Essen/Dortmund. Dortmunds Stadtwerke-Chef Pehlke erklärt, warum Wärmepumpen-Anschlüsse auch mal länger dauern. Und warum die Netzagentur den Ausbau bremst.
Scheitert die Energiewende am stockenden Netzausbau? Haben die Stadtwerke ihre Hausaufgaben nicht gemacht? Der Ärger von Vonovia-Chef Rolf Buch darüber, dass viele der in seinen Häusern installierten Wärmepumpen noch nicht laufen, schlägt Wellen. Wo die Probleme liegen, ob und wie sich lösen lassen, sagt Guntram Pehlke, Chef der Dortmunder Stadtwerke-Gruppe DSW21, im Gespräch mit Stefan Schulte. Dabei macht er die Bundesnetzagentur, das Heizungsgesetz von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), aber auch klagende Anwohner verantwortlich für den stockenden Netzausbau.
Herr Pehlke, Deutschlands größter Wohnungskonzern Vonovia setzt auf Wärmepumpen und beklagt nun, dass schon die ersten Anlagen noch nicht angeschlossen werden können, weil die Netze dafür nicht ausreichen, vor allem im Pilotgebiet Dortmund. Warum kriegen Sie das nicht hin?
Pehlke: Wir kriegen das ja hin, im Einzelfall finden wir immer eine Lösung, aber man muss sich eben jeden einzelnen Anschlusswunsch genau anschauen. An vielen Stellen reicht das vorhandene Netz dafür nicht aus. In der einen Straße, oft in Neubaugebieten, können die Wärmepumpen sofort angeschlossen werden, in der nächsten genügen kleinere Anpassungen, vor allem in älteren Siedlungen sind aber auch mal größere Arbeiten nötig.
DSW21-Chef: Keiner will ein Trafohaus vor der Tür haben
Wie sehen die dann aus, müssen die Straßen aufgerissen werden?
Ja, und im Zweifel muss auch eine neue Netzstation gebaut und zuerst ein geeigneter Standort dafür gesucht werden. Dafür brauchen wir dann eine Genehmigung, die dauern kann. Ein weiteres Problem ist wie so oft beim Netzausbau: Jeder will einen starken Anschluss haben, der für seine Elektroauto-Ladebox und eine Wärmepumpe reicht. Aber niemand will ein Trafohäuschen in unmittelbarer Nachbarschaft haben. Gegen den Willen der Anwohner zu bauen, ist nicht so einfach. Im Zweifel klagen sie dagegen, das verzögert die ganze Sache weiter.
Vonovia-Chef Rolf Buch fordert, dass jede Kommune eine Strategie für ihre Wärmewende aufsetzen und definieren soll, wo vielleicht Fernwärme die Lösung sein kann und wo Wärmepumpen.
Eine gute Idee, die wir tatsächlich auch schon hatten. Natürlich brauchen wir zuerst eine kommunale Wärmeplanung, bevor wir richtig loslegen können. Deswegen machen wir das natürlich auch längst. In Dortmund arbeiten die Stadtwerke mit Hochdruck an der Wärmeplanung für die Kommune. Das dauert aber seine Zeit, weil wir für jede Straße und jedes Quartier passende Lösungen suchen müssen.
Klingt ja, als laufe alles super, geht es stattdessen nicht viel zu langsam?
Aber ja, weil so vieles in der deutschen Energiewende nicht zusammen passt. Was gerade allen Stadtwerken in die Quere kommt, ist das Gebäudeenergiegesetz der Bundesregierung. Man hätte zunächst die kommunale Wärmeplanung gesetzlich verankern müssen. Auf der Basis hätten wir vor Ort planen können. Die Erkenntnisse und Erfahrungen aus diesen Planungen wären dann in das Gebäudeenergiegesetz eingeflossen. Das wäre die richtige Reihenfolge gewesen. So stört dieser Schnellschuss den Prozess, anstatt uns zu unterstützen.
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Im vergangenen Jahr sind ja immerhin 250.000 Wärmepumpen in Deutschland installiert worden, es scheint doch an vielen Stellen zu funktionieren.
Das ist wirklich sehr abhängig von der lokalen Situation. Aber das ist ja auch erst der Anfang. Wenn wir überall Wärmepumpen einbauen wollen, was übrigens in vielen Altbauten gar nicht geht, und gleichzeitig überall Ladestationen für Elektroautos haben wollen, dann muss man Stand heute sagen: Dafür reichen unsere Verteilnetze einfach nicht aus.
Warum bauen sie ihre örtlichen Netze dann nicht präventiv schnellstmöglich aus, um den künftigen Stromhunger stillen zu können?
Wir müssen unsere Netze großflächig verstärken und ertüchtigen, das würden wir auch gerne. Die größte Bremse dafür ist die Bundesnetzagentur. Die aktuelle Verzinsung unserer Investitionen von sechs Prozent reicht nicht aus, wir bewegen uns an der Grenze der Wirtschaftlichkeit, was kein guter Anreiz dafür ist, jetzt sehr viel Geld in den Netzausbau zu stecken. Die Netzentgelte sind viel zu niedrig, die Systematik ist komplett falsch. Für die Berechnung der Netzentgelte wird geschaut, was wir die letzten fünf Jahre gemacht haben, nicht darauf, was wir künftig machen sollen. Das passt in keiner Weise zu den großen Plänen, die die Politik für eine weitgehend elektrische Wärmewende hat.
Pehlke: Gesetz überfordert die gesamte Wärmewirtschaft
Aber ist es nicht an der Zeit, fossile Brennstoffe aus unseren Heizungskellern zu verbannen?
Es wäre an der Zeit dafür, die vielen Details der Energiewende aufeinander abzustimmen, sie miteinander zu verzahnen. Ich halte es für einen Fehler, dass die Regierung fast ausschließlich auf strombasierte Lösungen setzt und die Fristen für die Umrüstung für viel zu kurz. Das überfordert die gesamte Wärmewirtschaft. Und das kommt für viele Besitzer älterer Immobilien einer Enteignung durch die kalte Küche gleich, weil energetisch unsanierte Häuser ohne moderne Heizung unverkäuflich werden.
Wie ginge es denn besser? Die Zeit läuft uns doch weg.
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Wir brauchen großflächige Lösungen für grüne Wohnquartiere. Wir brauchen vor allem Lösungen für die älteren Häuser und Siedlungen. Und dafür braucht es eine Technologieoffenheit. Wir sollten uns nicht auf eine Lösung versteifen. Wasserstoff etwa als Brennstoff ist zwar keine Option für das einzelne Haus, kann aber zum Beispiel für die Erzeugung von Fernwärme eine wichtige Rolle spielen. Dafür brauchen wir Leitungen, viele bestehende Gasleitungen eignen sich dafür. Aus dem Bundeswirtschaftsministerium hören wir dagegen: Die braucht ihr nicht mehr, baut sie ab. Das passt wie so vieles einfach nicht zusammen.