Ketten bauen einen 6400 Meter langen Wall und neun Überläufe, an 46 Stellen werden Gräben angestaut, um das Wasser auf der Fläche zu halten. Die Arbeiten sind fast abgeschlossen.„Den Rest übernimmt dann die Natur“, so der Projektleiter.

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Von Matthias Korfmann (Text) und Stefan Arend (Fotos)

Schon nach wenigen Wochen sprießt das Grün auf den Wällen, in den ersten gebaggerten Senken steht bereits etwas Wasser. Als Sofort-Effekt werden schon in wenigen Jahren auf den 73 Hektar über 700 Tonnen CO2 eingespart. Bis das Moor wieder intakt ist, braucht es allerdings länger.

Ahrens freut sich schon darauf, wenn er die typischen Moor-Pflanzen Wollgras, Sonnentau und Glockenheide oder Tiere wie Kreuzotter, Kraniche und Moorfrösche beobachten kann. Für ihn ist die Renaturierung von Mooren eine perfekte Verbindung von Klima- und Artenschutz. Und wenn sich nach ein, zwei Wintern die Torfmoose angesiedelt haben, wächst auch die Torfschicht wieder. Ahrens lächelt: „In ein paar Jahren wird man die Fläche hier kaum wiedererkennen.“

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Die noch bestehenden Moorflächen sind in Deutschland sehr unterschiedlich verteilt, wie die Beispiele von der Bundesländern zeigen:

Nordrhein-Westfalen

Gab es etwa zu Beginn des 19. Jahrhunderts allein in Westfalen noch rund 6421 Hektar an Hochmooren, sind es heutzutage in ganz Nordrhein-Westfalen gerade einmal noch 789 Hektar. Bedeutende großflächige Moorgebiete in NRW sind heute noch das Oppenweher Moor (Kreis Minden-Lübbecke), das Amtsvenn, das Burlo-Vardingholter Venn (Kreis Borken), das Recker Moor, das Emsdetter Venn (Kreis Steinfurt), die Venngebiete im deutsch-belgischen Grenzbereich und das Große Torfmoor im Kreis Minden-Lübbecke.

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Niedersachsen

Niedersachsen ist das moorreichste Bundesland Deutschlands. Etwa 73 Prozent der deutschen Hochmoore und 18 Prozent der Niedermoore liegen hier. Sie bedecken rund 8 Prozent der Landesfläche, also 3800 Quadratmeter. Davon werden 70 Prozent landwirtschaftlich genutzt. Zu den wichtigsten Mooren gehören die Diepholzer Moorniederung im Dreieck zwischen Bremen, Hannover und Osnabrück, direkt an der Grenze zu NRW sowie die Hannoversche Moorgeest, bestehend aus vier Mooren: Helstorfer Moor, Bissendorfer Moor, Otternhagener Moor und das Schwarze Moor.

Thüringen

In Thüringen sind Moore und Moorwälder ein sehr selten zu findender Lebensraum. Sie kommen auf weniger als 0,1 Prozent der Landesfläche vor und umfassen insgesamt eine Fläche von etwa 1000 bis 2000 Hektar. Die Vorkommen beschränken sich auf den Thüringer Wald und das Westliche Schiefergebirge. Bereits im 18. Jahrhundert wurden im Thüringer Wald viele Moore entwässert und Torf abgebaut. Zusammen mit der Kultivierung der Umgebung führte dies zur erheblichen Flächenreduzierung der Moore.

Dies ist ein Artikel aus der Digitalen Sonntagszeitung. Die Digitale Sonntagszeitung ist für alle Zeitungsabonnenten kostenfrei. Hier können Sie sich freischalten lassen.Sie sind noch kein Abonnent? Hier geht es zu unseren Angeboten.