Dortmund/Athlone/Wicklow. Hannah aus Dortmund und Dennis aus Lünen sind wegen des Jobs nach Irland gezogen – und bleiben nun für immer. Über die Chancen des Auswanderns.
Auswandern: Viele spielen mit dem Gedanken, einige wagen den Schritt tatsächlich – wenn auch unabsichtlich. Hannah Sattler aus Dortmund und Dennis Hintz aus Lünen wollten eigentlich nur für kurze Zeit nach Irland. Doch beide sind geblieben.
Laut dem Statistischen Bundesamt ließen 247.829 Deutsche ihre Heimat im vergangenen Jahr hinter sich. Dass auch sie eines Tages mehr als tausend Kilometer von ihrer Heimat Dortmund entfernt glücklich werden würde, hätte Hannah Sattler niemals erwartet.
Dortmunderin verliert Job – und findet neue Stelle in Irland
Aufgewachsen in Dortmund-Brackel, Abitur auf der Geschwister Scholl Gesamtschule, Ausbildung bei der Continentale, Happy Hour im Café Extrablatt. Ganz gewöhnlich – bis ihr Arbeitgeber sie vor die Tür setzte. „Das war damals ein Schock“, sagt die heute 27-Jährige. Auf der Suche nach einer neuen Perspektive landete Ende 2018 aus dem Nichts Irland auf ihrem Bildschirm.
„Auf meiner Facebook-Seite erschien eine Stellenausschreibung aus Athlone“, sagt Sattler. Die 20.000-Einwohner-Stadt war ihr bekannt, denn ihre Eltern hatten dort, auf Irlands längstem Fluss, dem Shannon, schon mehrmals Urlaub auf einem Boot gemacht. Sattler bewarb sich, dann ging alles ganz flott: Zusage! Wann können Sie anfangen?
Hannah aus Dortmund verliebt sich in irischen Arbeitskollegen
Am 26. Februar 2019 ließ sie Dortmund mit gemischten Gefühlen hinter sich: „Geplant war, nach einem Jahr zurückzukommen. Ich konnte doch nicht ahnen, dass da plötzlich so ein schicker Typ in meinem Büro auftaucht.“ Im weltweit agierenden Medizinunternehmen Teleflex wurde der „schicke Typ“ von ihr angelernt, die Chemie stimmte sofort.
Im Juli 2021 verlobten sie sich, im April dieses Jahres heirateten sie im wohl ältesten Pub der Welt: In „Sean’s Bar“ kehrten die Iren angeblich schon im Mittelalter ein. Kein schlechter Ort für eine Hochzeit, fand auch Sattlers Vater Thomas. Vor Freude ließ er sich prompt die berühmte Guinness-Harfe auf den Arm tätowieren.
Dortmunderin heiratet im wohl ältesten Pub der Welt
Doch woher kommt der BVB-Aufkleber am Tresen? „Der hat nichts mit mir zu tun“, sagt Sattler. Und das, obwohl sie als Baby im Borussia-Mini-Trikot schlief und zum Abitur eine persönliche Glückwunschkarte des legendären Aki Schmidt erhielt. Aber daran ist ihre Oma schuld…
Diese hatte eine Kneipe am Borsigplatz, bei den Meisterfeiern 1995 und ‘96 wurde bei ihr gefeiert bis zum Umfallen. Ehrensache, dass die heute 86-Jährige am Tresen in Sean’s Bar mit der Braut auf die Zukunft anstieß. „Aber unter uns“, sagt Sattler, dann leise, „ich finde Fußball ziemlich langweilig.“
Rückkehr in den Ruhrpott? Für Auswanderin „aktuell kein Thema“
Kann sie sich vorstellen, wieder zurück in den Pott zu ziehen? „Aktuell ist das kein Thema. Wir wollen hier ein Haus kaufen.“ Sattler hält es sogar für möglich, dass ihre Eltern bald ebenfalls nach Athlone ziehen werden. „Wenn mein Vater erst mal Rentner ist, verkaufen sie vielleicht ihre Wohnung in Brackel.“
Heimisch werden könne man in Irland nicht nur wegen der herrlichen grünen Landschaft. Wichtiger noch sei die Mentalität der Menschen: „Die Leute sind hier entspannt, offen und stets hilfsbereit. Negative Stimmung spüre ich hier keine. Insgesamt sind die Iren irgendwie zufriedener mit ihrem Leben als viele Deutsche.“
USA, Tokio, Moskau: Dennis aus NRW reist für seinen Job durch die ganze Welt
Eine Einschätzung, die Dennis Hintz, der bereits vor 14 Jahren nach Irland zog, teilt. Zufall: Der heute 40-Jährige war auf derselben Schule wie Hannah Sattler. Nach dem Abschluss absolvierte er in einer Volvo-Werkstatt in Selm seine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker.
„Weil man als Angestellter in der Branche nicht viel verdient, nahm ich im Sommer 2006 einen Job in den USA an“, erinnert er sich. In South Carolina arbeitete er im größten BMW-Werk der Staaten. „Es gab mehr Geld, ich verbesserte mein Englisch und konnte das Geschehen in der NBA aus nächster Nähe verfolgen“, sagt der Dirk Nowitzki-Fan. Und wie hat es ihn nach Irland verschlagen?
„Nach dem BMW-Job arbeitete ich ein gutes Jahr auf Montage. Ich gehörte zu einer Art Techniker-Task-Force. Bilbao, Moskau, Tokio: Wenn irgendwo dringend Techniker gebraucht wurden, wurde ich eingeflogen.“
Auswanderer aus NRW arbeitet beim irischen TÜV
Weil das Leben aus dem Koffer jedoch immer anstrengender wurde, sehnte Hintz sich nach einem festen Arbeitsplatz. Den fand er bei „National Car Testing“, dem irischen TÜV. Und hier, zwischen Abgas- und Beleuchtungstests, lernte er auch seine heutige Frau Jolanta kennen.
„Mein Kollege wollte früher in die Mittagspause und so kümmerte ich mich um den silbernen Polo auf dem Hof“, sagt Hintz. Am Steuer saß eine attraktive Polin, die er schon öfter im Supermarkt um die Ecke gesehen hatte.
Cliffs of Moher und Game of Thrones: „Lebensqualität pur“ in Irland
„Ich checkte den Wagen, händigte ihr die Plakette aus und drückte ihr auch meine Telefonnummer in die Hand.“ 2014 haben die beiden in Newtown Mount Kennedy ein Haus gekauft, im Januar 2020 wurde Tochter Heidi geboren.
Für Dennis Hintz steht fest: Er wird in Irland bleiben. „Ich bin mit der Familie sofort in der schönsten Natur. Glendalough liegt vor der Tür, die Cliffs of Moher und den aus Game of Thrones bekannten Giant’s Causeway im Norden muss jeder mal gesehen haben“, sagt er. „Dazu der entschleunigte irische Alltag, das ist einfach Lebensqualität pur.“